PEI-Sicherheitsbericht Warum für AstraZeneca-Impfstoff mehr Verdachtsfälle von Nebenwirkungen gemeldet werden

Die Ständige Impfkommission (Stiko) teilte am Donnerstag in Berlin vorab mit, die Impfung mit dem Mittel „für alle Altersgruppen, entsprechend der Zulassung zu empfehlen“. Quelle: AP

Für den AstraZeneca-Impfstoff melden mehr Menschen Nebenwirkungen als für die beiden anderen in Deutschland eingesetzten Vakzine. Woran das liegen könnte.

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Das für die Sicherheit von Impfstoffen zuständige Paul-Ehrlich-Institut (PEI) hält den Covid-19-Impfstoff von AstraZeneca für ebenso gut wie die Vakzine von Biontech/Pfizer und Moderna. Allerdings würden für den Vektorimpfstoff mehr Verdachtsfälle von Nebenwirkungen gemeldet als für die beiden mRNA-Impfstoffe, berichtete das Institut in seinem am Donnerstagabend veröffentlichten Sicherheitsbericht.

Die Melderate unerwünschter Reaktionen sei bei AstraZeneca „vergleichsweise höher“, berichtete das PEI. Daraus könne aber „nicht zwangsläufig auf eine höhere Reaktogenität des Impfstoffes geschlossen werden, da die erhöhte Melderate auch mit der erhöhten medialen Aufmerksamkeit für den Impfstoff und den unterschiedlichen Altersgruppen der geimpften Personen zusammenhängen könnte“.

Zudem seien viele Meldungen als „gefühlt schwerwiegend“ gemeldet worden, obwohl es sich beispielsweise nur um vorübergehendes Fieber gehandelt habe. In Großbritannien etwa gibt es dem PEI zufolge keinen großen Unterschied bei den gemeldeten Nebenwirkungen der unterschiedlichen Impfstoffe.

Der Vize-Chef von AstraZeneca in Deutschland stellt eine „Verzerrung der Wahrnehmung“ des eigenen Impfstoffs fest. „In Deutschland wird der Impfstoff vor allem bei Jüngeren, also Berufstätigen eingesetzt. Diese haben generell stärkere Immunreaktionen und können sich – anders als Rentner – auf der Arbeit krank melden“, sagte Klaus Hinterding, deutscher Vize-Chef des Pharmaunternehmens, der Deutschen Presse-Agentur. „Das hat in Deutschland zu einer Verzerrung der Wahrnehmung geführt.“

In vielen deutschen Regionen lag das Mittel von AstraZeneca, das gemeinsam mit der renommierten Universität Oxford entwickelt wurde, in den vergangenen Tagen und Wochen auf Halde - auch, weil etliche Bürger ihre Impfangebote nicht wahrnehmen. Nach ersten Studiendaten und Berichten hatten viele das Mittel wohl für deutlich weniger wirksam oder sicher gehalten als die Impfstoffe von Biontech oder Moderna. „Ich weiß gar nicht, ob wirklich etwas schief gelaufen ist“, sagte Hinterding mit Blick auf das Imageproblem. „Es gingen unglaublich viele Zahlen durch die wissenschaftliche Literatur und auch durch die Tagespresse“, so der Vize-Chef. „Das Wesentliche war immer, dass der Impfstoff mit ganz großer Wirksamkeit vor schweren Verläufen der Krankheit schützt.“

Ein weiterer Grund für die großen Mengen an Impfdosen, die derzeit in deutschen Kühlschränken liegen, ist auch, dass vielerorts die zweite Dosis für eine Impfung zurückgelegt wird, um sie beim zweiten Termin des Patienten parat zu haben. Anderswo, unter anderem in Großbritannien, vertraut man auch den Liefernachschub und impft, was da ist.

AstraZeneca-Impfstoff in Deutschland nun auch für Menschen ab 65 Jahren empfohlen

Auch wenn AstraZeneca Schwankungen bei den Lieferungen nicht ausschließen wollte, sagte Hinterding: „Ich persönlich würde keine Unmengen an Impfdosen im Kühlschrank liegen lassen.“ Es bestünde aber keine Gefahr, dass Impfstoff tatsächlich verfalle. Bei Kühlschranktemperaturen sei das Vakzin bis zu sechs Monate haltbar.

Die unerwünschten Reaktionen nach einer Impfung mit einem der drei Produkte seien „vor allem vorübergehende Lokalreaktionen und Allgemeinreaktionen“, berichtet das PEI. Diese seien auch in den klinischen Prüfungen vor der Zulassung berichtet worden. Bei AstraZeneca seien vor allem Fieber, Schüttelfrost und grippeähnliche Beschwerden gemeldet worden. „Vereinzelte anaphylaktische Reaktionen“ nach diesem Impfstoff „sind zu diskutieren“.

Der AstraZeneca-Impfstoff wird in Deutschland nun auch für Menschen ab 65 Jahren empfohlen. Die Ständige Impfkommission (Stiko) teilte am Donnerstag in Berlin vorab mit, die Impfung mit dem Mittel „für alle Altersgruppen, entsprechend der Zulassung zu empfehlen“. Ende Januar hatte die Stiko den Impfstoff zunächst nur für Menschen zwischen 18 und 64 Jahren empfohlen.

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Der PEI-Bericht umfasst die Meldungen bis 26. Februar, also etwa zwei Monate seit Beginn der Impfungen in Deutschland. Seither wurden laut PEI knapp 12.000 „Verdachtsfälle von Nebenwirkungen oder Impfkomplikationen im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung“ gemeldet - bei einem Stand von 5,9 Millionen Impfungen (5,4 Millionen mit Biontech/Pfizer, rund 168.000 mit Moderna und knapp 364.000 mit AstraZeneca).

8368 Verdachtsfälle wurden zu Biontech/Pfizer gemeldet, 484 zu Moderna und 2765 zu AstraZeneca. In rund 300 weiteren Fällen wurde der Impfstoff nicht angegeben. „Die Melderate betrug für die drei Impfstoffe zusammen 2,0 pro 1000 Impfdosen“, berichtete das PEI. Zählt man nur die als schwerwiegend eingestuften Reaktionen, betrug die Quote 0,6 pro 1000 Impfdosen für alle drei Impfstoffe.

Mehr zum Thema: Zu geringe Wirksamkeit, zu viele Nebenwirkungen: Im Interview nimmt Klaus Hinterding, einer der Geschäftsführer von AstraZeneca in Deutschland, Stellung zu den Vorwürfen.

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