Karriereleiter Rhetorik: So entwaffnen Sie Lügner und Publikums-Verführer

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Ein extremes Beispiel

Mal ein plakatives, extremes Beispiel - stellen Sie sich das einmal mit Publikum vor:

„Sie sind Ihrem Job offensichtlich nicht gewachsen. Sie haben doch vor Ihrem Auftritt hier gerade noch Beruhigungsmittel eingeworfen.“

„Wie bitte? Also, das stimmt doch gar nicht. Was soll das denn?“

„Ach, habe ich doch mit eigenen Augen gesehen. Hinter der Bühne am Tisch mit den Getränken.“

Das ist eine hübsch ausgeschmückte aber dennoch unverschämte Lüge. Aber wie so oft auch Fakenews in den sozialen Medien wird sie vom außenstehenden Publikum geglaubt, weil die ahnungslosen Dritten die Glaubwürdigkeit der Quelle nicht anzweifeln. Zumindest solange es für die Zuhörer keine Anhaltspunkte dafür gibt.

Und das ist Ihre Chance als der vom Belogenen in die Enge Getriebene. Sie müssen das Publikum dazu bringen, die Glaubwürdigkeit des Lügners anzuzweifeln. Die Leute müssen IHNEN glauben. Auch wenn Sie, wie meistens, spontan keine notariell beglaubigten Beweise aus der Tasche zaubern können. Ihnen bleibt die Kraft Ihrer Rhetorik. Überzeugen Sie jetzt und hier mehr als der Andere. Und machen Sie Ihr Publikum zu Ihrem Verbündeten. Das geht in unserem Beruhigungsmittel-Beispiel so:

„Würde ich dem Druck meines Jobs nicht standhalten, wäre ich nicht hier. Denn die Gesundheit geht nun mal über alles. Ich bin mir meiner Sache aber sehr sicher und bin deshalb ruhig und entschlossen. Aber Sie sind ein Lügner und wollen mich vor unseren Zuhörern diskreditieren. Das haben weder ich noch die Zuhörer verdient.“

Was steckt da drin?

1. Ich wäre nicht hier, wenn ich überfordert wäre. Also die Behauptung: Hätten Sie recht, wäre die Situation anders. Das klingt vernünftig und das glaubt man Ihnen gern.

2. Weil ich aber hier bin, zeigt das, dass Ihre Behauptung unwahr ist. Diesen Umkehrschluss kann jeder nachvollziehen. Die Lüge scheint logisch entlarvt. Ganz ohne Überwachungsvideo von hinter der Bühne.

3. Sie sind ein Lügner. Den miesen Trick des Anderen also klar ansprechen.

4. Das haben weder ich noch die Zuhörer verdient. Der Angegriffene verbündet sich mit dem Publikum. Das Publikum und ich.

Und das ist die große Kunst. Erobern Sie das Publikum und machen Sie es zu Ihrem Partner. Das geht völlig fair, solange Sie ehrlich bleiben.

Mein Rat aus meiner Erfahrung als Fernsehmoderator dafür ist:  Überlegen Sie immer: Was fühlen und denken die Leute wohl gerade in diesem Moment? Und reagieren Sie genau auf das - und nicht allein auf Ihre Mitdiskutanten. Manchmal höre ich in Diskussionen, wie die Kontrahenten sich in Fachdetails verzetteln, um sich gegenseitig zu beweisen, dass sie besser im Thema sind. Und die Leute im Publikum dämmern weg und überlegen, wann sie morgen aufstehen müssen. Denken Sie deshalb vom Publikum aus.

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