




Handys und MP3-Player werden vorerst nicht gefilzt. Dabei hatten Regierungsvertreter aus aller Welt bei den Verhandlungen über das internationale Anti-Piraterie-Abkommen Acta genau das geplant: Kontrolleure an Flughäfen und Grenzen sollten auf iPods, Smartphones oder Laptops nach illegal kopierten Musikstücken oder Filmen suchen.
Nach scharfen Protesten wurden diese Maßnahmen gestrichen. Auch an anderen Stellen wurden die Bestimmungen des Handelsabkommens deutlich abgeschwächt. Trotzdem gehen zurzeit Acta-Kritiker allerorts auf die Barrikaden. Sie fürchten um die Freiheit des Internets, haben für Samstag in mehr als 50 deutschen Städten zu Demonstrationen aufgerufen.
Deutschland setzt geplante Unterschrift vorerst aus
In Polen legten Kritiker mehrfach Internet-Seiten der Regierung lahm. Der dortige Ministerpräsident Donald Tusk und seine Amtskollegen in Tschechien und Lettland haben die Ratifizierung des Abkommens inzwischen ausgesetzt. Und auch Deutschland wird das Abkommen erst einmal nicht unterschreiben. Eine im Auswärtigen Amt bereits erteilte Weisung für die Unterschrift unter das Vertragswerk wurde wieder zurückgezogen, nachdem das Justizministerium Bedenken angemeldet hatte. Eine endgültige Entscheidung in der Sache sei dies jedoch nicht, letztlich müsste auch noch der Bundestag zustimmen. Und so hält der Protest an.
„Acta ist ein Angriff auf die Freiheit im Netz“, sagt die Vorsitzende des CSU-Netzrates Dorothee Bär. Auch Manuel Höferlin, der netzpolitische Sprecher der FDP, ist alarmiert und fordert: „Deutschland sollte Acta nicht unterschreiben.“ Er fürchtet, Internet-Provider könnten künftig gezwungen werden, den Datenverkehr ihrer Kunden zu überwachen und bei Urheberrechtsverletzungen direkt einzuschreiten.
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Ursprünglich ging es gar nicht um neue Regeln für die digitale Welt
Bisher ist ein Gerichtsbeschluss nötig, um gegen das Hoch- oder Runterladen von Raubkopien vorzugehen. „Wir können nicht ohne Gerichtsbeschluss auf Zuruf Daten unserer Kunden prüfen, doch das ist ganz klar die Absicht dahinter“, sagt Oliver Süme, Vorstand des Verbandes der deutschen Internetwirtschaft. Diese Bedenken teilen auch die Anbieter.
Dabei war mit dem Abkommen ursprünglich gar nicht geplant, neue Regeln für die digitale Welt aufzustellen. Im Kern geht es um die Bekämpfung von Produktpiraterie, das Abkommen sollte den Handel mit gefälschten Markenartikeln – vom Turnschuh bis zur Bohrmaschine – erschweren. Erst später wurde die Gültigkeit auch auf das Internet ausgeweitet. Das könnte nun das gesamte Vorhaben zu Fall bringen.
Wirtschaftsministerium prüft Warnhinweise

In der Politik ist die Verunsicherung groß. So hatte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) erst abwiegelnd erklärt, sie sehe keine Auswirkungen auf die deutsche Gesetzgebung. Nun rudert die Ministerin zurück. „Es ist notwendig und geboten, dass alle Fakten auf dem Tisch liegen“, erklärte Leutheusser-Schnarrenberger dann am Mittwoch.
Denn das Hauptproblem an Acta ist die Schwammigkeit der Formulierungen. „Die Unklarheit des Textes ist teilweise abenteuerlich“, sagt die CSU-Politikerin Bär. So könnten Befürworter und Gegner das Abkommen jeweils passend zu ihrer Position interpretieren. „Niemand weiß so richtig, was die da am Tisch wirklich ausgehandelt haben“, sagt der Jurist eines deutschen Internet-Providers.
Protest gegen geplante Netzsperren in den USA
Die Einsicht in die Protokolle der Verhandlungen würde für Klarheit sorgen, doch diese wurden bislang nicht veröffentlicht. In Verfahrensnotizen und Durchführungsbestimmungen dürfte festgelegt sein, was mit Acta eigentlich geplant ist, sagen die Kritiker wie der netzpolitische Sprecher der Grünen, Malte Spitz. Denn Acta ist nur einer von vielen politischen Vorstößen im Kampf gegen Urheberrechtsverletzungen.
Gerade erst protestierten Web-Riesen wie Google und Wikipedia gegen geplante Netzsperren in den USA. Frankreichs Regierung sperrt Wiederholungstätern nach zweimaliger Verwarnung bereits den Internet-Anschluss, im Oktober hatte Siegfried Kauder, Jurist und CDU-Bundestagsabgeordneter, das auch für Deutschland gefordert.
Ausland
Mehr Repression oder neues Urheberrecht
Nun hat das Bundeswirtschaftsministerium eine Studie der Kölner Forschungsstelle für Medienrecht veröffentlicht. Darin ließ das Ministerium die Versendung von Warnhinweisen bei Urheberrechtsverletzungen prüfen. Die Internet-Provider sollen ihren Kunden künftig Warnungen schicken, wenn diese illegale Inhalte genutzt haben. Am 15. März soll das Modell im Wirtschaftsministerium diskutiert werden. Staatssekretär Hans-Joachim Otto (FDP) lobte die Studie und will noch im ersten Halbjahr 2012 zu einer Entscheidung kommen. Doch in seiner Partei regt sich bereits Widerstand. „Internet-Provider sind keine Hilfssheriffs“, sagt die Justizministerin und erteilte dem Vorschlag eine klare Absage: „Wir wollen keine Warnhinweise.“
Auch der FDP-Netzexperte Jimmy Schulz wehrt sich. „Ich halte von diesen Modellen nichts“, sagt Schulz. Man werde des Problems durch mehr Repression nicht Herr. „Stattdessen müssen wir das Urheberrecht in der digitalen Welt grundsätzlich überdenken.“