Peinliche Presseerklärungen Falsch, verlogen, zynisch

Niemanden fällt es leicht, eine schlechte Nachricht zu veröffentlichen. Doch häufig übertreiben es Konzerne mit ihrer Verschleierungstaktik. Trotz eines Verlusts werden die „Weichen für einen Erfolgskurs“ gestellt.

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Brüskierung und blanker Hohn. Quelle: Imago

Düsseldorf Man kann Johannes Teyssen ein Gespür für große Nachrichten wahrlich nicht absprechen. Als der Eon-Chef vor wenigen Tagen bei der Bilanz-Pressekonferenz einen Rekordverlust von sieben Milliarden Euro einräumen musste, hielt er frei von allen Illusionen fest: „Das wird natürlich die Berichterstattung prägen.“

Für die Presseerklärung, die der angeschlagene Energieriese drei Stunden zuvor verschickt hatte, galt dies freilich nicht. Die stand unbeeindruckt vom gigantischen Fehlbetrag, der natürlich der größte in der Unternehmensgeschichte war, unter der Überschrift: „Eon mit Ergebnis im Rahmen der Erwartungen.“ Naja, das war zumindest korrekt. Denn zu erwarten war der Rekordverlust ja in Anbetracht der desolaten Lage des Energiekonzerns wahrlich.

Während für Journalisten die Regel „Bad news, are good news“ gilt, fällt es Unternehmen natürlich schwer, die ganze traurige Wahrheit auf den Tisch zu legen. Das ist wohl allzu menschlich. Vor allem, wenn das Verbreiten von Hiobsbotschaften zur Regel wird – wie bei den deutschen Energiekonzernen.

Die Kollegen von Eons Konkurrent RWE haben sich jedenfalls ihren Humor bewahrt. Anders lässt sich die Pressemitteilung nicht erklären, die die Kommunikationsabteilung am 17. Februar verbreitete: „RWE stellt Weichen für Erfolgskurs in schwerem Marktumfeld.“ Mit dieser positiven Schlagzeile verkauften die RWE-Kommunikatoren eine ebenso überraschende, wie schockierende Nachricht: Der Konzern schrieb zwei Milliarden Euro auf seine notleidenden Kraftwerke ab, rutschte in die Verlustzone und strich den Stammaktionären die Dividende.

Zum ersten Mal seit fast sechzig Jahren bekommen die Stammaktionäre rein gar nichts ausgeschüttet. Für die Aktionäre war das ein Schock, für viele Kämmerer an Rhein und Ruhr eine Katastrophe. Den kommunalen Aktionären, die rund 24 Prozent der Aktien halten, fehlen verglichen mit dem Vorjahr 150 Millionen Euro in den ohnehin klammen Kassen. Die Titelzeile der Nachricht empfanden viele als Brüskierung und blanken Hohn.

Richtig zynisch wird es, wenn Unternehmen hinter vermeintlichen Jubelmeldungen den Abbau von Stellen verstecken. Der Maschinenbauer Siempelkamp aus Krefeld lieferte jüngst ein abschreckendes Beispiel. Am 12. Februar verschickte die Presseabteilung die Nachricht „Siempelkamp treibt Internationalisierung voran“.

Stimmt eigentlich auch. Der Mittelständler investiert in ausländische Produktionsstandorte, insbesondere China. Die eigentliche Nachricht folgt in Zeile 27: „In der Folge wird Siempelkamp in Deutschland in 2016 und 2017 insgesamt 350 Stellen streichen.“

Selbst ein Weltkonzern wie Siemens hat freilich Probleme bei einem Stellenabbau Klartext zu reden.


„Luftblasen und PR-Bla-Bla“

Vor wenigen Tagen, am 9. März, griff die Kommunikationsabteilung zu einer Jubel-Schlagzeile, mit der sie wohl am liebsten jede Meldung überschreiben würde: „Siemens treibt industriellen Wandel voran.“ In blumigen Worten wird geschildert, wie der Konzern „den Wandel zum digitalen Industrieunternehmen“ vollziehen wird – und auch Siemens stellt Weichen, in diesem Fall „für Innovation und weiteres Wachstum“. Was der Konzern aber eigentlich zwischen den Zeilen mitteilt: Er streicht 2500 Stellen, davon 2000 in Deutschland.

Presseabteilungen gelingt es aber, sogar Niederlagen in Siege umzudeuten. „Lekkerland und Aral bleiben Partner“, titelte jüngst der Großhändler Lekkerland, der unter anderem Tankstellen mit Tabakwaren, Getränken etc. beliefert. Das klingt wie die erfolgreiche Vertragsverlängerung einer jahrelangen Partnerschaft.

Tatsächlich hatte Lekkerland bei der Aral-Kette, einem seiner wichtigsten Kunden, gerade einen Großteil des Geschäfts verloren. Der Handelskonzern Rewe wird ab 2017 rund 1000 Tankstellen, die der Mineralölkonzern selber betreibt, mit vielen Produkten beliefern, für die bisher Lekkerland zuständig war. Für Lekkerland bleibt nur der Trostpreis: die inhabergeführten Aral-Tankstellen.

Ingeborg Trampe, selbstständige PR-Beraterin aus Hamburg, hat für solche Pressemitteilungen kein Verständnis: „Die Kommunikation von Unternehmen spiegelt die Führungspersönlichkeit wider. Je schwächer und unreifer Manager sind, desto mehr werden in der Kommunikation Luftblasen und PR-Bla-Bla benutzt.“

Manchmal gebe es zwar „strukturelle Zwängen“, dass nicht alle Dinge auf den Tisch gepackt werden können. Das könnten Investitionsgespräche sein, die im Hintergrund laufen oder Verhandlungen mit Betriebsräten. „Dennoch sollte auch hier als Faustregel gelten: So nah und konkret an der Wahrheit zu kommunizieren, wie möglich“, sagt Trampe.

Die irreführenden Pressemitteilungen seien aber leider häufig auch Kalkül, sagt die PR-Beraterin.


Korrekt, aber trotzdem zynisch

„Viele Kommunikationsabteilungen hoffen immer noch darauf, mit verklausulierten Formulierungen keinen auf den Deckel zu bekommen und irgendwie auch mit einer Misserfolgsstory durchzurutschen.“ Und nach Trampes Worten sind die Medien dafür zum Teil auch selbst verantwortlich: „Bei schlechten Nachrichten wird oft ein unverhältnismäßiges Bashing betrieben, statt zu versuchen, einen fairen Blick hinter die Kulissen zu werden. Meine Erfahrung ist, wenn sich ein Manager kritisch, aber fair im Dialog behandelt fühlt, ist er eher bereit, offener und selbstkritisch über schwierige Businessphasen zu sprechen.“

Es gibt ja auch viele ehrliche Pressemitteilungen. „2,1 Mrd. Euro Verlust nach Steuern im vierten Quartal 2015 und 6,8 Mrd. Euro im Gesamtjahr“, titelte etwa die Deutsche Bank Ende Januar. Punkt. Die ganze Wahrheit in einem Satz.

Es gibt aber auch Pressemitteilungen, die nüchtern und korrekt sind – aber trotzdem zynisch. Wieder hat Eon ein trauriges Beispiel geliefert. Am vergangenen Freitag meldete der Energiekonzern stolz: „Das Gemeinschaftskernkraftwerk Grohnde erzeugt als weltweit erstes Kernkraftwerk 350 Milliarden Kilowattstunden Strom.“

Die Nachricht ist legitim, das Timing hätte freilich schlechter nicht sein können. Am Freitag war der 11. März, ein trauriger Jahrestag. Vor fünf Jahren suchte ein Tsunami Japan heim und zerstörte auch das Atomkraftwerk in Fukushima. Am 11. März gedachten Menschen weltweit den Opfern des Tsunamis und einer der schlimmsten Katastrophen in der zivilen Nutzung der Atomenergie. Die Jubelmeldung aus dem Hause Eon war – vorsichtig ausgedrückt – zynisch.

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