500 Milliarden für alternde Reaktoren EU fordert massive Investitionen in Atomkraft

Die EU-Kommission bereitet einen Bericht zur Nuklearwirtschaft vor. Darin ist die Rede von überalternden Reaktoren und enormen Kosten – aber nicht mehr von einer zwingenden Haftpflichtversicherung für die Betreiber.

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Europa muss für die alternde Atomkraft viel Geld in die Hand nehmen. Quelle: dpa

Brüssel Europas Energieversorger müssen massiv in die Erneuerung der Atomenergie investieren. Dafür seien Investitionen in Höhe von 450 bis 500 Milliarden Euro bis zum Jahr 2050 notwendig. Das prognostiziert die EU-Kommission in ihrem Bericht zum Zustand der Nuklearwirtschaft in Europa, den die Behörde in den nächsten Wochen vorlegen will. Es ist die erste umfassende europäische Bestandsaufnahme nach der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima im März 2011. Ein Entwurf des Papiers liegt dem Handelsblatt vor.

Angesichts eines wachsenden Stromverbrauchs kommt Europa demnach ohne die Nuklearenergie nicht aus. Bis 2050 sind nach Ansicht der Kommission aber rund 90 Prozent der bestehenden altersschwachen Kapazitäten zu ersetzen. Schätzungen der Kommission zufolge wird die Branche in den nächsten Jahrzehnten zusätzliche 45 bis 50 Milliarden Euro investieren müssen, um alte Anlagen zu sanieren. Denn: „Viele Betreiber haben den Willen geäußert, bestehende Anlagen länger laufen zu lassen, als es ihr ursprüngliches Design vorsieht“, stellt die Kommission in ihrem Bericht fest. Grüne Europapolitiker kritisieren bereits im Vorfeld, dass die Kommission die Kosten dabei „enorm herunterspiele“.

Die Frage, wer in welcher Höhe im Falle eines Unglücks haften soll, stellt die Brüsseler Behörde in ihrem Bericht nicht. Dabei hatte sie genau darauf nach dem Unglück in Fukushima besonderen Wert gelegt. Im Jahr 2012 kündigte der damalige Energiekommissar Günther Oettinger an, Vorschläge für eine europaweit einheitliche Haftpflichtversicherung für Atomkraftwerke zu machen. Nur so, betonte Oettinger damals, könne die EU sicherstellen, dass die Betreiber die Haftung für Atomunfälle übernähmen und die Kosten für Strom aus Kernenergie eher einer ehrlichen Vollkostenrechnung entsprächen. Tatsächlich ist die Behörde einen solchen Vorschlag bis heute schuldig geblieben – und in dem Entwurf des Atomberichts ist davon auch keine Rede.

Bisher regelt jedes EU-Land die Haftung für Atomkatastrophen selbst. Während Betreiber in Frankreich nur für Schäden bis rund 91 Millionen Euro je Kraftwerk haften, sind in Deutschland Schäden von über zwei Milliarden Euro abgedeckt über eine gemeinschaftliche Haftung der Betreiber abgedeckt – für weitere Kosten haftet das einzelnen Unternehmen mit seinem Vermögen.

Derzeit sind in 14 EU-Staaten 131 Atomkraftwerke mit einer installierten Leistung von 121 Gigawatt am Netz. Ihr Durchschnittsalter liegt bei rund 30 Jahren. Neue Atommeiler sind in Frankreich, Finnland, Ungarn, der Slowakei wie auch in Tschechien, Bulgarien, Polen, Litauen sowie in Rumänien und Großbritannien geplant oder bereits in Bau. Die Kommission empfiehlt dazu eine engere Kooperation der nationalen Regulierungsbehörden bei der Lizensierung; bessere Absprachen und die Entwicklung gemeinsamer Standards könnten zur Kostenreduktion bei gleichzeitiger Verbesserung der Sicherheit beitragen.

Grundsätzlich liegt das Recht, über den Energiemix zu entscheiden, bei den Mitgliedstaaten der EU. Deshalb kann die EU-Kommission kaum mehr tun, als Empfehlungen aussprechen. International bleibt die Atomkraft auf dem Vormarsch. So müsse die EU beispielsweise angesichts der Entwicklung in China und Indien alles tun, um seine Technologieführerschaft im Nuklearbereich zu erhalten, mahnt die Kommission.

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