Abbau der Dieselsubventionen „Bundesregierung muss schnell Klarheit schaffen“

VW-Chef Matthias Müller stellt im Handelsblatt-Interview die Diesel-Subventionen infrage – und löst damit eine große Debatte aus. SPD und Grüne sind begeistert, während aus der CDU Kritik an Müllers Vorstoß kommt.

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Berlin Die Zweifel von VW-Chef Matthias Müller am Diesel-Steuerprivileg, geäußert im Handelsblatt-Interview, schlagen im politischen Berlin hohe Wellen. In der SPD stößt die Abschaffung der Subventionierung auf große Zustimmung. „Das ist eine charmante Idee. Ich könnte mir vorstellen, dass die Abschaffung des Diesel-Steuerprivilegs auch Gegenstand von Gesprächen über eine Große Koalition werden könnte“, sagte Bernd Westphal, wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, dem Handelsblatt.

Westphal spricht sich dafür aus, auf Diesel-Fahrzeuge im Bestand Rücksicht zu nehmen: „Selbstverständlich kann und darf man das Diesel-Steuerprivileg nicht abrupt abschaffen. Es muss Übergangsphasen geben“, sagte der SPD-Politiker. Für die Besitzer von Diesel-Fahrzeugen müsse Vertrauensschutz gelten.

Konkret hatte Müller eine schrittweise Umschichtung der Steuererleichterungen vorgeschlagen. „Das Geld könnte sinnvoller in die Förderung umweltschonender Antriebstechniken investiert werden. Abstriche bei den Diesel-Subventionen, dafür Anreize für Elektroautos, wären das richtige Signal. Das würden wir aushalten, ohne gleich Existenzängste haben zu müssen.“

Auch SPD-Mann Westphal regt an, die Einsparungen durch den Abbau von Diesel-Subventionen für andere Projekte zu verwenden. „Die Abschaffung der Steuersubvention würde finanziellen Spielraum schaffen für eine höhere Förderung des Kaufs von Fahrzeugen mit sauberen, klimafreundlichen Antrieben oder die höhere Absetzbarkeit von Pendlerkosten für Fahrzeuge mit sauberem Antrieb.“

Heftige Kritik an Müllers Vorstoß kommt dagegen aus der Union. Der CDU-Wirtschaftspolitiker Thomas Bareiß „hält nichts davon“. „Statt der Politik kluge Ratschläge zu erteilen, sollte sich Herr Müller lieber auf die Entwicklung von sauberen Autos konzentrieren“, sagte er. Millionen von Autofahrern hätten sich beim Kauf ihrer sparsamen Diesel-Autos auf eine verlässliche Dieselbesteuerung eingelassen, sagte er.

So dürfte das Diesel-Privileg tatsächlich Thema sein, wenn die Spitzen von CDU, CSU und SPD die Möglichkeit einer Großen Koalition ausloten. Der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (VZBV), Klaus Müller, forderte die kommende Bundesregierung bereits auf, sich schnell die Steuervorteile für Dieselkraftstoff vorzunehmen. „Nach dem Dieselskandal muss die Subventionierung auf den Prüfstand“, sagte Müller dem Handelsblatt. Die Verbraucher bräuchten Planungssicherheit für den nächsten Autokauf. „Ein schrittweiser Abbau der Dieselsubvention wäre sinnvoll“, sagte Müller. „Die nächste Bundesregierung muss schnell Klarheit schaffen. Wer seinen Diesel jetzt gegen einen neuen austauscht, muss wissen, was in den nächsten Jahren gilt.“


Diesel ist für die deutschen Hersteller extrem wichtig

Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer hatte bereits am Sonntag auf das Müller-Interview reagiert: „Wenn Autobosse das jetzt schon fordern, müssen Abbau von Diesel-Subvention und Blaue Plakette das Programm der nächsten Bundesregierung werden. Es kann nicht sein, dass die Politik an Subventionen festhält, die nicht mal mehr die Branche will.“ Greenpeace-Verkehrsexperte Tobias Austrup merkte an: „Die Bundesregierung wird ausgerechnet vom größten Dieselbetrüger zum Subventionsabbau angehalten – das ist etwa so, als würde der Schwarzfahrer den Schaffner bitten, das Ticket zu kontrollieren.“

Müller hatte in dem Interview für die Einführung von blauen Umweltplaketten in Städten geworben. Die Vergabe sollte an einen bestimmten Stickoxid-Wert gebunden werden. „Nur wer darunter liegt, dürfte dann auch künftig in Städte fahren“, sagte Müller der Zeitung. Nach Einschätzung des VW-Chefs müssten Politik und Automobilhersteller „alles unternehmen, um großflächige Fahrverbote zu verhindern“.

FDP-Fraktionsvize Michael Theurer wandte sich gegen die Forderung nach einer Plakette. „Denn VW hat maßgeblich den Dieselskandal verursacht für den die Autofahrer in Deutschland teuer bezahlen müssen“, sagte er dem Handelsblatt. Autofahrer mit einer Plakette zu belasten, schlage dem Fass den Boden aus.

Der Diesel ist für die deutschen Hersteller extrem wichtig. 2016 hatten etwas mehr als die Hälfte aller in der Bundesrepublik neu zugelassenen Autos der Marke VW einen solchen Motor. Bei der Oberklasse-Tochter Audi waren es sogar zwei Drittel, BMW und die Daimler-Kernmarke Mercedes-Benz kamen auf ähnliche Werte. Ein Grund für den hohen Anteil ist die deutlich niedrigere Besteuerung von Dieselkraftstoff im Vergleich zu Benzin. Der Kauf von Dieselwagen ist daher für Firmen oder Privatleute mit hoher Fahrleistung attraktiv.

Da Dieselmotoren bei vergleichbarer Leistung aber oft mehr Stickoxide als Benziner ausstoßen und ihnen deshalb in Deutschland auch bald in einigen Städten Fahrverbote drohen, fordern Experten wie die Präsidentin des Umweltbundesamtes, Maria Krautzberger, ein Ende des Steuerprivilegs. „Dieselfahrer zahlen pro Liter Kraftstoff 18,4 Cent weniger als bei Benzin - den Staat kostet diese Subventionierung mittlerweile 7,8 Milliarden Euro pro Jahr, gut dreieinhalb Milliarden davon für die Pkw-Nutzung“, hatte sie im Sommer gesagt. Selbst bei Abzug der höheren Kfz-Steuern für Dieselautos seien das rund eineinhalb Milliarden Euro vom Staat für die Selbstzünder pro Jahr.

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