Karriereleiter Rhetorik: So entwaffnen Sie Lügner und Publikums-Verführer

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Versucht der Andere, das Publikum zu verführen?

Und achten Sie auch darauf, ob der Andere systematisch versucht, das Publikum zu verführen. Ein - wie ich finde - schönes Beispiel ist das Argument: „Damit stellen Sie uns alle doch unter Generalverdacht.“ Anders als die Lüge ist das ein legitimer, rhetorisch raffinierter Vorwurf.

Wir kennen ihn vor allem aus Diskussionen über mehr persönliche Kontrollen im Alltag.

So eine gab es damals, nachdem ein Germanwings-Pilot eine Maschine absichtlich hat abstürzen lassen: Sollen alle Piloten regelmäßig auf psychische Probleme hin untersucht werden?

„Nein, denn damit stellen Sie alle Piloten unter den Generalverdacht, psychisch krank zu sein.“

Sollen Senioren ab einem Alter von 75 Jahren noch einmal zu einer Fahreignungs-Prüfung?

„Um Gottes Willen, damit stellen wir alle Rentner unter den Generalverdacht, eine Gefahr für die Gesellschaft zu sein. Das hat kein älterer Mensch verdient. Sie kommen auch noch in das Alter.“

Im Auto eingebaute Alkoholtests kombiniert mit einer Wegfahrsperre für alle Taxis oder sogar für alle Privat-Autos? „Nein. Generalverdacht.“

Sollen nach den Attentaten von Hanau Sportschützen künftig regelmäßig auf ihre Eignung zum Führen von Waffen überprüft werden? „Nein, schließlich stelle das alle redlichen Schützen unter einen Generalverdacht.“

Hören das potenziell von Kontrollen Betroffene, dann kann sich in diesem Moment sicherlich kaum einer vom unbehaglichen Gefühl freimachen, unter Verdacht zu stehen, eine Gefahr für die Allgemeinheit zu sein. Der Generalverdachts-Vorwurf haut richtig rein und verführt das Publikum, sich gegen neue Kontrollen zu wenden. Und mehr noch: Wer mehr Kontrollen fordert, denke offenbar per se schlecht über die betroffene Zuhörergruppe.

Unterstellt, Sie sind jetzt mal für mehr Kontrollen, dann dürfen Sie das nicht auf sich sitzen lassen. Hören Sie das Stichwort Generalverdacht, müssen Sie sofort das Publikum zurückerobern. Denken Sie wieder vom Publikum aus. Das will keinen Generalverdacht. Also zeigen Sie, dass ja auch keiner unter Generalverdacht gestellt wird. Ich würde so antworten:

„Mehr Kontrollen beseitigen sogar einen möglichen Generalverdacht. Mit mehr Kontrollen finden wir nämlich die wenigen, die wirklich eine Gefahr bedeuten. Weil wir aber nicht wissen, wer die sind, brauchen wir die Mithilfe derer, von denen keiner etwas zu befürchten hat. Das ist sogar sehr solidarisch und auch im eigenen Interesse aller Kontrollierten. Denn es wird ja für alle sicherer.“

Ist das nicht schön? Der Effekt ist: Das Publikum erkennt, dass es dazu beitragen kann, dass es für alle besser wird. Das ist schmeichelhaft. Und jeder Zuhörer erkennt: Ich profitiert sogar selber. Die Kurzfassung dieses Aspekts kennen wir von Schildern am Eingang von Großveranstaltungen: „Zu Ihrer eigenen Sicherheit führen wir Taschenkontrollen durch.“

Also: Denken Sie sich also in die Lage des Publikums hinein und verbünden Sie sich mit ihm. Was ist für die Leute der überzeugende Blickwinkel? Der Blickwinkel des Diskutanten ist höchstens gleichrangig. Das heißt überhaupt nicht, dass Sie Ihren inhaltlichen Standpunkt räumen müssen, nur um der Masse zu gefallen. Es geht darum, dass Sie Ihren Standpunkt den Zuhörern so vermitteln, dass sie aus der eigenen Position heraus gedanklich einen grünen Haken dran machen können: Generalverdacht? Nein, im Gegenteil. Und spielt der Kontrahent mit fiesen rhetorischen Tricks unter der Gürtellinie, sprechen Sie das offen an und stellen Sie ihn damit bloß.

Das Publikum kann nach all dem dann gar nicht anders, als sich auf Ihre Seite zu schlagen.

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