WirtschaftsWoche: Frau DiMuzio, Sie vertreten eine Gruppe von Softwareentwicklern, die mit den Regeln der App Stores von Apple und Google unzufrieden sind. Was ist Ihr Ziel?
Meghan DiMuzio: Zunächst ein bisschen Hintergrund zu uns: Unsere Gruppe wurde im September des vergangenen Jahres gegründet. Damals hatten wir 13 Mitglieder unterschiedlicher Größe. Heute vertreten wir bereits mehr als 60 Unternehmen auf der ganzen Welt. Unsere Mission ist es, einen fairen Marktplatz für Apps zu schaffen, damit Entwickler und Konsumenten von den Vorteilen der digitalen Wirtschaft profitieren. Wir halten die überwältigende Kontrolle, die Apple über die App-Industrie ausübt, für ein Monopol, das Kunden und Kleinunternehmer schädigt. Wir treten für Wettbewerb ein.
Apples Einfluss ist groß. Allein im vergangenen Jahr hat das Unternehmen in Washington mehr als 6,6 Millionen Dollar für Lobbying ausgegeben. Wie halten Sie dagegen?
Wir setzen vor allem auf die Geschichten der Entwickler. Es ist unsere Erfahrung, dass diese bei den Entscheidern in den USA und auf der ganzen Welt am besten wirken. Wir verfolgen die Debatten um das Thema sehr genau und melden uns mit den Erfahrungen unserer Mitglieder und anderer Unternehmen zu Wort – im direkten Gespräch und über die Medien.
Wie ist die bisherige Resonanz?
Der Rückhalt für unser Anliegen wächst – in den USA, aber auch in anderen Ländern. Das hat zuletzt die Ankündigung des deutschen Bundeskartellamts gezeigt. Im Vereinigten Königreich, in Australien und auf EU-Ebene gibt es ja ähnliche Entwicklungen. Das ist ein guter Indikator dafür, dass unsere Botschaft ankommt. Die Leute sehen, dass es politische Lösungen braucht, um einen fairen Markt für Apps zu schaffen. Apple und Google werden sich nicht selbst regulieren. Dafür ist ihr bestehendes Modell zu wichtig für ihren Umsatz.
Auch wenn Sie zahlreiche Unternehmen vertreten, stechen Spotify und Epic doch unter ihren Geldgebern hervor. Ist Ihre Kampagne am Ende nicht anderes als ein Verteilungskampf zwischen Big-Tech-Firmen?
So versucht Apple uns darzustellen. Die Realität ist, dass der Großteil der Firmen in der Koalition klein bis mittelgroß sind. Sie sind besorgt über die Auswirkungen, die der App Store auf ihr Geschäftsmodell hat. Zum ganzen Bild gehört zudem, dass kleinere Unternehmen schlicht nicht die Ressourcen haben, ihre Anliegen allein vorzutragen. Durch unsere Gruppe haben sie jetzt die Möglichkeit.
Maßnahmen gegen Big Tech werden in den USA derzeit auf zahlreichen Ebenen geprüft – im Kongress, in Regulierungsbehörden, in den Bundesstaaten. Wo erwarten Sie sich den meisten Erfolg?
Wir sehen, dass sich im Kongress Momentum entwickelt – und wir hoffen und erwarten, dass dies weiterhin der Fall sein wird. Erst in dieser Woche hat der Justizausschuss des Repräsentantenhauses wieder eine Anhörung abgehalten. Die Diskussionen gehen also in die richtige Richtung. Gleichzeitig sehen wir großes Interesse in den US-Bundesstaaten, sich des Themas anzunehmen – über Gesetze oder die örtlichen Justizministerien. Viele warten jedoch darauf, was der Kongress tun wird. Das Thema wird uns also noch lange erhalten bleiben.
Was Sie nicht erwähnt haben, sind die Gerichte. Im Mai verhandelte ein Bundesgericht in Kalifornien über eine Klage von Epic gegen Apple, die sich gegen die Regeln des App Stores wandte. Das Urteil wird im Sommer oder Herbst erwartet. Mit was für einem Ergebnis rechnen Sie?
Ich denke, das beste an diesem Verfahren war, dass es wichtige Entwicklungen in die Öffentlichkeit gebracht hat und die Geschäftspraktiken von Apple transparent gemacht hat. Das ist unabhängig vom Ausgang des Verfahrens wichtig. Wir haben gesehen, dass Apple nicht alle Entwickler gleichbehandelt und wie profitabel der App Store ist. Ich applaudiere Epic dafür, diese Informationen in die Diskussion eingebracht zu haben.
Das klingt recht pessimistisch mit Blick auf das Urteil…
Überhaupt nicht. Der Prozess hätte nicht besser laufen können. Die Coalition for App Fairness ist an dem Verfahren allerdings nicht beteiligt und hält sich deshalb mit Kommentaren zurück.
Wie erwähnt findet Ihr Thema auch außerhalb der USA Anklang. Wo erwarten Sie sich den schnellsten Erfolg?
Wir sind sehr ermutigt, was den Digital Markets Act der EU-Kommission angeht. Ich würde ihn nicht gerade schnell nennen, aber er ist vielversprechend. Das Vereinigte Königreich macht zudem Tempo. Aber uns ist natürlich klar, dass solche Verfahren eine gewisse Zeit brauchen. Das ist in Europa nicht anders als im Kongress.
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