Karriereleiter Richtig überzeugen: Vorsicht vor peinlichen Komplimenten

Manche Menschen überzeugen im Job sofort jeden. Wie machen sie das? Oft geht es dabei um Komplimente – doch Vorsicht! Hier ist besonders viel Feingefühl gefragt.

  • Teilen per:
  • Teilen per:


Jeder kennt das: Man erinnert sich an Situationen im Leben und dann rauscht einem der kalte Schauer des Schamgefühls durch alle Glieder: Oh Gott, weg, ihr peinlichen Gedanken. Weg!

Mir geht es bis heute so, wenn ich an einen Telefonanruf eines ehemaligen Klassenkameraden denke. Ich nenne ihn hier mal Daniel, denn ich will ihm nicht zu nahe treten. Wir waren damals 19 Jahre alt, hatten das Abi gerade in der Tasche und wie ich so zu Hause rumsaß und angestrengt über Leben, Liebe und Berufswünsche nachdachte (vielleicht guckte ich auch einfach gerade die Simpsons), da klingelte das Telefon und Daniel war dran. Das Gespräch lief nach meiner heutigen Erinnerung und zu meinem damaligen Entsetzen ziemlich genau so:

„Hey Marcus, wie geht's?“
„Öh, gut. Danke. Und dir so?“
Warum um alles in der Welt hatte Daniel angerufen?
„Pass auf, Marcus, jetzt kommt's. Ich habe da eine geniale Idee. Du kannst doch gut mit Geld umgehen, gell?“
„Öhm, was?“
„Also so wie ich dich kenne...“
„Tss, so gut kennen wir uns nun auch wieder n- “
„Ich habe da eine tolle Geldanlage-Idee für dich.“
„Hä? Geldanlage? Aha!“
„Ja, und weil ich weiß, was für ein cleverer Typ du bist, da bin ich mir sicher, dass diese Idee genau das Richtige für dich ist. Also, wenn du willst, machen wir mal einen Termin.“
„Willst du mich verarschen?“
„Wieso?“

Wissen Sie wieso? Ich erinnere mich genau, in welcher Sekunde mein inneres Garagentor runtergerasselt ist. Im Du-kannst-doch-gut-mit-Geld-umgehen-Moment. Zwei 19-jährige Teens, beide jahrelang Schulkameraden, beide mit ein paar Mark auf dem Sparkassen-Buch. Und jetzt ein Geldanlage-Termin.

Die Sprüche waren selbst für mich als angehenden Studenten ohne die geringste Berufserfahrung ein derart offensichtlich nach Schema F gestartetes Verkaufsgespräch, dass es mich schüttelte. Ich war offenbar sein Versuchskaninchen. Ich hatte förmlich vor Augen, wie ihm sein Mentor das kleine Einmaleins der Verkäufertricks eingetrichtert hatte: „Und jetzt ruf irgendeinen Idioten zum Üben an.“ Vielleicht war es gar nicht so gewesen. Trotzdem mein für immer fest zementiertes: „Nein! Und hier gibt es jetzt auch Abendessen.“

Dabei ist die Idee, dem potenziellen Gesprächspartner Komplimente zu machen, zweifelsfrei eine gute. Aber die müssen eben glaubwürdig sein.
Und darum geht es hier: Vorgeplante, auf Knopfdruck rausgeballerte Komplimente sind Gift für Ihren Erfolg. Weil man sie Ihnen meist nicht abkauft. Und das wird dann peinlich. Die anderen fühlen sich sofort als Opfer einer versuchten Manipulation. Ihre Überzeugungskraft liegt ab diesem Zeitpunkt bei exakt null Prozent. Und Sie können einpacken.

Lernen Sie also am besten, Komplimente so anzubringen, dass man sie Ihnen als ehrlich gemeinte Begeisterung abkauft. Hier ein paar Tipps:

1. Ja, Sie dürfen

Die erste wichtige Erkenntnis: Ja, Sie dürfen Geschäftspartnern, Kunden, Ihrem Publikum, Kollegen oder Mitarbeitern Komplimente machen. Ich weiß aus eigener Erfahrung: Viele Leute kommen sich blöd dabei vor, weil sie befürchten, das würde vom Gegenüber als billige Schleimerei verstanden.

Aber das stimmt in aller Regel nicht. Mit Komplimenten bauen Sie Brücken. Denn der Andere erkennt: Das, was ihm gefällt, ihn betrifft oder ihn ausmacht, kommt bei Ihnen gut an. Das verbindet.

2. Augen auf!

Verkrampfen Sie nicht bei der hilflosen Suche nach irgendetwas Nettem, das Sie dem anderen auf die Schnelle vorsäuseln können. Nehmen Sie sich einfach vor, ganz entspannt mit allen Sinnen offen für Schönes zu sein. Das macht das Leben sowieso bunter.
Angenommen, Sie werden von der Geschäftsführerin zum Vorstellungsgespräch in deren Büro gebeten. Sie treten ein. Augen, Ohren, Nase auf: Was fällt Ihnen auf?
„Och, das ist aber eine nette Aussicht so direkt ins Grüne. Die hätte ich auch gerne.“
„Sind Sie da auf dem Foto mit den Fallschirmspringern auch dabei? Da beneide ich Sie aber wirklich. Ich wollte das immer mal machen!“
„Was riecht hier denn so gut? Nach frisch gebackenem Kuchen oder Keksen oder so.“

Es sind die einfachen, spontanen Bemerkungen, die Sie sympathisch machen. Denn so wirken Sie aufmerksam und interessiert. Und daraus ergeben sich oftmals einige auflockernde Minuten netten Smalltalks:
- „Ja, danke, die Aussicht ins Grüne ist schön. Aber die Fahrerei hier raus ins Grüne ist eine ganz schöne Strapaze im Berufsverkehr manchmal, sage ich Ihnen.“
- „Wenn Sie mal mit dem Fallschirm springen wollen: Ich kenne da einen Anbieter, der macht Ihnen einen Sonderpreis, wenn Sie sich auf mich berufen.“
- „Ehrlich gesagt: Das, was hier nach Kuchen riecht, habe ich eben aufgegessen. Aber ich kann Ihnen ein paar von diesen typischen Bürokeksen anbieten.“

3. Seien Sie einfach ehrlich

Tun Sie sich selbst einen Gefallen und machen Sie es sich leicht. Sagen Sie all dies nur, wenn die Aussicht Ihnen wirklich gefällt. Wenn Sie wirklich mal Fallschirmspringen wollen. Wenn es wirklich nach frischem Kuchen duftet.

„Oh, Sie haben einen Hund? Ich liebe Hunde. Ich hatte über zehn Jahre lang auch einen.“
Dabei hatten Sie nur mal als Kind einen Hamster. Flunkern Sie nicht über Hunde. Sonst werden Sie unentspannt. Was, wenn Fragen von Hundefreundin zu Hundefreund nachkommen? Stress ohne Grund. Es gibt genügend andere gute wahre Ideen, die von Herzen kommen.

Zumindest riskant sind neunmalkluge Bemerkungen von Laien wie:
„Oh, tolles Bild! Ist das Impressionismus?“
„Was? Quatsch. Nein nein, das hat in Thailand ein Elefant gemalt.“

Man kann so einsteigen. Wenn man mit einem kleinen Autsch souverän und humorvoll umgehen kann, statt rot anzulaufen:
„Wollte ich gerade sagen. Haben Sie sonst noch Fragen zu meiner Kunstexpertise?“

4. Beißen Sie beim „Fishing for Compliments“ an

Sie besuchen den potenziell neuen Kunden und werden in den Konferenzraum geführt. Ihr Ansprechpartner sagt:
„Wir haben jetzt hier einfach eine Kanne Filterkaffee hingestellt. Ich hoffe, den kriegen Sie runter.“

Ihre Antwort?
„Ach so, naja, ein Glas Wasser tut es dann auch.“

Wenn Sie das sagen, bekommen Sie ein Glas Wasser. Aber sonst gewinnen Sie nichts. Besser so:
„Ich finde, Filterkaffee ist unterbewertet. Ich probiere den gerne mal.“

Einfach nett. Machen Sie sich klar: Oftmals findet Ihr Gegenüber die Unannehmlichkeit selber nicht so tragisch und übertreibt sicherheitshalber, um sich Ihnen gegenüber zu entlasten. Fallen Sie nicht drauf rein. Kommen Sie dem Anderen unkompliziert entgegen. Er wird es zu Ihren Gunsten im Hinterkopf abspeichern.

Nicht nur der erste Eindruck zählt

5. Der Moment muss passen

Gelegenheiten für Komplimente ergeben sich meist am Anfang bei der Begrüßung. Auch vor Publikum. Loben Sie ruhig die Stadt, in der Sie als Redner zu Gast sind.
„Erfurt ist so wunderschön. Ihr Stadtmarketing müsste mal mehr auf die Pauke hauen. Damit wirklich jeder mal vorbeikommt. Toll, dass ich hier sein darf.“

Aber auch zum Ende einer Lesung, einer Präsentation oder einer Konferenz passen Komplimente:
„Das war eine sehr angenehme Gesprächs-Atmosphäre.“

Selbst gegen Ende eines Vorstellungsgesprächs:
„Haben Sie sonst noch Fragen?“
„Erstmal nicht. Aber lassen Sie mich noch sagen: Ich habe mich hier sehr herzlich empfangen gefühlt. Das hat mir direkt die Nervosität genommen. Ich habe einfach gemerkt, wie herzlich und professionell die Leute im Team hier miteinander umgehen.“

Machen Sie sich mittendrin also nicht verrückt, wenn Sie am Anfang nicht den Charme versprüht haben, den Sie sich zutrauen. Es zählt nicht nur der erste Eindruck. Es zählt auch der letzte.

6. Zurückhaltung bei Komplimenten zum Aussehen

Es ist ja klar: Bei Menschen, die sich gerade erst kennengelernt haben, sind Bemerkungen zu Körper und Kleidung dünnes Eis: „Hübsches Sakko.“ Gerade zwischen Männern und Frauen wird schnell eine sexuelle Komponente rausgehört, auch wenn die gar nicht so abgesendet werden sollte.

Wenn ein Mann einem anderen ein Kompliment zu seinen Schuhen oder vielleicht sogar zum akkurat gestutzten Bart macht oder eine Frau die andere fragt, von welcher Marke der Lippenstift ist: ziemlich unproblematisch. Ansonsten bitte viel Fingerspitzengefühl! Und am besten im Zweifel nur auf sehr offensichtliche Eye-Catcher eingehen, die zu Bemerkungen regelrecht einladen:
„Nettes T-Shirt mit dem EU-Sternenkranz. Sind Sie auch überzeugte Europäerin?“

Unterm Strich: Komplimente sind Türöffner, wenn sie spontan und echt sind und zum Empfänger und zum Moment passen. Trauen Sie sich einfach, entspannt spontan ehrlich dem anderen einen guten Moment zu verschaffen. Davon profitieren auch Sie.

Was hätte Daniel damals am Telefon also Überzeugenderes zu mir sagen können? Vielleicht ja das:
„Ich mache ja gerade ein Praktikum bei einem Anlageberater. Und ich würde gerne mal ein bisschen üben, wie so ein Beratungsgespräch ablaufen soll. Da habe ich an dich gedacht, Marcus, weil ich weiß, dass du eine ganz schön harte Nuss sein kannst. Das finde ich gut. Wie wäre es, wenn wir uns mal treffen? Du forderst mich gekonnt heraus und dafür zeige ich dir eine mögliche Geldanlage, von der du ja tatsächlich profitieren könntest. Hast du mal Bock? Bei dir zuhause? Ich finde, da ist es am gemütlichsten.“

Wahrscheinlich hätte ich ihn vorbei kommen lassen. Allerdings hätte ich am Ende trotzdem nichts investiert. Ich hatte damals einfach null Kohle.

Dem Autor auf Twitter folgen:



Die Podcasts der WirtschaftsWoche

  • „Next Generation“: Viele jüngere Menschen stehen nicht in der Öffentlichkeit, spielen mit ihren Unternehmen, politischen Ideen und ökonomischen Visionen aber eine entscheidende Rolle für die Zukunft Deutschlands. Was treibt diese Frauen und Männer an? Was wollen sie noch erreichen? Wo sehen sie unser Land in zehn Jahren? Sven Böll spricht mit ihnen.
  • „So wurde ich die Nummer Eins“: Christian Schlesiger und Angela Hennersdorf treffen bekannte Köpfe des deutschen Mittelstands und entlocken ihnen die spannendsten Erfahrungen beim Aufbau ihres Unternehmens, die Meilensteine und Wendepunkte auf dem Weg an die Branchenspitze.
  • „Makro, Mikro, Mammon“: Malte Fischer und Bert Losse diskutieren mit führenden Ökonomen darüber, wie sie die Wirtschaft einschätzen, wo sie Wachstumschancen sehen, welche Entwicklungen sie beunruhigen – und vor welchen Herausforderungen ihre eigene Zunft steht.
  • „Erfolgreich Alpha“: WirtschaftsWoche-Chefreporterin Elisabeth Niejahr spricht mit erfahrenen Führungspersönlichkeiten darüber, was sie über das Führen gelernt haben – und was für sie gute Chefs ausmacht.

Hören können Sie die Podcast-Folgen auf www.wiwo.de/podcast und überall, wo Sie Podcasts abrufen:

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%