Abkommen zwischen EU und Japan „Die Fahne des Freihandels hissen“

Der japanische Ministerpräsident Shinzo Abe hat für die Reise zum G20-Gipfel nach Hamburg ein besonderes Mitbringsel: ein Handelsabkommen mit der Europäischen Union. Was der Deal bringen soll.

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Der japanische Premierminister freut sich im Gespräch mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in Brüssel. Quelle: Reuters

Brüssel/Tokio Shinzo Abe wählte pathetischsten Worte: „Japan und die EU werden die Fahne des Freihandels hissen, inmitten protektionistischer Trends“, sagte Japans Ministerpräsident, als er an der Seite von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Ratspräsident Donald Tusk in Brüssel vor die Kameras trat. Auf das Erreichte sollten beide Seiten stolz sein, es sende „eine starke Botschaft an die Welt“.

Die Verhandlungsführer beider Seiten hatten alles daran gelegt, um noch vor dem am Freitag beginnenden G20-Gipfel eine Grundsatzvereinbarung über den weitreichenden Abbau von Handelsschranken auszuhandeln. Empfänger der Botschaft sollte vor allem der US-Präsident sein – Donald Trump drohte wiederholt mit Abschottungsmaßnahmen und hatte direkt nach Amtsantritt das transpazifische Handelsabkommen TPP beerdigt. „Protektionismus bietet keinen Schutz“, betonte Juncker.

Mit seiner Politik brachte Trump ungeahnten Schwung in Verhandlungen zwischen Europa und Japan, die 2013 begonnen hatten und bis dato reichlich zäh verliefen. Angesichts des Scheiterns der Zwölf-Länder-Pakts TPP wandte sich Tokio der EU zu und zeigte besonders bei der innenpolitisch heiklen Öffnung seines Agrarsektors weit mehr Kompromissbereitschaft als zuvor. Auch die europäische Seite war bereit, den japanischen Anliegen etwa für die Autoindustrie entgegenzukommen: Nach dem Trump-Schock und dem Beinahe-Scheitern des Ceta-Abkommens mit Kanada im Herbst 2016 brauchte die EU-Handelspolitik dringend Erfolge.

Mit der nötigen politischen Entschlossenheit im Rücken gelang es den Unterhändlern von EU-Kommission und japanischer Regierung fast alle politisch bedeutsamen Streitpunkte auszuräumen. Ausgeklammert werden mussten lediglich die Fragen der Schiedsgerichte für Investoren und der Datenschutz, der separat verhandelt wird. Die Arbeit an den übrigen Kapiteln des Handelsabkommens seien nur noch rein technischer Natur, heißt es in der Kommission. Bis Ende des Jahres soll der Vertrag laut Juncker ausverhandelt sein und Anfang 2019 in Kraft treten.

Der Kommissionspräsident deutete auch an, dass die EU die Bestimmungen zu den Investitionen ganz ausklammern könnte, sollte Japan sich nicht auf das Modell eines Schiedsgerichtshofs einlassen. Tokio möchte am weltweit etablierten System privater Schiedsgerichte festhalten. Die EU-Seite besteht aber auf dem erstmals mit Kanada vereinbarten Modell mit staatlich berufenen Richtern. Die als intransparent und konzernfreundlich empfundenen Schiedsgerichte hatten bei den Massenproteste im vergangenen Herbst besonders viel Kritik auf sich gezogen.

Nach der politischen Vereinbarung sollen mehr als 90 Prozent der Zölle und zahlreiche regulatorische Handelshemmnisse zwischen den beiden Wirtschaftsmächten fallen, die gemeinsam rund ein Drittel der Weltwirtschaftsleistung ausmachen. Die gesamten Exporte europäischer Unternehmen nach Japan von derzeit 86 Milliarden Euro könnten dadurch laut Kommission um bis zu ein Viertel zulegen.

Am stärksten profitieren dürften die Exporteure von Nahrungsmitteln wie Wein, Fleisch oder Milchprodukten. So fallen in Japan auf Wein derzeit 15 Prozent Zoll an, auf bestimmte Käsesorten bis zu knapp 30 Prozent. „Gerade in diesen Bereichen sind deutsche Firmen gut aufgestellt“, sagt der Chef der Außenhandelskammer in Tokio, Marcus Schürmann. So sei Deutschland etwa der größte Exporteur von Industriekäse.

Viel zu holen gibt es auch für die deutsche Autoindustrie – allerdings auch einiges zu verlieren. Neben der Vorliebe der japanischen Kunden für einheimische Marken machen den Herstellern bislang regulatorische Vorgaben stark zu schaffen. Laut EU-Kommission hat die Regierung in Tokio nun eingewilligt, diese vollständig abzuschaffen. Matthias Wissmann, der Präsident des Branchenverbandes VDA, forderte aber „verbindliche Zusagen“ seitens Japan, wann welche Hürden abgebaut würden. Im Gegenzug schafft die EU den bisherigen Einfuhrzoll von zehn Prozent auf japanische Autos ab, wenn auch erst nach einer Übergangszeit von sieben Jahren. Die europäischen Hersteller befürchten dadurch wachsende Konkurrenz. Allerdings haben Toyota, Nissan und Co längst eigene Werke in der EU errichtet, um den Zoll zu umgehen.

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