Ganz am Ende schafft es Barack Obama doch noch einmal, die Journalisten mit seiner Art zum Lachen zu bringen. Es geschieht in dem Moment, da die Kanzlerin umständlich über den schweren Abschied vom scheidenden Präsidenten erzählt und dann recht hart auf die US-Verfassung verweist: „Acht Jahre, und dann kommt ein neuer Präsident.“ Ausrufezeichen. Obama zieht die Mundwinkel nach unten – etwas versetzt, weil es erst übersetzt werden muss. Doch als Merkel ein Wiedersehen „dank der Reisefreiheit“ in Aussicht stellt, grinst der drahtige Charmeur über beide Ohren. Sekundenlang klicken die Kameras.
So verabschieden sich also zwei, die unterschiedlicher nicht sein könnten und sich trotzdem wirklich mögen. Links der eloquente Barack Obama, dessen Wasserglas die Sicherheitsleute mit einem Papierdeckel vor Giftanschlägen schützen. Rechts Angela Merkel, die eher trocken und ernst wirkende Kanzlerin, der die Scherze eher unwillkürlich unterlaufen. Beide kommen spät, aber sie nehmen sich ungewöhnlich lange Zeit für die Journalisten.
Besonders viel Zeit scheint Barack Obama zu haben. Der US-Präsident spricht langsam und leise, er wirkt trotz Charme und Scherzen nachdenklich. Etwa, als es um die Zukunft Europas geht: „Ich glaube weiterhin darin, dass die Europäische Union eine der größten Errungenschaften der Welt ist.“ Solche Errungenschaften müsse man aber kultivieren und für sie kämpfen, so Obama. In diesem Sinne solle der Austritt Großbritanniens so geräuschlos und problemlos wie möglich gestaltet werden.
Nicht nur das Projekt Europa sieht Obama in Gefahr – auch zuhause sorgt ihn ein wachsender Populismus. Es sei in Zeiten der sozialen Medien einfach, negative Attacken zu verüben und simple Slogans zu verbreiten statt komplexe Politik zu erklären. „Aber wenn wir die Seriosität von Fakten nicht mehr anerkennen, wenn wir Wahrheit nicht mehr von Lügen unterscheiden können, haben wir ein Problem.“ Dann drohe die Demokratie zu zerbrechen. Insofern müsse man Migration, Handel und Herausforderungen so gestalten, dass sich die Menschen mit den Lösungen wohler fühlen, so Obama: „Demokratie ist harte Arbeit.“
Klingt, als warne Obama vor der Zeit unter seinem Nachfolger Donald Trump. Doch den erwähnt er da gar nicht. Ihn knöpft er sich separat vor, und zwar relativ konziliant. Denn der notorische Optimist und Noch-Präsident scheint zu glauben, dass das Amt den Amtsinhaber formt und nicht umgekehrt: Die „ernsthafte Verantwortung“ dieser Funktion und die „außergewöhnlichen Anforderungen“ setzten Ernsthaftigkeit voraus, weiß Obama: „Trump wird sehr schnell feststellen, dass die Anforderungen dieses Jobs nichts sind, was man beiläufig behandeln kann.“
Das sitzt, die US-Agenturjournalisten tippen wie von der Tarantel gestochen. Doch auch einen konkreten Tipp hat Obama für diesen skeptisch beäugten Nachfolger parat, es geht um Russland. Er wünsche sich, so Obama, dass Trump nicht nur Realpolitik betreibe nach dem Motto: „Wir machen einfach Deals mit Russland, selbst wenn das internationale Normen verletzt oder kleineren Ländern schadet.“ Er hoffe, dass Trump im Weißen Haus einen konstruktiven Ansatz in den Beziehungen weiterverfolge, aber zugleich bereit sei, deutlich zu machen, wenn unterschiedliche Interessen vorhanden seien.
Das dürfte Angela Merkel gern gehört haben. Dabei wirkt die Kanzlerin distanziert, fast etwas betrügt und traurig. Das gilt selbst für den Moment, da ihm ihr „Freund“ Barack bescheinigt, sie sei „die standfesteste und zuverlässigste Partnerin, die man sich vorstellen kann“. Sie habe Augenmaß und Mitgefühl in der Flüchtlingskrise gezeigt, insgesamt aber auch Stärke, Entschlossenheit und eine konsequente Orientierung an Werten. Sogar zu einer indirekten Wahlempfehlung lässt sich Obama hinreißen: „Wenn ich ein Deutscher wäre, ich wäre Merkel-Anhänger.“
Merkel mag solche Lobhudelei nicht. Aber noch weniger mag sie den Gedanken, dass ohne Barack Obama transatlantischen Beziehungen in eine ungewisse Zukunft rauschen.