Werner Knallhart
Kino-Snacks: Popcorn & Co. sind viel zu teuer Quelle: imago images

Vorm Kinosaal schnappt die Popcorn-Falle zu

Moderne Premiumkinos bieten echten Komfort. Aber absahnen tun sie nicht beim Ticket, sondern hauen bei Getränken und Popcorn rein. Gäste, die sich das nicht leisten können, spielen „Versteck den Snack“. Ist das erlaubt?

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Wir wollen ja alle von uns selber sagen können: Wir sind mündige Verbraucher. Deshalb ist es wichtig, dass wir die Tricks derjenigen erkennen, die an unser Geld wollen. Das gilt für Diebe (Geldbeutel vorne in die Jeans und nicht am Po) und das gilt für diejenigen, die legale Tricks nutzen, um uns zu verführen.

Zum Glück haben unsere Gerichte oftmals Freude an selbstbewussten Verbrauchern, die sich nicht auf der Nase herumtanzen lassen. Fitnessstudios etwa dürfen ihren Mitgliedern schon längst nicht mehr verbieten, eigene Getränke mitzubringen, nur damit diese verschwitzt und mit trockenem Mund an den Theken ihre teuren kunterbunten Sirup-Leitungswasser-Drinks runterstürzen. Danke dafür, liebe Richter.

Aber was ist nun mit den Kinos? Ich verstehe ja: Kinos sind von den Behörden genehmigte Gastronomiebetriebe. Und wie Tankstellen ihr Zubrot mit dem Verkauf von Snacks verdienen, lebt auch ein Kinobetreiber nicht allein vom Filme-Vorführen.

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Aber was das da kostet! Mir sind jüngst beim Blick auf die Preistafel eines neuen UCI-Kinos in Berlin fast die Augen ausgefallen (was gerade bei einem Kinobesuch natürlich ein handfester Nachteil gewesen wäre). Ich meine nicht das Kinoticket. Das Kino bietet eine moderne, komfortable Ausstattung. Per Knopfdruck fährt die Rückenlehne zurück und eine Stütze für die Unterschenkel fährt hoch. Und Bild und Ton sind beeindruckend und technisch sicherlich auf höchstem Niveau. Dafür darf die Kinokarte auch mehr kosten als für ein traditionelles Programmkino mit Rückenlehnen, die an den Schulterblättern enden und mit einer Beinfreiheit, die an einen Ryanair-Flug erinnert (ab einer Filmlänge von 100 Minuten Thrombosestrümpfe nicht vergessen!).

So kosten die Karten im besten Saal eines solchen Luxuskinos auch gerne mal 16 bis 20 Euro und damit mehr als doppelt so viel wie oftmals in den klassischen Kulturbetrieben. Das ist kein Schnäppchen. Aber die neue Technik will auch refinanziert sein. Man zahlt eben nicht nur für die Filmlizenz mit, sondern auch für die Annehmlichkeiten drum herum.

Aber nun die Preise für das, was den Kinobetreiber eigentlich nichts groß kostet: die Getränke und Snacks. Bitte suchen Sie sich festen Halt:

Ein kleiner Snack wie ein Schachtel Popcorn und ein Getränk, etwa eine Plastikflasche Bionade 0,5 Liter: 9 Euro 30. Dafür kann man etwas kleines im Restaurant essen gehen. Zum Vergleich: Im altehrwürdigen Berliner Premiumkino Zoopalast direkt am Zoologischen Garten einige Kilometer weiter westlich bekommt man für 10 Euro ein Glas Weißweinschorle (0,2 Liter), Parmesanhäppchen, Oliven und frisches Baguette. Oder auch einen Aperol Spritz zusammen mit Langnese-Eiskonfekt (9 Euro 60). Alles serviert bis kurz vor Start des Films an zart beleuchteten Tischchen zwischen den Ledersitzen direkt im Kinosaal. Und in so manchem Programmkino kostet das Bier 2 Euro 50 und Popcorn nicht viel mehr.

Wir wissen alle, wieviel Volumen so ein Popcorn-Samen beim Poppen gewinnt. Eine mittlere Portion Popcorn dürfte im Einkauf vielleicht 20 Cent kosten und vielleicht schmunzeln die Kinobetreiber jetzt sogar, weil 20 Cent noch viel zu hoch geschätzt sind. Eine Portion Mikrowellen-Popcorn im Supermarkt kostet uns zumindest rund 90 Cent.

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Ein halber Liter Bier oder Limo im Supermarkt kostet rund 80 Cent. Im Einkauf für den Händler natürlich deutlich weniger.

Brächten wir uns unsere Snacks und Getränke also selber mit, kämen wir zu zweit auf knapp vier Euro. Im Kino aber wird mit knapp 20 Euro abgesahnt. Ein Plus von 400 Prozent. Ohne den geringsten Zugewinn an Komfort im Vergleich. Hier wird das Kinoticket quersubventioniert.

Wir mündigen Verbraucher wittern den Braten natürlich: Hier läuft die Verkaufsmasche „Jetzt ist es auch egal“. Wer ein neues iPad für 900 Euro kauft, kauft die originale Schutzhülle für 50 Euro gerne auch noch schnell dazu. Wer bei Rewe für 90 Euro Lebensmittel im Wagen zur Kasse schiebt, der wirft dort am Fließband auch noch eben schnell das Päckchen Kaugummi für einen Euro dazu. Wer einen Flug für 300 Euro bucht, lässt sich bei der dabei angebotenen Versicherung für was auch immer aber für nur 5 Euro nicht lumpen.

Und der Kinoabend soll eben auch schön werden. Dass der dann hinter der Kinokasse mal eben um knapp 10 Euro pro Person teurer wird? Augen zu und durch. Diese Investition wird bei der Überlegung zuhause („Heute Abend Kino, Schatz?“) aber meist nicht mitgedacht und ist abends trotzdem weg.

Und nun wieder zum aufgeklärten Kunden: Wer lässt sich schon gerne kurz vor Filmstart am Tresen so melken? Darf man also heimlich sein eigenes Knabberzeug mitbringen und damit richtig Cash sparen? Antwort fast immer: Nein! Kinos haben Hausrecht. Und das deckt bei Gastronomiebetrieben eben auch das Recht ab, mitgebrachte Speisen und Getränke zu verbieten. Im schlimmsten Fall droht der Rausschmiss.

Ich erinnere mich noch an die Taschenkontrollen, die ein großes Kino in Köln beim Einlass in den Saal durchgeführt hat: „Urheberrecht. Wir müssen überprüfen, ob ihr Videokameras dabei habt.“ Haha, jedes Handy hatte da schon eine eingebaut. Hinter vorgehaltener Hand gaben die Mitarbeiter zu: Sie filzten nach Schokolade und Cola. Checks fast wie am Flughafen. Unsympathisch. Das Kino hat schließlich nach Jahren die Kontrollen eingestellt. Der Imageschaden war wohl zu groß.

Und so bleibt es das alte Kino-Spiel für alle, die aufs Geld achten müssen und trotzdem nicht an Fernseher gefesselt sein wollen. Das Spiel heißt: Versteck den Snack. Biere ganz unten in der Handtasche, die Tüte Chips unter der Winterjacke, der Schokoriegel im Socken.

Das widerspricht den AGB der allermeisten Kinos. Aber für viele ist das sicherlich die einzige Chance, sich und ihrer Familie einen schönen Kinoabend zu gönnen.

Ein Filmerlebnis für Eltern mit ihren zwei Kindern in einem modernen Kino samt der gekauften Snacks: knapp 100 Euro. Mit Schmuggelware aus dem Supermarkt: gut 60 Euro. Das ist eine Ansage. Ist schmuggeln fairer Ausgleich, gar Notwehr oder eben doch nur Geiz auf Kosten der Kinobetreiber?

Sehen wir es zumindest mal so: An zuhause Netflix gucken mit Popcorn und Cola bis zum Abwinken verdient ein Kino keinen Cent.

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