60 Jahre EU in Rom Audienz beim Papst inklusive

Zum EU-Gipfel zur Feier des 60. Jahrestages der Römischen Verträge ist die Polizei in Alarmbereitschaft – gerade nach den Ereignissen von London. Erster Programmpunkt für die Gipfelgäste: Ein Besuch im Vatikan.

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Vor dem EU-Gipfel: Italienische Polizisten patrouillieren vor dem Grabmal des unbekannten Soldaten in Rom. Quelle: dpa

Rom Die Audienz bei Papst Franziskus ist für die Sicherheitskräfte noch die leichteste Übung. Zum Auftakt der Feiern des 60. Geburtstages der Römischen Verträge treffen die Staats- und Regierungschefs der EU sowie die Spitzen von Rat, Parlament und Kommission an diesem Freitagabend den Papst in der Sala Regia im Apostolischen Palast – gut abgeschirmt und Routine für Schweizergarde und die Gendarmerie des Vatikans.

Schwieriger wird es bei der Feier selbst am Samstagmorgen auf dem Kapitolshügel, normalerweise das ganze Jahr über von Touristen belagert, die den Blick auf das Forum und die Kunstschätze in den Kapitolinischen Museen schätzen.  Die römische Quästur, zuständig für die Sicherheit, geht drastisch vor: Ab Freitagabend wird die Innenstadt gesperrt. Das Kolosseum wird geschlossen, auch das Forum Romanum und der Palatin mit Kaiserpalästen, Museen und Geschäften. Alles wird bis Sonntag verriegelt, Autos dürfen nicht fahren und in die abgesperrte „blaue“ Zone darf durch einen der 39 Zugänge nur, wer sich ausweisen kann. Ähnlich ist es in der „grünen Zone“ rund um den Quirinalspalast, dem Sitz des Staatspräsidenten, direkt neben der „blauen“ Zone. Jeder, der rein oder raus will, wird kontrolliert. Das „Centro Storico“, die Innenstadt von Rom, wird dicht gemacht.

„Blau“ werde die Zone zu Ehren der EU genannt, die das Blau in ihrer Fahne hat. So sagen es die Offiziellen. Doch es geht wohl auch darum, den Namen „rote Zone“ zu vermeiden, weil er noch immer negative Assoziationen weckt: beim G8-Gipfel in Genua – damals war Russland noch dabei – gab es in der „roten Zone“ Schlachten zwischen Autonomen und Polizisten und ein junger Globalisierungsgegner wurde von der Polizei erschossen.

Das Sicherheitsaufgebot in Rom ist enorm. 5.000 Ordnungskräfte sind im Einsatz, es gibt ein Überflugverbot, drei Metrostationen werden geschlossen, Busse umgeleitet, auf den Dächern sind Scharfschützen. Seit der Beerdigung von Papst Johannes Paul II. vor zwölf Jahren habe es nicht ein so großes Aufgebot in der Stadt gegeben, sagt ein Uniformierter.  

Schon seit den Anschlägen von Paris im November 2015 gehören bewaffnete Soldaten am Campo de‘ Fiori, der Piazza Navona und anderen Sehenswürdigkeiten und in den Metrostationen in Rom zum Straßenbild. Nach dem Anschlag in London in dieser Woche hat Innenminister Marco Minniti für Freitagmorgen ein neues Krisentreffen einberufen. Er schlägt doppelt Alarm: Einmal drohen Aktionen von radikalisierten Einzelkämpfern, den „einsamen Wölfen“, wie in London, und es besteht die Gefahr, dass sich Autonome unter die Demonstranten mischen. In Rom werden „Black Block“-Mitglieder auch aus Deutschland, Frankreich und Griechenland erwartet. Polizeipräsident Guido Marino hat Feuerwerkskörper verboten und das Tragen von Motorradhelmen und Kapuzen.


Zeremonie ist bis ins Detail durchgeplant

Was in Westminster geschehen sei, so Innenminister Minniti, zeige „eine Bedrohung, die immer weniger vorhersehbar ist. Das verkürzt immer mehr die Zeit, die wir zum Reagieren haben.“ Wie in Nizza und Berlin gehe es um Anschläge mit unmittelbar zur Verfügung stehenden Mitteln. „Wir müssen also über eine Strategie nachdenken, die dieser Bedrohung Rechnung trägt.“

Die feierliche Zeremonie der Staats- und Regierungschefs - ohne Großbritannien – ist bis ins Detail durchgeplant. Sie findet statt im Saal der Horatier und Curatier. Genau dort, im ersten Stock des Kuratorenpalastes, wurden vor 60 Jahren die Verträge über die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom) unterzeichnet -  die Geburtsstunde der EU. Auf alten Schwarzweiß-Fotos sind die Herren zu sehen, die an einem langen Tisch sitzen, unter Ihnen Konrad Adenauer. An diesem Samstag sind es deutlich mehr: die Vertreter der 27 EU-Staaten und die Präsidenten von EU-Kommission, EU-Parlament und dem Europäischen Rat. Um kurz nach 11 Uhr wird die „Erklärung von Rom“ unterzeichnet, in der die EU auf knappen drei Seiten auf das bereits Erreichte hinweist und in vier Punkten erklärt, wie es in den kommenden zehn Jahren weiter gehen soll.  Anschließend gibt es ein Gruppenfoto.

Erst kurz vor dem Gipfel wurde der Kompromiss gefunden, mit dem auch die Visegrad-Staaten im EU-Osten leben können, die sich gegen eine Formulierung eines Europas der zwei Geschwindigkeiten gesperrt hatten. Und auch Griechenland stimmte in letzter Minute zu. Die Union solle nicht nur „stärker und beweglicher“ werden, heißt es in der Erklärung, sondern auch für größere „Einheit und Solidarität sorgen wie den Respekt vor den gemeinsamen Regeln“. Und nicht alle Staaten müssten  den gemeinsamen Weg gleichzeitig gehen, sondern „wenn nötig, mit verschiedenen Geschwindigkeiten und Notwendigkeiten“.

Mit einem Mittagessen bei Staatspräsident Sergio Mattarella enden die offiziellen Feierlichkeiten. Ursprünglich war ein Arbeitstreffen am Nachmittag angesetzt worden. Das wurde vertragt auf den nächsten EU-Gipfel -  der Brexit hat seinen eigenen Zeitplan.

Demonstriert wird in Rom jedoch den ganzen Tag über. Fünf Demonstrationen und zwei Veranstaltungen sind angemeldet. Am Vormittag machen die Pro-Europäer von „Europa Nostra“ und die europäischen Föderalisten ihren Marsch in der Stadt zur Unterstützung der EU. Unter ihnen die 18 deutschen, italienischen, griechischen und britischen Verfasser des „#Rome Manifesto“, in dem die zwischen 25 und 40 Jahre alten Europäer nicht weniger als die Gründung einer Europäischen Föderalen Union mit demokratischeren und transparenteren Institutionen und klar definierten Kompetenzen vorschlagen. Ihr Engagement ist eindrucksvoll und entspricht dem Appell von Staatspräsident Mattarella, der am Donnerstag im römischen Parlament zu mehr Mut aufrief und sagte, Europa sei zu sehr mit sich selbst beschäftigt und zu unsicher, welchen Weg es einschlagen solle.   Ab 14 Uhr dann marschieren die Europagegner. Vor allem auf die Demo mit dem Titel „Euro-Stop“ schaut die Polizei. Dort könnten sich Autonome unter die Demonstranten mischen wie bei so vielen Gipfeln bisher.

Die richtige Einstimmung und die richtigen Worte für die Feier wird mit Sicherheit wieder Papst Franziskus finden, ein aufmerksamer und kritischer Beobachter der Europapolitik. In der Sala Regia im Apostolischen Palast, wo er die Europa-Spitzen zur Audienz empfängt,  wurde ihm im vergangenen Juni der Karlspreis  überreicht. Damals erinnerte er an seine Rede vor dem Europaparlament in Straßburg , als er 2016 von Europa als Großmutter gesprochen hatte. „Zu den Europaabgeordneten sagte ich, dass von verschiedenen Seiten der Gesamteindruck eines müden und gealterten Europa, das nicht fruchtbar und lebendig ist, zugenommen hat, wo die großen Ideale, welche Europa inspiriert haben, ihre Anziehungskraft verloren zu haben scheinen; ein heruntergekommenes Europa, das seine Fähigkeit, etwas hervorzubringen und zu schaffen, verloren zu haben scheint.“ Es kann nur besser werden.

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