Karriereleiter „Pause!“: Tipps für konsequentes Abschalten im Homeoffice

Im Büro rennen die Leute in Gruppen zur Kantine. Dann weiß jeder: Die haben jetzt Pause. Und lässt sie in Ruhe. Und wenn man abends zum Auto oder zur U-Bahn geht, dann ist Feierabend. Aber wann ist Pause und Feierabend im Homeoffice, wenn der Schreibtisch auch der Esstisch ist und das Handy auch noch klingelt, wenn man den Kindern gerade eine Gute-Nacht-Geschichte vorliest? Und woher sollen das die Kollegen wissen? Hier ein paar Tipps für eine Abschalt-Kultur in neuen Zeiten.

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Unser Kolumnist Marcus Werner ist Fernsehmoderator und Buchautor und arbeitet als Berater für Kommunikation und Persönlichkeitsentwicklung.

Auch wenn viele Firmen ihre Mitarbeiter jetzt wieder nach und nach zumindest tageweise in die Büros zurückholen: Die Aerosol-Gefahr wird in den Wintermonaten, in denen nur kurz gelüftet werden kann, weil uns sonst beim Tippen die Fingerkuppen abfrieren, die Leute wieder ins Homeoffice treiben. Ich finde: Großraumbüros sind ohne Corona-Impfung ein riskantes Konzept, das man keinem Kollegen zumuten sollte. Wenn sich lebensgefährliche Krankheitserreger innerhalb von Minuten im ganzen Raum verteilen, dann helfen im Zweifel auch anderthalb Meter hohe Blickschutz-Wände zwischen Schreibtischen nicht genügend.

Das Homeoffice ist erstens solange die vernünftigere Variante, bis wir Corona im Griff haben. Und zweitens auch danach. Weil viele die vielen Vorteile jetzt kennengelernt haben. Kein Pendeln, kein Bürolärm, bessere Work-Life-Balance, und und und. Wir müssen nicht mehr drüber sprechen.

Aber es gibt einen Knackpunkt. Weil wir unsere Routinen im Arbeitsalltag noch nicht vollends ins Homeoffice ausgedehnt haben. Wenn Büro und Zuhause jetzt identisch sind: Wie kriege ich Work und Life so getrennt, dass die Arbeit nicht mehr und mehr in die Freizeit einsickert und wir irgendwann das Gefühl haben: Irgendwie habe ich nie richtig Feierabend...

Aus eigener Erfahrung weiß ich: Bei vielen ist es jetzt schon so. Sie kommen nicht lang genug zur Ruhe und können zuhause nicht mehr richtig abschalten, weil sie gefühlt immer noch irgendwie bei der Arbeit sind. Auf Dauer drohen uns dadurch Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen, ein generelles Erschöpfungsgefühl von „Es wird mir alles irgendwie zu viel“, Kopfschmerzen, Frust und sogar psychische und körperliche Erkrankungen.
Die Lösung dafür ist: Wir brauchen nicht nur eine Corona-Hygiene wie AHA, Abstand, Handhygiene und Alltagsmasken. Wir brauchen auch eine Homeoffice-Seelen-Hygiene HSH.

von Konrad Fischer, Rüdiger Kiani-Kreß, Nora Schareika

1. Echte Pausen, ohne gestört zu werden

Sprechen wir als erstes übers Griffelfallenlassen während des Tages. In der Firma lässt sich das ganz einfach regeln. „Ich bin mal eben was essen.“ - Und weg. „Ich hole mir eben einen Kaffee“ - Und weg. Oder noch schlichter: Einfach weg. Wer nicht am Schreibtisch ist, ist eben weder persönlich ansprechbar, noch auf dem Bürotelefon erreichbar. Das gute alte Festnetz rettet uns hier in die Ruhe. Jemandem auf dem Handy hinterher zu telefonieren, wenn der oder die gerade nicht greifbar ist, das wäre schon ein weiterer Schritt. Dazu überwinden sich viele nur bei dringenden Notfällen Marke: „Du, der Kunde steht wutschnaubend in meinem Büro und verlangt, dich zu sprechen.“

Also, in der Firma selber sind Pausen leicht zu setzen, leicht für alle erkennbar. Und: Es herrscht eine gewisse soziale Kontrolle. Wer drei Stunden weg ist, wird sich im Zweifel erklären müssen. Anders herum: Es bekommt auch immer einer mit, dass man pünktlich wieder am Arbeitsplatz ist.

Zuhause im Homeoffice ist das ganz anders. Die anderen erkennen nicht, wenn wir Pause machen, das Telefon oder entsprechende Apps am Computer sind die einzige Möglichkeit, in Kontakt mit uns zu treten, also klingelt es dauernd auf allen Kanälen. Auch in der Pause. Und weil keiner mitkriegt, wann wir Pause machen, entwickeln bestimmt nicht wenige das Gefühl: Ich geh mal lieber dran, sonst denken die anderen, ich nehme mir im Homeoffice mal eben spontan einen halben Tag frei. Das Ergebnis ist das Gefühl: Ich habe keine richtige Mittagspause, keine richtige Kaffeepause und komme den ganzen Tag nicht zur Ruhe.

Die Lösung: Eine gemeinsame Pausen-Politik. Besprechen Sie im Team und mit Ihren Vorgesetzten am besten die folgenden Punkte:

a. Ist es notwendig, dass wir im Team gemeinsam gleichzeitig Pausen einhalten? Wenn ja, dann legen Sie diese zeitlich fest und vereinbaren Sie, dass in dieser Zeit keiner erreichbar sein muss. Möglich ist auch eine Art Pausengleitzeit. Die Mittagsruhe herrscht von 12:30 bis 14 Uhr. Innerhalb dieser macht jeder irgendwann seine halbe oder ganze Stunde Pause. Aber in den 90 Minuten herrscht durchgängig Funkstille.

b. Komfortabel ist es natürlich, jeder kann seine Pausen selber spontan festlegen. Mal muss das Kind vom Sport abgeholt werden, mal muss man schnell zur Packstation. Der eine will eine Stunde am Stück abschalten, der andere lieber vier Mal am Tag für eine Viertelstunde. Aber nur heute. Morgen doch anders. Das ist ja der große Vorteil am Homeoffice. Es fügt sich einfach vieles besser. Aber dazu gehört Vertrauen im Team. Besprechen Sie das offen: Kommt es Chefin und Chef aufs Minutenzählen an oder zählt der Erfolg der Arbeit? Holen Sie sich das OK von den Vorgesetzten ab, dass Sie flexibel Pausen halten können. Sollte die Führungsebene misstrauisch sein, vereinbaren Sie einen Zeitpunkt zum Bilanzziehen: „Im Oktober reden wir dann offen drüber, ob wir noch effizient genug sind“. (Und ich weiß aus den vergangenen Monaten: Viele schwärmen von höherer Effizienz dank Homeoffice.) Mit dem Einverständnis Ihrer Teamleiter können Sie ohne schlechtes Gewissen nach eigenem Bedürfnis abschalten. Und das ist sehr zeitgemäß. Aber woher wissen die Kolleginnen und Kollegen, dass Sie gerade nicht zu sprechen sind, weil Sie ja gerade abschalten?

c. Indem Sie es ihnen mitteilen. Endlich machen die Status-Anzeigen in den Chatprogrammen Sinn. Stellen Sie bei WhatsApp, Teams, Zoom usw. Ihren Status auf ABWESEND. Ruft ein Kollege an, drücken Sie ihn gnadenlos weg. Nutzen Sie die Funktion an Ihrem Telefon, mit der Sie nach dem Wegdrücken direkt eine von Ihnen individualisierte SMS hinterherschicken: „Mache gerade Pause“ - oder „Hey Kollegin. Rufe dich gleich zurück.“ Je nachdem, was Sie im Team als praktikabel vereinbart haben.



Und wenn dann alles eingespielt ist, dann liegt es an uns, auch wirklich Pause zu machen. Zählen Sie aus reiner Neugier mal, wie lange Sie während des Tages wirklich vom Schreibtisch daheim aufgestanden sind. Selbst eine halbe Stunde Pause kann richtig schön lang sein, wenn Sie dabei nur mit einem frischen Salat auf den Balkon treten müssen, statt noch mit Aufzügen und durch Treppenhäuser und Flure dort hinzugelangen, wo sie was zu essen kaufen können.

Vergessen wir nicht: Pausen sind kein Ausdruck von Faulheit. Auch ein Tesla oder ein Porsche Taycan oder auch ein ID.3 flitzen nur elegant los, wenn sie genügend Zeit zum Aufladen hatten. Gute Pausen sind aus Führungssicht ein Zeitinvest in die Leistungsfähigkeit des Teams. Das Homeoffice bietet die Chance, dass die Mitarbeiter in ihren Pausen noch mehr zur Ruhe kommen, als mit Kantine und einem kurzen Spaziergang durchs Gewerbegebiet. Am Ende profitieren alle.

Radikal in den Feierabend

2. Gemeinsam jubeln und jammern gegen den Einsamkeits-Koller

Wer über den Tag hinweg viel allein mit sich ist, der frisst ein Gefühl von „ich schaffe mein Pensum nicht“ schneller in sich rein, als im Großraumbüro. Im Video-Chat die virtuelle Hand zu heben und offiziell Unterstützung einzufordern, Kritik zu äußern oder Bedenken zu formulieren, fällt vielen schwerer als zwischen Tür und Angel in der Kaffeeküche. Nehmen wir uns vor, nicht in die Homeoffice-Einsamkeit zu tappen. Im Zweifel vereinbaren Sie in Videokonferenzen den Tagesordnungspunkt: Jammern und Jubeln. Und fragen Sie in die Runde: Wie geht es euch? Was liegt euch auf der Seele?

Wer das Gefühl hat, das dann im Team losgeworden zu sein, kann am Ende des Tages besser einschlafen.

3. Der radikale Feierabend

Irgendwann so gegen 17/18 Uhr werden Sie je nach Betrieb langsam nichts mehr von Ihrem Team zu hören bekommen. Sie sind dann alle im Supermarkt, beim Abendessenbrutzeln oder gießen die Tomaten im Gemüsebeet. Aber Sie haben das Gefühl: Wenn ich diesen einen Job-Krempel hier noch schnell erledige, dann muss ich es schon nicht mehr morgen machen. Und schwupp steht beim Dinner daheim der Laptop schräg neben dem Teller. Da wird dann noch schnell eine E-Mail runtergetippt, während die anderen Netflix gucken. Und beim Glas Wein auf der Terrasse leuchtet uns das fahle Licht des Smartphones ins Gesicht, weil da doch noch die Unterlagen aus Portugal angekommen sind.

Arbeit mit nach Hause nehmen, das war auch schon vor Corona ein Problem fürs Abschalten. Jetzt, da das Büro zuhause ist, ist es noch schwerer. Da sitzt man auf dem Sofa und blickt auf den Stapel mit Unterlagen ausm Job, der neben dem Esstisch liegt. Deshalb: Gewöhnen Sie sich an, radikal den Feierabend einzuläuten.

Als jemand, der viel von zuhause schreibt, habe ich es mir so angewöhnt: Zu einer mit mir selbst vereinbarten Zeit (zum Beispiel die 19-Uhr-Nachrichten im ZDF) klappe ich den Laptop zu - und: Räume ihn weg. Wenn ich am Wohnzimmertisch gearbeitet habe, dann wird der Arbeitsbereich wieder zum Wohnbereich. Alles wird praktisch in einer Schublade verstaut: Computer weg, Ladekabel und Papiere auch, die Kaffeetasse vom Tag in die Spülmaschine. Das Arbeitslicht wird auf gemütlich gedimmt. Kerze an. Jetzt ist der Schreibtisch Esstisch. Alle, die ein separates Arbeitszimmer zuhause haben, können wunderbar die Tür zu machen. Und fertig.

Vereinbaren Sie im Team, ab wann nicht mehr erwartet werden kann, dass Antworten auf E-Mails kommen. Und klären Sie auch, ab wann Job-Chat-Gruppen auf stumm geschaltet werden dürfen, ohne dass sich jemand empört.

Und disziplinieren Sie sich: Stöbern Sie dann auch nicht mehr in die stummgeklickten Chats rein. Jeder weiß: Es soll bis morgen warten.

Machen Sie sich außerdem klar, welche Kleinigkeiten Ihnen so viel Spaß machen, dass sie sich gerne auch noch ausnahmsweise nach Feierabend damit beschäftigen, ohne dass es sich für Sie wie Arbeit anfühlt. Wer etwa im Vertrieb von Autos arbeitet, für den wird es auch noch nach Feierabend nett sein, einen Online-Artikel zum Thema Ladeinfrastruktur in Deutschland zu lesen. Journalisten gucken ja auch nach Feierabend Nachrichten.

Machen Sie hierfür klar umrissene Ausnahmen vom Mit-in-den-Feierabendschlepp-Verbot.

Aber hüten Sie sich vor diesem Reflex: „Ach, diese Kleinigkeit muss ich noch dringend schnell machen. Das erledige ich, wenn die anderen die Küche aufräumen.“ Nur weil im Homeoffice jetzt das ganze Arbeitsmaterial vor Ort ist.

Klar kann man das mal machen. Aber wenn Sie sich das zur Gewohnheit machen, immer wieder mal spontan was noch eben schnell nachzuholen, was Ihnen gerade genervt einfällt, dann haben Sie erst nach dem Zähneputzen richtig Feierabend. Auf Dauer sinkt dadurch Ihre Leistungsfähigkeit.

Nutzen Sie auch zuhause die gängigen Abschalt-Tricks aus dem Büro im Unternehmen. Machen Sie sich zum Beispiel To-Do-Listen auf Post-its, auf denen Sie notieren, was Sie am nächsten Tag direkt erledigen wollen. Und kleben Sie sie irgendwo hin, wo Sie sie erst wieder sehen, wenn Sie morgens loslegen. Dann können Sie sich den Wust am Feierabend wunderbar aus dem Kopf schlagen.

Lenken Sie Gedanken weg von Themen, die Sie in eine Ärgerspirale runterziehen, hin zu Schönem. Vom unverschämten Kollegen weg und hin zum vergangenen Wochenende mit der Familie am Baggersee. Es klingt wie banaler Selbstbetrug. Aber nein. Es funktioniert. Und nutzen Sie die gewonnene Job-Pendel-Zeit und machen dafür jeden Abend zumindest Entspannungsübungen auf einer Matte. Am besten zusätzlich richtig Sport. Bringt einfach was.

Und wenn Sie das Homeoffice mal so richtig nervt, dann besinnen Sie sich auf die vielen Vorteile. Gönnen Sie sich das Gefühl von Dankbarkeit. So komfortabel hat noch keine Generation vor uns gearbeitet. Zuhause mit der ganzen Welt in Kontakt. Und es kommen ja auch wieder Zeiten, in denen wir Homeoffice und Treffen mit Kollegen nach Bedarf kombinieren können. Drei Tage pro Woche daheim, zwei unter Leuten. Entspanntes Warten auf die Impfung. Bequem von zuhause aus.

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