Karriereleiter Neue Kategorie „ansteckend“: arbeitsfähig, aber zu Hause

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Auch Homeoffice-Teilzeit ist möglich

Es könnte Folgendes im Team vereinbart und dann aus fester Überzeugung gelebt werden:

  1. „Ich möchte keinen anstecken“ als akzeptiertes und sogar willkommenes Argument für erlaubte Abwesenheit. Keine Scheu vor der Rücksicht auf die anderen. Denn es gibt ja jetzt mehr als früher:
  2. Das Homeoffice! Das muss nicht immer nur flächendeckend für die gesamte Belegschaft bei Pandemien genutzt werden, sondern kann auch ganz flexibel für einzelne Leute aus dem Team bei leichten Infekten bezogen werden. Sehen wir Homeoffice nicht als Kompromiss für den Notfall. Sondern freuen wir uns darüber, dass viele Büro-Jobs heute so flexibel neu gestaltet werden können – dank Videokonferenzen, geteilter Arbeitswerkzeuge und der Dokumente in der Cloud und damit unbegrenzter Verfügbarkeit von Inhalten.
  3. Der gelbe Schein mit der Krankschreibung muss dann natürlich auch nicht vorgelegt werden. Wenn wir unsere Aufgaben gut erledigen können und keine Ansteckungsgefahr von uns ausgeht, dann sind wir ja arbeitsfähig – und wir arbeiten auch. Dazu brauchen die Chefinnen und Chefs allerdings:
  4. Vertrauen – als solides Fundament für die neue Homeoffice-Kategorie. Neulich habe ich nochmal gelesen, dass viele Amerikaner vom System der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall zurückschrecken, weil sie glauben, dass dann jeder dauernd krankfeiert. Hierzulande käme kaum einer auf die Idee, diese Regelung abzuschaffen. Weil wir damit eigentlich ganz gut fahren. Warum sollte das mit dem Homeoffice bei Ansteckungsgefahr nicht auch gelten? Heute wird der Erfolg vieler moderner Büro-Jobs ja nicht mittels Minutenzählerei gemessen, sondern daran, ob vereinbarte Ziele in vereinbarter Zeit erreicht wurden. Diese Herausforderung in eigener Verantwortung zu meistern, das geht auch von zuhause aus. Wenn die Infrastruktur stimmt. Und dazu braucht es:
  5. Eine dauerhaft zeitgemäße digitale Kommunikations- und Teamwork-Struktur. Dafür reicht ja meist schon die Vereinbarung, über welche Apps Videokonferenzen abgehalten werden und über welche Software Dateien ausgetauscht oder gemeinsam betrachtet werden können. Hier sollten wir nach dem Abflauen der Corona-Pandemie die gerade erst eingeführten neuen Prozesse nicht wieder einmotten, sondern pflegen. Ich kenne Fälle aus der Vergangenheit, in denen ein einfaches Windows-Update plötzlich Teile der Hardware inkompatibel gemacht hat, was am Ende dazu geführt hat, dass Digitales wieder als pfui-bäh abgeschüttelt wurde. Hier brauchen wir nur ein bisschen mehr Freude am Dranbleiben.
  6. Zuhause ist das neue Anwesend. Das heißt dann auch: jederzeit telefonisch erreichbar, feste Konferenz-Zeiten sind möglich usw. Kurz: Es sollte sich für alle anfühlen, als säße die angeschlagene Kollegin nebenan im Zimmer. Wenn wir dann doch spontan stundenlang Mittagsschlaf halten, weil das eben zur Genesung beiträgt, dann läuft das gefühlt doch wieder auf eine Arbeitsunfähigkeit hinaus. Dieses Grauzonen-Gefühl von „Ist der jetzt richtig krank oder will er uns nur vor Ansteckung schützen und ist am Arbeiten“ kann gut vermieden werden, indem klar und an alle offiziell kommuniziert wird: Kollegin Nadja oder Kollege Sven ist nicht arbeitsunfähig sondern wäre nur ansteckend, wenn er hier wäre, und ist daher bis 18.30 Uhr wie gewohnt erreichbar.
  7. Auch Homeoffice-Teilzeit ist möglich. Der täglichen Früh-Konferenz mit zehn Kollegen (und damit zehn möglichen Empfängern von Bakterien, Viren und anderen krankmachenden Biestern) könnten wir fernbleiben und von zuhause aus per Cam zugeschaltet werden. Aber spätestens nach der Mittagspause ist man im Büro vor Ort, weil man dort noch ausgedruckte Unterlagen aus Ordnern raussuchen muss, ohne die es nicht geht.

Verstehen Sie mich bitte richtig. Mir geht es überhaupt nicht darum, dass sich Leute krank zum Arbeiten zwingen. Oder dass Leute, die krank und ansteckend sind, dazu überredet werden, trotzdem im Homeoffice reinzuhauen. Motto: Nimm den Laptop doch mit ins Bett. Im Gegenteil: Mir geht es darum, Ansteckungen zu vermeiden in Fällen von „so schlecht fühle ich mich gar nicht“. Wo wir uns bislang aus falschem Pflichtbewusstsein als Keimschleuder unter die Belegschaft gemischt haben. Wegbleiben aus Rücksicht, auch wenn der Job noch erledigt werden kann. Weil ich aus Erfahrung unterstelle, dass viele genau in dieser Lage hin- und hergerissen sind.

Vielleicht haben Sie ja Lust, diese Gedanken mal mit Kollegen durchzuspinnen. Vielleicht haben Sie sogar die Möglichkeit, das Motto „Aus Rücksicht ins Homeoffice“ in Ihrem Unternehmen einzuführen. Ich habe das Gefühl, es könnte uns alle bei Arbeit gesünder halten. Das macht uns glücklicher, effizienter und erfolgreicher. Und so soll es ja sein.

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