Der voraussichtliche demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden will im Wahlkampf mit einer ehrgeizigen Wirtschaftsagenda punkten. Am Donnerstag stellte er Ausgabenpläne im Umfang von 700 Milliarden Dollar vor, die er als die aggressivsten Investitionen in die US-Konjunktur seit dem Zweiten Weltkrieg pries. 400 Milliarden Dollar wolle er über vier Jahre hinweg in staatliche Aufkäufe von in Amerika produzierten Gütern und Dienstleistungen stecken, kündigte Biden bei einem Besuch in einer Metallfabrik nahe seiner Heimatstadt Scranton im Staat Pennsylvania an. Weitere 300 Milliarden Dollar wolle er zugunsten heimischer Technologiefirmen in neue Forschung und Entwicklung investieren.
Biden trat vor diesem Hintergrund für eine Stärkung der Gesetze ein, die den Kauf von amerikanischen Produkten und damit US-Firmen fördern sollen, jedoch von den Behörden auch umgangen werden können. Diese Maßnahmen würden fünf Millionen neue Jobs schaffen, versprach er.
Der Demokrat bekräftigte auch seine Zusage einer Verdoppelung des Mindestlohns auf 15 Dollar pro Stunde. Er wolle Arbeitnehmerrechte auf Tarifverhandlungen stärken und von den Republikanern gestützte Steuererleichterungen für US-Konzerne kassieren, die Jobs ins Ausland verlagerten. Bidens Wahlkampfteam betonte zudem, dass die geplanten Investitionen in den US-Markt erfolgen würden, ehe er im Falle eines Wahlsieges in Verhandlungen für neue internationale Handelsabkommen eintreten würde.
In seiner 30-minütigen Ansprache griff Biden auch Amtsinhaber Donald Trump an. Dieser ignoriere die Corona-Pandemie und die Klimakrise, während er inmitten einer nationalen Debatte über systemischen Rassismus Zwietracht und Spaltung säe. Trumps Versagen verursache „furchtbare menschliche Kosten“ und fordere einen einschneidenden ökonomischen Tribut, kritisierte Biden. „Ein ums andere Mal zahlen Arbeiterfamilien den Preis für die Inkompetenz dieser Regierung.“
Mit seinem Fokus auf Wirtschaftsthemen begibt sich Biden auf Terrain, das eigentlich der Republikaner Trump als seine große Stärke betrachtete - ehe die Pandemie den Konsum in Amerika massiv gedrosselt und die Arbeitslosigkeit auf ein Niveau getrieben hat, das sich an Zustände während der Weltwirtschaftskrise in den 1920er und 30er Jahren annähert. Nun glauben Biden und seine Berater, dass das Thema eine breite Front für Attacken auf den Amtsinhaber eröffnet - und zugleich die Chance, eine eigene Vision für die ökonomische Zukunft Amerikas darzulegen.
Konkret geht es Biden aus Sicht von Beobachtern darum, Profit aus seinen Verbindungen zu Gewerkschaften zu schlagen und weiße Wähler zurückzugewinnen, die zu Trumps Überraschungssieg vor vier Jahren beitrugen. Dazu verwies der Demokrat in seiner Rede auf seine eigenen bescheidenen Anfänge - und kontrastierte sie mit Trumps Kindheit als Sohn eines millionenschweren Immobilienmoguls. Demonstrativ suchte Biden dann nach seinem Auftritt sein früheres Elternhaus in Scranton auf und sprach kurz mit der Familie, die dort nun lebt.
Vizepräsident Mike Pence hielt sich am Donnerstag ebenfalls in Pennsylvania auf. Dort bezeichnete er Biden als Bedrohung für die Wirtschaft und hob die Jobzuwächse vor der Pandemie hervor. Trump führe nun ein „großes amerikanisches Comeback“ an, erklärte Pence.
Mehr zum Thema:
Joe Bidens Chancen auf einen Wahlsieg gegen Trump steigen, eine starke Vizepräsidentschaftskandidatin soll seine Kampagne weiter beflügeln. Die Favoritinnen würden die Demokraten ökonomisch weiter nach links rücken. Lesen Sie die Geschichte hier.