Karriereleiter So einfach kann Smalltalk sein

Smalltalk ist simpel. Und er ist oft die Basis für ein erfolgreiches Gespräch. Dafür müssen Sie nur die Haltung abschütteln, Smalltalk sei einfach dummes Gewäsch.

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Unser Kolumnist Marcus Werner ist Fernsehmoderator und Buchautor und arbeitet als Berater für Kommunikation und Persönlichkeitsentwicklung.

Für viele ist Smalltalk einfach ein Albtraum. Erstens: Worüber soll man bloß reden? Zweitens: Beide Beteiligten wissen doch, dass jetzt nur geredet wird um des Redens Willen. Und wenn beide wissen, dass sie sich nur etwas vorspielen, und dabei beide denken, dass das alles nur passiert, um Schweigen zu vermeiden, wenn beide eigentlich am liebsten im Boden versinken wollen, dann greift man doch lieber zum Smartphone und tut so, als müsse man eben schnell mal was Wichtiges klären.

Dabei ist Smalltalk eine wunderbare Möglichkeit, mit dem Gegenüber die gemeinsame Wellenlänge auszuloten. Wenn beide Seiten anerkennen, dass sie gerade eine Kommunikationsstrategie einsetzen, damit beide es in diesem Moment – aber auch im folgenden Geschäftsgespräch – einfacher haben, dann ist das doch völlig legitim und harmlos. Keiner muss sich dabei blöd vorkommen. Wie das mit dem Eisbrechen geht, besprechen wir gleich.

Vorher müssen wir uns klarmachen, dass für einen gepflegten Smalltalk beide das Interesse haben sollten, das Eis zu brechen. Weil das häufig nicht so ist, wird es holprig. Und derjenige, der das Eis brechen wollte, kommt sich abgeschmettert und blamiert vor. Das heißt aber nicht, dass Smalltalk blöd ist. Das heißt erstmal nur, dass nicht beide Seiten Lust auf Smalltalk haben. Ein Unterschied.

Wenn ich gerade im ICE sitze und an einer Kolumne schreibe, bin ich nicht sonderlich aufgeschlossen dafür, wildfremde Leute kennenzulernen. Deren Smalltalk-Avancen lasse ich dann nach einem kurzen Wortwechsel höflich abtropfen. In diesem Moment stimmt die Wellenlänge nicht, weil die eine Seite, in diesem Fall ich, anderes im Sinn hat. Es liegt hier nicht am Smalltalk. Auch wenn ein Erdbeerkuchen etwas Feines ist, hat man eben nicht in jedem Moment Lust auf ein Stück. Trotzdem bleibt der Erdbeerkuchen etwas Feines.

Ich habe an anderer Stelle hier schon einmal mein Smalltalk-Überfall-Erlebnis zum Besten gegeben, wie ich in einem Hotelaufzug in Myanmar von einer amerikanischen Touristin angesprochen wurde. Auf dem Weg vom Erdgeschoss zum vierten Stock hatte sie mir ihre genaue Herkunft, den gesamten Reiseverlauf in Südostasien und ihre Begleitung vorgestellt. Dann hat sie mich gefragt: „Was ist mit dir? Mit wem reist du so? Wo wart ihr schon?“ Pling machte es da und ich sagte: „Sorry, ich muss hier aussteigen.“ Puuh!

Das lag aber nicht daran, dass ich keine Aufzuggespräche mag. Ich mochte einfach nicht die Art, wie die Frau mir in Windeseile ihre Story reingeschraubt hat. Ich habe in Aufzügen schon Leute kennengelernt, da hat die Wellenlänge gestimmt. Da haben wir dann noch den Fuß in die Lichtschranke der Tür gestellt und die Telefonnummern ausgetauscht, um das Gespräch später bei einem spontanen gemeinsamen Essen fortzusetzen.

Mit ein bisschen Feingefühl und Menschenkenntnis gelingt es in wenigen Sekunden, einen Draht zum anderen aufzubauen. Das ist ein anerkennenswertes Vorhaben. Aber wie geht das? Wie finden wir die gemeinsame Wellenlänge? Ich würde sagen, so:

1. Fällen wir die Entscheidung: Will ich jetzt Smalltalk?
Bleiben wir bei der Situation im Aufzug. Sie betreten ihn, einer steht schon drin. Smalltalk ja oder nein? Die Entscheidung „Ja, ich will“ kann ja unterschiedliche Gründe haben. Entweder finden wir die Stille beim gemeinsamen Schweigen beklemmend. Oder wir haben Interesse daran, den anderen kennenzulernen. Probieren wir es aus: Entscheiden wir ja.
Dann können wir jetzt lächelnd warten, bis der andere anfängt, oder wir sagen uns: Ich habe den WirtschaftsWoche-Podcast Karriereleiter gehört, ich fange selber an mit der Suche nach der Wellenlänge. Dann los.

2. Halten wir bei der Themenauswahl den Ball flach
Machen wir uns klar: Bei dem, worüber wir reden, zählt nicht, dass wir wie Nobelpreisträger in Philosophie rüberkommen. Den Preis gibt es nämlich gar nicht. Das Gequatsche über das Wetter ist völlig ok. Es ist kein Wunder, dass es das Paradebeispiel für Smalltalk ist. Wetter betrifft jeden an jedem Tag. Und damit sind wir schon beim nächsten Punkt.

3. Finden wir Gemeinsamkeiten mit unserem Gegenüber
Denn das ist die gemeinsame Wellenlänge. Als ich mal bei einem älteren Herren zum Vorstellungsbesuch war, in der Hoffnung, ich könne ihn vom mir als seinen künftigen Mieter im Nachbarhaus überzeugen, wollte das Gespräch anfangs überhaupt nicht richtig zünden. Tja, jetzt bin ich also hier. Tja, Sie wollen also in meine Wohnung einziehen? Tja. Aber dann habe ich entdeckt, dass der Mann in einer Vitrine eine Reihe von Eisenbahnmodellen stehen hatte. Minitrix und H0. Ich hatte als Kind immer Spurbreite H0 von Märklin. Und diese eine rote Diesellok hatten wir beide. „Ach, toll. Was finden Sie besser: Minitrix oder H0?“ Und schon ging es los. Später habe ich den Vertrag unterschrieben.

Im Aufzug: „Die Schuhe habe ich auch. Die sind bequem, oder?“
Auf dem Weg zur Kantine: „Haben Sie auch immer schon so früh Hunger?“
Als eine der ersten beiden im Konferenzraum: „Oh, die leckeren Keksrollen liegen da wieder. Magst du die auch so gerne?“
„Ach, ich finde die mit der Schokoladen-Seite am besten.“
„Gut, die sind auch nicht schlecht. Stimmt.“
Und so weiter. Es zählt, dass man sich harmlos nähert und sich eben auch zeigt: Wir haben was gemeinsam.

Der charmante Ausweg aus dem peinlichen Schweigen

Machen wir die Gegenprobe: Sobald das Gespräch mit einem Aspekt beginnt, den das Gegenüber eher nicht nachvollziehen wird, wird es schwierig. Angenommen Sie sind ein Mann. Wenn Sie kein Mann sind, brauchen Sie jetzt extra viel Fantasie. Was würden Sie sagen, wenn ein Ihnen nicht bekannter Kollege aus Ihrem großen Unternehmen am Feierabend auf dem Weg zum Firmenparkplatz sagen würde: „Ey, jetzt schön nach Hause, Füße hoch, Bier in die Hand, die Frau macht die Küche“?

So eine Bemerkung ist nicht nur sehr altertümlich, sondern damit riskiert derjenige, der mit so einer Männer-unter-sich-Sprücheklopferei Smalltalk beginnen will, dass der andere das Bedürfnis entwickelt, sich sofort innerlich abzuwenden. Ich kenne das von mir, wenn Passagiere im Zug den Smalltalk beginnen im Sinne von: „Scheiß Bahn, immer das Gleiche, oder?“. Und ich mir denke: Nö.

Der Blick auf das Gemeinsame aber lässt uns auf der gleichen Welle surfen. Der andere kann gar nicht anders, als sich zu freuen, dass wir in diesem einen Punkt gleich ticken. Gleichheit schafft Sicherheit und Vertrauen und das ist ein gutes Gefühl.

Je nach Kontext kann es natürlich auch spezifischer sein. Auf Kongressen, die es hoffentlich bald wieder geben wird, kann ein lockerer Einstieg schon Fachliches aufgreifen: „Ist hier am Tisch noch frei? Waren Sie auch gerade bei der Auftaktveranstaltung im Hauptsaal? Die Chefin von dieser einen Firma da, die hat echt gut Stimmung gemacht mit ihrer Prognose zur Marktentwicklung, oder?“

4. Besonders einfach ist es im Gast-Gastgeber-Verhältnis
Hier springen einen die Themen regelrecht an. Ich persönlich finde es immer wunderbar, wenn ich bei Firmen als Redner oder Trainer eingeladen bin, dann im Foyer abgeholt werde und wir auf dem Weg zum Veranstaltungsort ein bisschen plaudern.

Raten Sie, worum es meist geht. Genau. „Hatten Sie eine gute Anreise?“ – Antworten Sie nicht nur: „Ja, danke.“ Nutzen Sie die Frage als Einladung zu mehr. Hier würde ich jetzt nicht über Idioten auf der Autobahn meckern, sondern lieber eine charmante Anekdote erzählen. Nach dem Motto: „Ich bin froh, dass ich noch sprechen kann. Der Kaffee eben war doch heißer, als ich dachte.“ Irgendwas Nettes. Und dann dürfen Sie selber übernehmen: „Ihre Firma liegt ja echt schön im Grünen. Da ist ja jede Pause fast wie Urlaub, oder?“


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Wenn Sie ein schüchterner Smalltalker sind, können Sie sich solche Aspekte regelrecht vornehmen, um Land zu gewinnen. Anreise, Firmengebäude und natürlich Wetter, Wetter, Wetter. Der Rest kommt von selber. Und wenn Sie kein Schweigen aufkommen lassen wollen, dann bleiben Sie entspannt dran.

5. Es gibt immer einen charmanten Ausweg aus dem peinlichen Schweigen
Stellen Sie sich vor, Sie fahren in Ihrem Unternehmen mit dem Aufzug und weder Sie noch Ihr Gegenüber sagt was. Der richtige Moment scheint verpasst. Und Sie spüren die Beklommenheit auch beim anderen. Fangen Sie an: „Tja, jetzt schweigen wir hier. Und noch nicht mal Fahrstuhlmusik. Wir hätten hier bis zum Erdgeschoss so eine tolle Party feiern können.“

Sie können sich sicher sein: Selbst wenn Ihr Gegenüber verdutzt reagiert. Jeder Mensch wird sich innerlich erleichtert fühlen, wenn Sie den quälenden Moment auflockern. Der Punkt geht dann an Sie.

6. Smalltalk in der Videokonferenz
Viele Leute, die ansonsten vom neuen Homeoffice begeistert sind, sagen: Die Konferenzen sind zwar viel effizienter, aber es fehlt das Zwischenmenschliche. Die Kameras einzuschalten, ist dafür aus meiner Sicht der erste wichtige Schritt hin zu mehr Gefühl.

Vermeiden Sie Telkos ohne Bild. Das Bild zeigt Regungen und Stimmung. Das macht das Reden vor anderen einfach leichter, weil kalkulierbarer. Wir sehen die Reaktionen auf das, was wir sagen. Und auch spezielle Kaffeepausen-Videochats haben sich in einigen Unternehmen schon etabliert. Um 15 Uhr einfach Cam an, einwählen und gemeinsam klönen für eine Viertelstunde. Smalltalk nach Plan.

Aber in der Tat ist eine offizielle Videokonferenz mit Agenda oftmals nicht der erste Platz für Smalltalk. Da hebt man erst virtuell die Hand, dann wird man aufgerufen, dann schaltet man sein Mikro ein und so weiter. Das ist kein Umfeld für leichtes Geplauder.

Was, wenn man sich dann zu Beginn des Video-Termins einloggt, und man sitzt dann da erstmal zu zweit mit dem Kollegen, den man eigentlich gar nicht sonderlich abkann? Aus der Nummer kommen Sie nicht mehr raus. Mein Rat: Nutzen Sie die ansonsten verschenkten Sekunden oder Minuten und experimentieren Sie. Führen Sie Smalltalk mit jemanden, den Sie nicht mögen, dem Sie sonst aus dem Weg gehen, und gucken Sie, was passiert.

Ich sage Ihnen aus eigener Erfahrung: Das endet oft mit angenehmen Überraschungen. Wie vom Schicksal gelenkt ist man plötzlich ungewollt zu zweit allein. Das ist ein Video-Konfi-Effekt, den es sonst eher selten gibt. Denn man sieht ja vorher nicht, wer schon da ist, wenn man dazukommt. Und plötzlich guckt man sich dicht ins Gesicht. Fangen wir dann an mit: „Wir reden ja selten. Jetzt haben wir die Chance. Wie geht es dir denn so? Wie war dein Corona-Sommer?“ Das Schlimmste, was uns da passieren kann, ist eine desinteressierte Antwort. Na und? Wir waren die Souveränen. Wir haben uns getraut. Das war gut.

Also, keine Angst vor Smalltalk. Es ist kein dummes Gewäsch, sondern ein schlauer Schritt in unserer Kommunikation. Einer, der beide entspannt. So funktionieren wir Menschen nun einmal. Wenn wir das wissen, werden wir besser.

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