Neuseelands Farmen vor Ausverkauf Chinesen auf der Jagd nach dem weißen Gold

6,7 Millionen Kühe – und nur 4,5 Millionen Menschen: Neuseeland ist eine gigantische Kuhweide. Doch die Probleme nehmen zu: Chinesen haben längst aufgehört, nur die Milch zu kaufen. Sie kaufen die Farm.

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Neuseeländische Milchprodukte sind zu einem gefragten Massennahrungsmittel geworden. Quelle: Urs Wälterlin

Beim Bauern Kerry Simpson auf der Nordinsel Neuseelands ist nichts von einer Milchkrise zu spüren. Der Mittsechziger aus der Nähe der Kleinstadt Matamata lehnt sich zurück und nippt genüsslich an einem Glas neuseeländischen Sauvignon Blanc. „Ich bin der ewige Optimist“, sagt der Landwirt, „das wird schon wieder“.

Berichte über den finanziellen Kollaps von Milchbetrieben, Zwangsversteigerungen von Farmen, ja sogar Selbstmorde von Bauern, die keinen Ausweg sehen – Simpson lässt einen fast an der Wahrhaftigkeit der Schreckensmeldungen zweifeln. „Ich habe gerade meine Farm erweitert, von 240 auf 570 Kühe“, sagt der Bauer.

Kerry Simpson hat – wie tausende anderer Landwirte in Neuseeland – im letzten Jahrzehnt zu einem der bemerkenswertesten Erfolge in der Geschichte der globalen Agrarindustrie beigetragen. Früher vor allem ein Produzent von zweitklassiger Wolle, fettem Lammfleisch und gesalzener Butter, hat sich Neuseeland in den Achtziger und Neunziger Jahren zu einem hoch effizienten Agrarland gemausert.

Der Aufschwung war das Ergebnis tief greifender Reformen der gesamten Wirtschaft. Von einem Tag auf den anderen sah sich auch die quasi-sozialistische und hoch subventionierte Agrarindustrie komplett dem freien Markt ausgesetzt. Sie überlebte und florierte: Neuseeländische Agrarprodukte sind heute im internationalen Vergleich eine Messlatte für Qualität.

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Kühe in einem Melkkarussel Quelle: dpa
Milch Quelle: Christof Mattes für WirtschaftsWoche
Molkerei Quelle: Christof Mattes für WirtschaftsWoche
Zutaten Quelle: Christof Mattes für WirtschaftsWoche
Steuerung Quelle: Christof Mattes für WirtschaftsWoche
Abfüllung Quelle: Christof Mattes für WirtschaftsWoche
Fertig Quelle: Christof Mattes für WirtschaftsWoche

Seit gut einem Jahrzehnt ist Milch Trumpf: Neuseeland hat sich in wenigen Jahren zu einer gigantischen Kuhweide entwickelt. 2014 teilten sich 6,7 Millionen Milchkühe das Land mit nur 4,5 Millionen Menschen. Die Tiere produzieren, was Simpson „Weißes Gold“ nennt: mindestens 22 Milliarden Liter Milch pro Jahr. Neuseeländische Milchprodukte, allem voran Milchpulver, aber auch Butter, Sahne, Käse und Kasein, sind in den letzten Jahren zu einem gefragten Massennahrungsmittel geworden – allem vor allem in China.

2013 löste das Land erstmals den wichtigsten Handelspartner Australien als größten Abnehmer von Milchprodukten ab. Nicht einmal ein Skandal um kontaminiertes Milchpulver für Säuglinge konnte die Nachfrage in China langfristig bremsen. Auch Käse und ähnliche Produkte wurden unter der rasant wachsenden Mittelschicht immer beliebter: Camembert und Mozzarella gelten als Symbol für Wohlstand, von westlicher Eleganz. Milchbauern wie Simpson profitierten.

Die Firma Fonterra, eine von 10.500 Milchbauern kontrollierte Kooperative, ist in mehr als 100 Ländern vertreten und mit 16.000 Angestellten der größte Molkereibetrieb der Welt. War die neuseeländische Milchindustrie früher hoffnungslos ineffizient, wird sie heute als eine der produktivsten und rentabelsten auf dem Globus bewundert. Milchbauer zu sein kam in den letzten Jahren einem Lottogewinn gleich.


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