Antwort auf Terrorbedrohung Erste Angriffswelle gegen El Kaida im Jemen rollt

US-Präsident Barack Obama erwägt als Reaktion auf den fehlgeschlagenen Flugzeug-Anschlag auch Angriffe gegen El-Kaida-Stützpunkte im Jemen. Sicherheitskräfte in dem arabischen Land schlugen bereits zu und stürmten ein mutmaßliches Versteck von El-Kaida-Kämpfern. Unter Druck geraten indes die US-Geheimdienste, weil sie offenbar Warnsignale, die die Beinahe-Katastrophe von Detroit wohl verhindert hätten, falsch bewertet haben.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Im Visier der Militärs: El-Kaida-Anhänger im Jemen. Quelle: dpa Quelle: handelsblatt.com

WASHINGTON/ SANAA. Sicherheitskräfte im Jemen haben am Mittwoch in der westlichen Provinz Hudajdah ein mutmaßliches Versteck von El-Kaida-Kämpfern gestürmt. Dabei sei es zu Gefechten gekommen, hieß es in einer Mitteilung der Regierung in Sanaa. Mindestens ein mutmaßliches Mitglied der Terrororganisation wurde den Angaben zufolge gefangen genommen. Der stellvertretende Innenminister Brigadegeneral Saleh al Sawari kündigte weitere Angriffe der Sicherheitskräfte gegen El Kaida im Jemen an. Die Provinz Hudajdah gilt als Hochburg militanter Gruppen.

Der mutmaßliche Flugzeugattentäter von Detroit hat sich nach Angaben der jemenitischen Regierung in diesem Jahr im Jemen aufgehalten. Der Nigerianer Umar Farouk Abdulmutallab sei von August bis Anfang Dezember im Land gewesen, erklärte das Außenministerium am Montag. Die Behörden untersuchen nun, ob er dort Kontakt zu Extremisten von El Kaida hatte, wie Informationsminister Hassan al Losy bestätigte.

Regierungsstellen der USA und des Jemen prüfen unterdessen einem CNN-Bericht zufolge offenbar infrage kommende Ziele für einen Vergeltungsschlag in dem arabischen Land. Es gehe darum, Obama im Falle eines entsprechenden Befehls Optionen präsentieren zu können, berichtete der Fernsehsender unter Berufung auf zwei US-Vertreter. Derzeit werde versucht, Ziele mit einem direkten Bezug zu dem Anschlagsversuch zu identifizieren. Die im Jemen aktive Extremistengruppe El-Kaida auf der arabischen Halbinsel hatte sich zu dem Anschlag bekannt.

Der innenpolitisch unter Druck stehende Obama hatte zuvor schwere Versäumnisse im Zusammenhang mit dem fehlgeschlagenen Flugzeug-Anschlag eingeräumt. "Es gab systemische Fehler, die absolut nicht hinnehmbar sind", sagte Obama an seinem Urlaubsort auf Hawaii. Er erwarte bis Donnerstag erste Ergebnisse der von ihm angeordneten Untersuchung des Zwischenfalls an Bord eines mit fast 300 Menschen besetzten Airbus der Northwestern Airlines am ersten Weihnachtstag. Informationen, die der Geheimdienst CIA über den mutmaßlichen Attentäter Umar Farouk Abdulmutallab erhalten habe, seien nicht miteinander verbunden worden. Die Beinahe-Katastrophe von Detroit, sagt Obama, hätte verhindert werden können - wenn die Warnsignale gehört und weitergeleitet worden wären. Angst und Entsetzen gehen um in den USA. "Haben die USA aus dem 11. September nichts gelernt?", fragt der TV-Sender CNN.

Nicht nur ein Mal wurde die US-Botschaft in Nigeria in den vergangenen Wochen vom Vater des Attentäters über die drohende Gefahr durch seinen radikalisierten Sohn gewarnt. Nach Angaben von CNN war der Vater sogar zwei Mal persönlich in der Botschaft, zudem habe es mehrere Telefongespräche gegeben - hinzu kamen auch noch Briefe. Kann ein Vater mehr tun, um die US-Behörden auf Trab zu bringen? Ein Rätsel, wie die Sache dann am Ende versanden konnte.

Die Kernfrage, die jetzt in den USA gestellt wird: Wie genau lauteten die Warnungen des Vaters, und wie wurden sie behandelt? Bisherigen Erkenntnissen zufolge sprach der Vater in der US-Botschaft mit den lokalen CIA-Leuten. Diese hätten die Hinweise zwar an die Zentrale in Langley vor den Toren Washingtons weitergeleitet - doch dort seien sie eher als Routinehinweis abgetan worden. Wochenlang habe der Bericht dort gelegen, ohne dass viel geschehen sei. Eine Laxheit, die beinahe zum Tod von fast 300 Menschen geführt hätte.

Schon gehen die beschuldigten Agenten in Stellung. Versuchen, ihre Verteidigungslinie aufzubauen. "Abdulmutallabs Vater hat nicht gesagt, dass sein Sohn ein Terrorist ist", zitiert die "Washington Post" einen Geheimdienstler, der ungenannt bleiben will. "Ganz zu schweigen davon, dass er einen Anschlag plante."

Immerhin, der besorgte Vater habe berichtet, dass sein Sohn zunehmend im Sinne extremistischer Islamisten indoktriniert sei. Die Frage, die sich Obama jetzt stellt, lautet: Warum kam der 23-jährige Nigerianer zwar auf die Liste von Verdächtigen, die terroristische Kontakte haben, nicht aber auf die "No-Fly-Liste"? Zumal nur wenige Monate zuvor die britischen Behörden dem jungen Nigerianer die Verlängerung seines Visums verweigert hatten. Auch dies ein klares Warnsignal. Waren die Kollegen in London einfach cleverer?

Auch weitere Hinweise ließen die Agenten in Langley offenbar links liegen. So berichtet die "New York Times", die Geheimdienste aus Sanaa hätten gewarnt, El-Kaida-Terroristen im Jemen hätten einen "nigerianischen Jungen" erwähnt, der für einen Anschlag vorbereitet werde. Wieder läuteten bei der CIA keine Alarmglocken.

Es ist nicht das erste Mal, dass die CIA - der Auslandsgeheimdienst der USA - in schiefes Licht gerät. Eine ausnehmend schlechte Figur machten die Agenten im Vorfeld der Terroranschläge vom 11. September 2001. Auch damals wurden Hinweise auf drohende Gefahren verschlampt, verschleppt und nicht ernst genommen. Das Terrornetz El Kaida sei völlig unterschätzt worden, heißt es in Berichten. Wenig rühmlich war auch die Rolle der CIA in puncto der angeblichen Massenvernichtungswaffen im Irak, die 2003 als Begründung für den Irakkrieg herhalten mussten. Die Pleiten und Pannen führten dann zur großen "Geheimdienstreform" in den USA im Jahre 2004 - durchschlagenden Erfolg hat die Reform bislang offensichtlich nicht.

Obama unterbrach wegen des gescheiterten Anschlags am Dienstag zum zweiten Mal in Folge seinen Weihnachtsurlaub. Die oppositionellen Republikaner haben ihm bereits vorgeworfen, die Bedrohung durch den Terrorismus auf die leichte Schulter zu nehmen. Sie hoffen, daraus bei den Kongress-Wahlen im November kommenden Jahres Kapital zu schlagen.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%