Whisky Der deutsche Highlander

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Whiskey aus Bayern statt Ballantines

Schon lange wollen die Menschen nicht nur wissen, was auf ihrem Teller landet oder woher die Sachen aus ihrem Kleiderschrank stammen, sondern eben auch, was sich in ihren Gläsern befindet. Der Trend zum Regionalen hat längst auch das Hochprozentige erreicht. Craft Beer statt Carlsberg, Biowein von der Mosel statt Malbec und eben bayrischen Whisky statt Ballantines.

Die Deutschen trinken zwar immer weniger, aber dafür bewusster. Sie haben 2017 weniger Alkohol getrunken als noch vor 20 Jahren, achten aber im Gegenzug mehr auf Qualität. Sie interessieren sich für Regionen und Herstellungsverfahren. Legen Wert darauf, dass die Produktion auf nachhaltige Art und Weise geschieht.

Die Brennerei am Schliersee erfüllt diese Kriterien. Außer den Fässern, die aus dem Holz der amerikanischen Weißeiche hergestellt werden, sind alle Zutaten des Slyrs-Whiskys regional: Das Wasser für die Destillation stammt aus der Bannwaldquelle der Schlierseer Alpen und liegt damit quasi vor der Haustür, auch die Gerste kommt aus Bayern. Zudem arbeiten die Slyrs-Brenner fleißig an der Verbesserung ihrer Ökobilanz. Seit ein paar Monaten fließen 15 000 Liter heißes Wasser aus der Whiskyproduktion in die interne Heizanlage.

Doch natürlich steht hinter dem Erfolg von Slyrs auch eine durchdachte Vermarktungsstrategie. Rucksäcke, Bonbons, sogar Kerzen mit dem Slyrs-Logo stehen im Verkaufsraum der bayrischen Destillerie bereit. Ein Kult, den große Whiskymarken wie Jack Daniels oder Glenfiddich schon lange zelebrieren. Seit Kurzem kann man bei Slyrs sogar sein eigenes Fass kaufen und darauf hoffen, dass der Inhalt irgendwann einmal an Wert gewinnt. Im vergangenen Jahr wurde ein kleines Kino neben den Verkaufsräumen erbaut, in dem mit einer Art Super-Bayern-Whisky-Werbefilm die Destillerie samt Umland in schönsten Imagebildern vorgestellt wird.

Um ihren Whisky auch Neulingen schmackhaft zu machen, hat man sich bei Slyrs jüngst an eine Sache gewagt, für die sich ein schottischer Brennmeister früher wohl abgrundtief geschämt hätte.

Mitten in der Destillerie, direkt hinter den kupferfarbenen Brennkesseln, steht ein Mini-Eichenfass auf einem Tisch. Thomas Weinberger, 39 Jahre alt, seit April Marketingleiter bei Slyrs, schüttet zunächst Whisky in das Fass, dann eine Flasche Aperol und zum Schluss eine Flasche roten Wermut. Boulevardine nennt er diesen Drink. Der wird im Fass samt Slyrs-Logo an große Hotelbars für spezielle Events verkauft.

Klingt zunächst wie ein Verrat an der bayrischen Brennkunst. Doch Weinberger weiß, was die Leute gern trinken: Neben seinem Marketingjob bei Slyrs ist er amtierender süddeutscher Cocktailmeister und Dozent an der Münchner Barkeeperschule.

„Der Trend geht schon lange weg von den saftigen Drinks und hin zu den High-Volume-Cocktails“, sagt er. So bezeichnet der Profi Mischungen aus verschiedenen hochprozentigen Sorten, wie zum Beispiel den Aperitif Negroni, der aus Gin, Wermut und Campari gemixt wird.

Die Whiskymischung soll neue Kunden an die Spirituose heranführen. Das findet sogar Brennmeister Kemenater okay. Allerdings mit einer Ausnahme: „Wenn jetzt einer den Whisky mit Cola mixt, das fänd ich nicht so toll.“

Der neue Mut zur Mischung zeigt bereits Auswirkungen. Zum einen hat sie die Whiskyszene verjüngt, zum anderen ist sie weiblicher geworden. „Vor zehn Jahren, auf den Whiskymessen, waren unter 100 Besuchern vielleicht zwei Frauen zu finden, heute sind es immerhin 20“, sagt Marketingchef Weinberger.

Offenbar hat Whisky sein Image als Altherrengetränk erfolgreich abgelegt. Mit jeder neu gegründeten Brennerei außerhalb von Schottland wurde das Getränk internationaler, vielfältiger und hipper. Inzwischen ist Whisky ein globales Phänomen, die weltweit größte Brennerei steht in Japan, sie heißt Suntory. Auch in Indien gibt es gigantische Destillerien.

In Deutschland unterliegt die Whiskyherstellung der europäischen Gesetzgebung, die etwa Alkoholgehalt und Lagerdauer regelt. Im Schottland nach dem Brexit gilt das vielleicht nicht mehr. Ob sich dann wieder eine neue Whiskykultur entwickeln wird, in der die Urväter des „Lebenswassers“, wie die Kelten es nannten, noch einmal alle althergebrachten Regeln auf den Kopf stellen? Mal sehen. Bei Slyrs jedenfalls ist man weiterhin entschlossen, sich an neue Trends anzupassen. Dort hängt in der Eingangshalle ein passendes Zitat, es stammt vom Schauspieler Humphrey Bogart: „Man muss dem Leben immer um mindestens einen Whisky voraus sein.“

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