Karriereleiter So gewöhnen Sie sich das „Äääh“ ab

Inhaltlich mögen Sie noch so sattelfest sein, wenn Ihr Vortrag durch Ähs und Öhms unterbrochen wird, wirkt er leicht unsouverän. Mit diesen sechs Tipps geht es besser.

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Unser Kolumnist Marcus Werner ist Fernsehmoderator und Buchautor und arbeitet als Berater für Kommunikation und Persönlichkeitsentwicklung.

Auf die Idee zu diesem Thema bei der Karriereleiter hier bei der WirtschaftsWoche bin ich gekommen, nachdem ich mir in den vergangenen Wochen die Fernseh- und Podcast-Auftritte der verschiedenen deutschen Virologinnen und Virologen zu Gemüte geführt habe. Sei es etwa aus Berlin, Braunschweig, Halle oder Bonn. Die Wortbeiträge der hoch geschätzten Experten unterscheiden sich nicht nur in der inhaltlichen Stoßrichtung, sondern auch in der Art, wie sie vorgetragen werden.

Und es zeigt mal wieder: Wer souverän spricht, überzeugt besser. Und dazu gehört es, Gedanken sortiert zu formulieren, ohne äh und ähm. Völlig unabhängig von der inhaltlichen Kompetenz, die hier null in Frage steht, WIRKEN Vorträge ganz klar überzeugender, wenn der Redner auftritt wie eine fest und voll von sich und seiner Botschaft überzeugte Autorität.

Hören Sie sich dazu den mittlerweile ja schon legendären Corona-Virus-Update-Podcast von NRD Info an - mit Kollegin Korinna Hennig und dem mittlerweile ja wahren Star-Virologen Prof. Christian Drosten.

Diesem Mann gelingt es, uns komplizierteste medizinische Verwicklungen zu erklären - ohne äääh. Ich habe mir eine Folge ein zweites Mal durchgehört, nur um mal zu zählen: Wie oft sagt Prof. Drosten äh oder ähm? Das Ergebnis lautet: kein einziges Mal. Kein Äh, kein Ömm. Nichts. Keine Füllwörter.
Das bedeutet nicht, dass Christian Drosten redet, als würde er vorlesen. Wie jeder von uns entwickelt er seine Gedanken, während er spricht. Da ist nicht jeder Satz geschliffen, da setzt er auch mal mitten im Satz neu an. Aber eben keine Füllwörter.

Wie geht das bloß? Antwort: die ersten Tage mit viel Disziplin. Am Ende wie automatisch, weil jedes Äh Ihnen irgendwann vorkommt wie ein störender Fremdkörper aus Ihrem Mund. Ein lieber Kollege von mir hat schon nach einem Tag gejubelt: „Wenn ich drauf achte, wird es echt weniger mit dem Äh.“ Aber lohnt sich die Mühe, sich da umzustellen?

Ja. Es gibt zwar eine Studie aus North Carolina und eine aus Schottland, die belegen, dass ein Äh einem komplizierten Fachausdruck vorangestellt die Aufmerksamkeit des Publikums auf diese schwierige Vokabel lenkt („Äh Desoxyribonukleinsäure“). Aber ich unterstelle: Das können Sie auch mit dem Wort „Achtung“ erreichen, ohne verpeilt zu wirken.
Oder klatschen Sie vorher einfach in die Hände.
Und davon abgesehen: Wie oft geht es in Ihrem Beitrag in Konferenzen oder im Vortrag vor Publikum darum, den Leuten einen Begriff einzubläuen?
Der Gewinn des Redens ohne Äh ist für Sie ungleich höher. Sie wirken nicht nur sehr sortiert und lassen beim Hörer das Gefühl aufkommen, es bei Ihnen mit einem kompetenten, intelligenten Redner zu tun zu haben. Die Hörer können Ihnen auch besser folgen. Jede kleine Pause, die, statt mit Überbrückungsgeräuschen zugekleistert zu werden, dem Empfänger der Botschaften einfach Stille bietet, um gedanklich nachzuziehen, ist ein kleines Geschenk. Auch wenn es nicht jeder bewusst wahrnimmt. Die Dankbarkeit der Zuhörer erreicht Sie danach. Mit dem Urteil: Der oder die kann echt gut reden.

Und so werden Sie äh-frei:

1. Lernen Sie, Ihre Stille zu lieben

Wer ohne Äh und Ähm spricht und trotzdem für sich in Anspruch nimmt, beim Reden zu denken (und das sollten wir alle), der erzeugt Gedankenpausen. Ein Äh hält hier die Geräuschkulisse schön aufrecht. Das mag in seltenen und eher unangenehmen Fällen sinnvoll sein, wo einem sofort dazwischen gequatscht wird, sobald man kurz inne hält (etwa in sehr schlecht moderierten Podiumsdiskussionen mit lauter aufgepeitschten Alphatieren). Aber grundsätzlich und gerade dann, wenn Sie präsentieren und damit ja einen Monolog halten, sind Füllgeräusche als Signal für „ich bin noch nicht fertig“ unnötig.
Spielen Sie stattdessen mit dem Werkzeug der Stille. Stille hat eine enorme Wirkung. Wenn Sie danach mit gleichem Verve weiterreden wie vor der kleinen Pause, ist der Kontrast zwischen Ruhe und Ihrer Wortgewalt einfach mitreißend. Ich hatte während des Studiums einen Strafrechtsprofessor, der hat mitunter Redepausen von gefühlt bis zu zehn Sekunden eingebaut, während er mit dem Mikro und in Gedanken versunken lächelnd durch die Ränge gewandert ist. Und im Audimax mit 400 Leuten war es mucksmäuschenstill. Das war souverän.

Gedankenpausen von zwei, drei Sekunden sind also locker einbaubar. Und wenn Sie das Gefühl haben, das war jetzt doch irgendwie zu lang, dann sagen Sie: „Ich habe gerade überlegt…“ oder so. Und dann machen Sie weiter.

2. Betonen Sie nach unten

Betonen Sie folgenden Satz mal nach oben:

„Und jetzt komme ich dazu, was wir an unserem Betriebsausflug alles unternehmen wollen…“ (Also „wollen“ mit hoher Stimme wie bei einer Frage.) Spüren Sie bei sich selber den Drang, jetzt schnell die Lücke mit einem Äh auszugießen? Betonen Sie nach oben:
„Und jetzt komme ich dazu, was wir an unserem Betriebsausflug alles unternehmen wollen…. Äh, zum einen natürlich die traditionelle Radtour…. Äh, die war als erste gesetzt, äh, dann: äh, das leckere gemeinsame Essen… ähmmm, da wollen wir dieses Mal mal eine traditionelle Bauernstube in einer alten Windmühle ausprobieren…“
Und jetzt betonen Sie das alles am Ende des Aspekts einfach nach unten:
„Und jetzt komme ich dazu, was wir an unserem Betriebsausflug alles unternehmen wollen.
Zum einen natürlich die traditionelle Radtour. Die war als erste gesetzt.
Dann! Das leckere gemeinsame Essen. Da wollen wir dieses Mal mal eine traditionelle Bauernstube in einer alten Windmühle ausprobieren.“
Merken Sie, wie fein wir da ohne Äh-Drang durchkommen? Betonen Sie häufiger nach unten. Machen Sie einen Punkt. Dann empfinden Sie selber nicht den Druck, die durch die Betonung nach oben erzeugte Erwartungshaltung schnell mit irgend einem Geräusch aufzufangen.

Schachtelsätze laden Ähs förmlich ein

3. Sprechen Sie ohne Schachtelsätze

„Ich habe mir äh die Klickzahlen auf unserer Internetseite, die äh übrigens ja ohnehin demnächst überarbeitet werden soll, äh das hat mir äh Rüdiger gestern, ähm direkt nachdem er aus deren Strategiemeeting äh vorletzte Woche rausgekommen ist, äh gesagt, also die habe ich mir angeguckt und äh da muss ich sagen - also äh ohne jemandem jetzt äh auf die Füße treten zu wollen - aber im Vergleich mit unserer Konkurrenz, die da äh in letzter Zeit echt äh Boden gut gemacht hat, wenn ich das mal so sagen darf, äh, was wollte ich, sorry, jetzt habe ich den Faden verloren.“

Wenn wir den Großteil der Energie darauf verwenden, mit der Grammatik der deutschen Sprache zu jonglieren, dann ist nur allzu menschlich, dass wir inhaltlich abschmieren. Aber dann kommen stattdessen diese blöden Ähs. Der Trick: Reihen Sie Ihre Gedanken aneinander. Sogar noch die Gedanken, die Ihnen beim Sprechen in den Sinn kommen. Fällt Ihnen mittendrin etwa ein, dass Rüdiger Neuigkeiten berichtet hat, oder wollen Sie klar stellen, dass Sie keinem zu nahe treten wollen und dass die Konkurrenz Ihnen auf den Fersen ist, dann gliedern Sie das wie an einer Perlenschnur.
„Ich habe mir mal die Klickzahlen auf unserer Internetseite angeguckt. Ich möchte keinem zu nahe treten. Aber die Zahlen sehen nicht gut aus. Und unsere Konkurrenz hat echt Boden gut gemacht in letzter Zeit. Immerhin: Rüdiger hat mir nach deren Strategiemeeting vorletzte Woche erzählt, dass sie die Website überarbeiten wollen.“

4. Botschaft am Ende nicht ausfransen lassen

Besonders viel Drive geht in Präsentation verloren, wenn Sie am Ende einzelner Punkte davor zurückschrecken, einen klaren Schnitt zu machen, obwohl die Luft schon raus ist und der Gedanke längst klar geworden ist. Vielleicht in diesem Stil:
„Ja, so viel zum Überblick zu unserem Betriebsausflug. Also, wie gesagt, dass mit dem Radausflug könnte ja einheitlich äh, ja! Da freue ich mich drauf. Und ja, auch das äh mit dem Essen, äh, naja, mal sehen. Das äh…“ Weil wir währenddessen gedanklich schon beim nächsten Kapitel der Präsentation sind: der Weihnachtsfeier. Am Ende ausfransende Gedanken Marke „also, wie gesagt“ können wir streichen.

5. Vermeiden Sie auch Füllwörter

„So, hier sind die Klickzahlen. Genau. Mittlerweile geht es echt aufwärts, ja? Hier mal ein Schaubild dazu. Genau.“

Ja, genau. Solche Ausdrücke kann man mal einflechten. Aber es klingt schnell wie ein Tick. Also im Zweifel lieber nicht.

6. Am Telefon: Pausen erklären

Am Telefon sind wir auf akustische Signale angewiesen, solange keine Kamera im Spiel ist (wobei das mit der Cam jetzt ja zum Glück immer mehr in Mode kommt). Sieht uns keiner, sagen wir beim Zuhören Dinge wie hmm, ja, aha, hmm. Das ist gut. Sonst fragt der andere bald: „Sind Sie noch da?“ Brauchen wir also auch ein Ähm, um Pausen zu füllen, weil wir gerade nachdenken, etwas nachschlagen oder aufschreiben, während wir selber gerade sprechen? Ich finde nicht. Sagen Sie lieber: „Einen Augenblick bitte.“ Und zwischendurch „gleich bin ich wieder ganz bei Ihnen“ statt ääääääääääh. Das wirkt einfach stabiler.

Und jetzt reden Sie los. Mit diesen Äh-Eliminierungs-Tipps hier im Kopf:
1. Liebe die Stille
2. Betone nach unten
3. Vermeide Schachtelsätze
4. Binde deine Botschaft am Ende knackig ab
5. Vermeide nicht nur Füllgeräusche, sondern auch Füllwörter
6. Erkläre am Telefon kurz deine Pausen

Ja, am Anfang werden Sie sicherlich mehr darauf achten, WIE Sie reden, was Sie auch schon mal davon ablenken kann, WAS Sie sagen. Das mag ein paar Wochen lang ein bisschen störend sein. Aber Sie werden sich daran gewöhnen, auf immer längeren Strecken äh-frei zu sein. Bitten Sie Familie, Freunde und Kollegen, Sie auf Ihre Ähms aufmerksam zu machen. Und seien Sie nicht geknickt, wenn doch mal wieder eins rausrutscht. Wenn Sie am Ende 90 Prozent eliminiert haben, wird so ein Äh am Ende etwas ganz Besonderes. Viel Erfolg. Und bis zur nächsten Folge in zwei Wochen. Ihr Marcus äh, Werner.

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