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Martin S. Feldstein: Chinas Verhalten ist schlicht Erpressung Quelle: imago images

Chinas Verhalten ist schlicht Erpressung

Martin Feldstein Quelle: Bloomberg, Montage
Martin S. Feldstein US-amerikanischer Ökonom, Professor für Wirtschaftswissenschaften und ehemaliger Oberster Wirtschaftsberater für US-Präsident Ronald Reagan Zur Kolumnen-Übersicht: Post aus Harvard

Die von den USA angezettelten Zollkonflikte gehen in die nächste Runde. Im Fall China geht es aber im Kern gar nicht um das Handelsdefizit.

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Ist der aktuelle Konflikt zwischen den Vereinigten Staaten und China tatsächlich ein Handelskrieg? Ich denke: nein! Zwar haben die USA gegenüber China weiterhin ein großes Handelsdefizit. Dies ist aber nicht der Hauptgrund, warum die Amerikaner chinesische Importe mit hohen Zöllen belegen und drohen, sie nach dem Ende des 90-tägigen Waffenstillstands am 1. März weiter zu erhöhen. Der Zweck dieser Zölle liegt vielmehr darin, China dazu zu bringen, den Diebstahl von amerikanischer Technologie zu beenden.

Die chinesische Regierung hoffte bislang, der Kauf großer Mengen amerikanischer Produkte würde die USA dazu bewegen, die umstrittenen Zölle abzuschaffen. Erst kürzlich haben die chinesischen Unterhändler angeboten, genug Produkte aus den USA zu importieren, um das bilaterale Handelsdefizit bis 2024 auf null zu bringen. Bezeichnenderweise haben die US-Unterhändler diesen Versuch, den Streit zu beenden, abgelehnt.

China soll aufhören, US-Unternehmen, die im Reich der Mitte Geschäfte machen wollen, ein chinesisches Partnerunternehmen aufzuzwingen – darum geht es den USA. Sie wollen ihre Technologie nicht teilen müssen. Die Vorgehensweise der Chinesen ist laut den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) – auf deren Einhaltung sich China bei seinem WTO-Beitritt 2001 verpflichtet hat – ausdrücklich verboten. Die Chinesen streiten zwar ab, die Regel zu verletzen. Sie argumentieren, US-Unternehmen seien nicht verpflichtet, ihre Technologie zu teilen, sondern täten dies freiwillig, um sich Zugang zum chinesischen Markt und zu chinesischen Produktionsmöglichkeiten zu verschaffen. US-Unternehmen können dieser Argumentation aber wenig abgewinnen: Sie halten Chinas Verhalten schlicht für eine Form von Erpressung.

Angst vor Cyberspionage

Und es geht nicht nur um erzwungenen Technologietransfer. Die US-Regierung will auch erreichen, dass China nicht weiterhin mittels Cyberspionage Industriegeheimnisse von amerikanischen Unternehmen ausspäht. Der chinesische Präsident Xi Jinping hatte sich bereits 2015 nach einem Treffen mit dem damaligen US-Präsidenten Barack Obama bereit erklärt, den digitalen Diebstahl zu beenden. Doch leider war die damals getroffene Vereinbarung sehr oberflächlich. Danach ging der Technologiediebstahl zeitweise zurück. Das Ausmaß der Cyberattacken auf US-Unternehmen, die möglicherweise auf das Konto chinesischer Staatsunternehmen und anderer dortiger Institutionen gehen, ist jedoch in den vergangenen Jahren wieder gestiegen.

Die Chinesen verwenden die gestohlene Technologie, um in China und anderen Teilen der Welt mit US-Unternehmen konkurrieren zu können. Der US-Handelsrepräsentant schätzt, dass dies die US-Wirtschaft jährlich zwischen 225 Milliarden und 600 Milliarden Dollar kostet. Das FBI hält Chinas Cyberdiebstahl amerikanischer Technologie sogar aktuell für die „schwerste“ Bedrohung der nationalen Sicherheit der Vereinigten Staaten. Das Problem des Technologiediebstahls wurde auch in einem 142-seitigen Bericht der US-Handelskammer und der Amerikanischen Handelskammer in China über den amerikanisch-chinesischen Konflikt betont. Die Handelsbilanz hingegen wurde dort überhaupt nicht erwähnt.

Dies liegt daran, dass den Verfassern offenbar eine grundlegende ökonomische Tatsache bekannt ist: Das weltweite US-Handelsdefizit ist das Ergebnis der wirtschaftlichen Bedingungen innerhalb der USA selbst. Genauer: Die Investitionen übersteigen hier traditionell die volkswirtschaftliche Ersparnis. Kauften die Chinesen genügend Produkte, um das bilaterale Handelsungleichgewicht zu beenden, würde sich das US-Defizit lediglich auf andere Länder verschieben, ohne das gesamte Ungleichgewicht zu verringern.

Zölle schaden auch der Börse

Wie aber geht es nun weiter? Klar ist, dass die US-Zölle der chinesischen Wirtschaft schaden. Die Kurse am chinesischen Aktienmarkt sind zuletzt erheblich zurückgegangen, die chinesische Wirtschaft wächst langsamer als früher. Das reale Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) lag im vierten Quartal 2018 bei nur noch vier Prozent.

Es ist also kein Wunder, dass China vor diesem Hintergrund seine Bereitschaft signalisiert, ein Abkommen mit den USA zu schließen. Auch das Weiße Haus hat zuletzt positive Kommentare zu den Verhandlungen abgegeben, freilich auch deshalb, weil dies den US-Aktienmarkt stützt. Die US-Regierung hat kein Interesse daran, das chinesische Wirtschaftswachstum abzuwürgen.

Tatsache aber ist, dass es beim Problem des Technologiediebstahls zu wenig Fortschritte gibt. Die USA sind entschlossen, diesen Missstand zu beenden. Sie werden notfalls den Druck erhöhen und die Zölle auf chinesische Exporte im Wert von 200 Milliarden Dollar von 10 auf 25 Prozent erhöhen.

Dies würde der chinesischen Wirtschaft zusätzlich schaden. Aber es bringt China vielleicht dazu, die Forderungen der USA ernster zu nehmen – und entsprechend kompromissbereit zu verhandeln.

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