25 Jahre nach dem Golfkrieg Kuwait steht vor großen Herausforderungen

Die Hoffnungen nach der Befreiung Kuwaits von den irakischen Invasoren waren gewaltig. 25 Jahre nach dem Golfkrieg ist die Bevölkerung desillusioniert. Der Frust über die Regierung und die Korruption ist groß.

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Vor 25 Jahren dringen US-Soldaten in Kuwait ein, um es von den irakischen Truppen zu befreien. Quelle: AP

Kuwait-Stadt Es waren Höllenszenen. Brennende Ölquellen, schwer verschmierter Sand und dicker schwarzer Rauch in der Luft erwartete die US-Soldaten, als sie 1991 in das kleine Kuwait eindrangen, um es von den irakischen Truppen zu befreien. Häuser waren geplündert, sowohl diejenigen in Privatbesitz als auch staatliche Gebäude. Bis zu 5000 Kuwaiter hatten ihr Leben verloren.

25 Jahre später beeinflussen die irakische Besatzung und ihre Nachwehen noch immer das Leben in diesem Land an der Spitze des Persischen Golfes. Machtkämpfe, die Unfähigkeit, die vom Öl abhängige Wirtschaft umzustellen, und wachsende Desillusionierung unter den jungen Menschen im Gefolge des Arabischen Frühlings 2011 stellen das Emirat vor große Herausforderungen.

„Es wurde allgemein angenommen, dass sich nach der Befreiung eine sehr vielversprechende Dynamik in Kuwaits Gesellschaft entwickelt“, sagt Politikwissenschaftler Schafik Ghabra von der Universität Kuwait. „Traurigerweise navigiert sich Kuwait 25 Jahre später durch eine sehr aufgewühlte Region mit Problemen, die die Gefühle und Stimmung der kuwaitischen Bürger widerspiegeln.“

Viele im Westen wussten vor der irakischen Invasion am 2. August 1990 wenig von Kuwait, das mit 17.820 Quadratkilometern Fläche kleiner als der US-Staat New Jersey oder das Bundesland Sachsen ist. Aber das Land verfügt über riesige Ölreserven, den sechstgrößten auf der Welt, was den Kuwaitern staatliche finanzielle Wohltaten von der Wiege bis zum Grab beschert und die Zusammensetzung der Bevölkerung beeinflusst hat.

Viele Ausländer, darunter zahlreiche Palästinenser, sind wegen des reichen Jobangebots in der Industrie in das Emirat geströmt. So stammten 60 Prozent der 1,6 Millionen Einwohner vor der Invasion aus anderen Staaten.

Für den irakischen Diktator Saddam Hussein war das ölreiche Land ein zu verlockendes Ziel. Seine Truppen überrannten die kuwaitischen Streitkräfte, Kuwaits Emir, Scheich Dschabir al-Ahmed al-Dschabir al-Sabah und sein königlicher Hof flohen nach Saudi-Arabien. Von dort aus organisierte der Scheich den Widerstand.


Ölpest auf offener See

Als die von den USA geführte Koalition das Land nach einem nur 100 Stunden dauernden Bodenkrieg befreite, war der Schaden schon angerichtet. Es dauerte Monate, bis Feuerwehrleute die Brände auf den Ölfeldern, angesteckt von den fliehenden Irakern, eindämmen und schließlich löschen konnten. Saddams Truppen leiteten auch bis zu 1,3 Milliarden Liter Öl in den Persischen Golf ein – die schwerste Ölpest auf offener See der Geschichte.

Nachdem die Iraker vertrieben waren, stand Kuwait vier Monate lang unter Kriegsrecht. Kuwaitische Sicherheitskräfte, die wütend darüber waren, dass Palästinenserführer Jassir Arafat Saddams Invasion unterstützt hatte, nahmen palästinensische Einwohner ins Visier. Viele von diesen flüchteten, aber Tausende wurden festgenommen und Dutzende getötet.

Heute leben 4,2 Millionen Menschen in Kuwait, davon sind etwa 70 Prozent Ausländer. Das Land hat ein freigewähltes Parlament, allerdings haben bei jüngsten Wahlen hauptsächlich regierungsfreundliche Politiker Sitze gewonnen. In der Hauptstadt Kuwait-Stadt prägen neue Hochhäuser die Skyline – die hohen Ölpreise machten es möglich.

Die Al-Sabah-Familie herrscht weiter im Land, Emir ist jetzt Scheich Sabah al-Ahmed al-Dschabir al-Sabah. Das Königshaus kontrolliert alle Schlüsselposten in der Regierung, doch nirgendwo anders in der Golfregion können gewählte Parlamentarier Initiativen blockieren oder Offizielle befragen, Kabinettsmitglieder etwa wegen Vorwürfen der Misswirtschaft oder in anderen Fragen in die Mangel nehmen.

Aber es herrscht weit verbreitet Frust über den Kurs der Regierung und Korruption. Zwar haben vom Arabischen Frühling inspirierte Demonstranten 2011 das Parlament gestürmt, aber insgesamt ist Kuwait weitgehend von den Unruhen verschont geblieben, die andere Regionen erschüttert haben.


Kein Optimismus mehr

„Nach der Befreiung haben wir gehofft, dass Kuwait so wieder aufgebaut wird, wie es in seinen ruhmreichen Tagen, den goldenen 1970ern und 1980ern, war, damals, als es in Sachen Entwicklung in der Region an der Spitze lag“, sagt Nadia Sager, eine Schriftstellerin, deren Buch über die irakische Invasion Grundlage einer populären TV-Dramaserie ist. „Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass niemand mehr so optimistisch ist.“

Haben einige andere Golfländer ihre Wirtschaft auf eine breiter gefächerte Basis gestellt, ist Kuwaits Ökonomie weiter hauptsächlich vom Öl abhängig. Das macht es verwundbar, wenn global die Ölpreise fallen. Im Parlament wird jetzt über unpopuläre Sparmaßnahmen im Haushalt als Antwort auf den jüngsten Preisverfall nachgedacht.

Auch die Terrorismus-Bedrohung bereitet zunehmend Sorgen. Kuwait, wo sowohl Sunniten als auch eine schiitische Minderheit leben, hat zwar nicht jenen Aufruhr erlebt, der den Rest des Nahen Ostens nach Al-Kaida-Attacken und der US-geführten Irak-Invasion 2003 erfasst hat. Aber der Aufstieg der Terrormiliz Islamischer Staat beunruhigt das Land, vor allem nach dem blutigen Anschlag im Juni auf eine Moschee in Kuwait-Stadt. Zu dem hat sich der IS bekannt.

In der jungen Bevölkerung wächst derweil der Hunger nach Reformen. „Das Versagen der Regierung, fortschrittlichen Wandel zu bringen, insbesondere bei Infrastruktur- und Entwicklungsprojekten, ist nicht zu leugnen“, sagt Sager. „Und das wirkt sich auf die neue Generation aus.“

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