Immobilienfinanzierung Das Ende der Billig-Kredite: Was die steigenden Zinsen für Hauskäufer bedeuten

Die Immobilienpreise sind auf Rekordniveau. Doch die Zeit billiger Baufinanzierungen nähert sich ihrem Ende. Quelle: imago images

Das billige Baugeld machte den Immobilienkauf für viele Menschen trotz hoher Preise bezahlbar. Doch allmählich steigt das Zinsniveau und könnte Finanzierungen gefährden.

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Was seit dem Herbst 2021 am Zinsmarkt passiert, mag auf den ersten Blick harmlos wirken: Die Zinsen für Immobiliendarlehen mit zehnjähriger Zinsbindung stiegen auf 1,05 Prozent im Durchschnitt vermeldete der laut Finanzierungsvermittler Interhyp im November 2021. Damit ist Baugeld zwar noch immer deutlich günstiger als vor zehn Jahren – da lag der Zinssatz bei etwa vier Prozent. Doch im Vergleich zum Jahresbeginn zeigt sich: Die Zinsen ziehen kräftig an.

Im Januar 2021 lag der Zinssatz bei zehnjähriger Laufzeit im Schnitt noch bei 0,75 Prozent. Der Anstieg entspricht also 40 Prozent. Für Immobilienkäufer sind die anziehenden Zinsen keinesfalls vernachlässigbar. Schon kleine Unterschiede können hohe Mehrkosten bedeuten.

Ein Beispiel: Eine Familie hat zu Jahresbeginn ein Haus für 400.000 Euro gekauft und bekam bei zehnjähriger Zinsbindung den Durchschnittszins von 0,75 Prozent. Der Beleihungswert belief sich auf 80 Prozent, die Tilgung liegt bei drei Prozent. Das macht eine monatliche Rate von 1007 Euro. Hätte sie jetzt einen Kredit abgeschlossen, müsste die Familie zu den gleichen Konditionen 80 Euro mehr zahlen – jeden Monat.

Für Immobilienkäufer stellen die steigenden Zinsen also ein großes Problem dar: Lange kompensierten günstige Baufinanzierungen die heftigen Preissteigerungen für Immobilien immerhin ein bisschen. Jetzt aber müssen Käufer hochpreisige Immobilien deutlich teurer finanzieren als noch vor einigen Monaten. Nur ein höherer Eigenkapitaleinsatz kann dem entgegenwirken – wenn Zinsen und Kaufpreissteigerungen in der Zwischenzeit diesen nicht wieder aufgezehrt haben.

Zinsanstieg als Herausforderung

Von einer generellen Trendwende am Zinsmarkt will Interhyp zwar noch nicht sprechen. Doch die Finanzierungsvermittler raten Kaufinteressenten davon ab, auf bessere Konditionen zu warten, wenn sie bereits eine Immobilie gefunden haben und die Finanzierung solide ist.

Auch empfehlen sie Eigentümern, die zwischen 2011 und 2013 – also zu deutlich teureren Zinskonditionen – ein Darlehen abgeschlossen haben, jetzt ein Forward-Darlehen in Betracht zu ziehen. Mit solch einem Kredit lassen sich die aktuellen Zinsen für die Zukunft sichern. Das kann sich lohnen, wenn von weiter steigenden Zinsen auszugehen ist.



Man könnte auch sagen: Das Ende der Billig-Kredite ist eingeläutet. Das könnte viele Eigentümer vor finanzielle Herausforderungen stellen, denn mit dem Ablauf der Sollzinsbindung nach oft zehn oder 15 Jahren steht die Anschlussfinanzierung an. Gerade für Eigentümer, deren Einkommen nur eine niedrige Tilgung zulässt, ist das problematisch.

Wenn die Restschuld noch hoch ist und der Kreditnehmer keine höheren Kosten tragen kann, sind Zinserhöhungen besonders gefährlich. Im schlimmsten Fall droht die Finanzierung zu kippen. Verbraucherschützer raten daher, vor Kreditabschluss immer ehrlich nachzurechnen, ob die Finanzierung auch mit Zinsen von drei oder vier Prozent noch tragbar wäre.

„Rate könnte unbezahlbar werden“

Insbesondere sind Verbraucher gefährdet, die eine Vollfinanzierung abgeschlossen haben. Dabei gewährt ihnen die Bank den kompletten Kaufpreis und teils auch die Kaufnebenkosten als Darlehen. Oft übersteigt dabei die Kreditsumme den sogenannten Beleihungswert der Immobilie. Der gibt an, wie viel die Bank mit hoher Wahrscheinlichkeit bei einer Zwangsversteigerung der Immobilie bekommen würde.

In Boomzeiten liegt der Wert in der Regel 20 bis 40 Prozent unterm Kaufpreis. Wenn die Bank diese Immobilien trotzdem komplett finanziert, geht sie ein großes Risiko ein – und lässt sich das mit deutlich höheren Zinsen bezahlen. Je höher die Beleihung, desto höher die Zinsaufschläge.

Sollten in Zukunft nicht nur die Zinsen weiter steigen, sondern auch die Immobilienpreise fallen, könnte die Finanzierung für Vollfinanzierer besonders schwer werden, sagt Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg: „Fällt der Beleihungswert unter die Restschuld, drohen wegen der Risiken hohe Aufschläge auf die ohnehin schon gestiegenen Zinsen. Dann kann die Rate für die Anschlussfinanzierung unbezahlbar werden.“ Um die Risiken bei einer Finanzierung zu minimieren, raten Experten dazu, 20 Prozent des Kaufpreises als Eigenkapital anzusparen – zusätzlich zu den Kaufnebenkosten.

Einige Punkte sprechen dafür, dass die Zinsen künftig weiter steigen. Der Zins für Baugelder orientiert sich indirekt auch an der Rendite von Staatsanleihen. Banken handeln mit sogenannten Pfandbriefen, um die Immobilienkredite zu refinanzieren. Das sind festverzinste Wertpapiere, die sie an Anleger verkaufen. Die Investoren erhalten dafür Zinsen. Der Zins der Pfandbriefe folgt im Trend meist der Rendite zehnjähriger Bundesanleihen. Aktuell nähert sich die Rendite der Null-Prozent-Marke und notiert damit auf dem höchsten Stand seit zwei Jahren.

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Die negative Rendite bei der Bundesanleihe könnte bald Geschichte sein. Und steigt die Rendite der Bundesanleihe, steigen auch die Zinsen der Immobilienkredite.

Mehr zum Thema: Hauskauf, ganz ohne Eigenkapital? Vollfinanzierte Kredite machen das möglich. Doch sie bergen große Risiken – insbesondere mit Blick auf die wieder steigenden Zinsen.

Dieser Artikel erschien erstmals im November 2021 bei der WirtschaftsWoche.

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