Ägäis Zank um Zyperns Erdgas

Nach dem Schiffbruch bei den Zypern-Verhandlungen eskaliert der Streit um die Erdgasvorkommen vor der Insel. Die Türkei macht Zypern die Bodenschätze streitig und schickt Kriegsschiffe. Riskiert Erdogan den offenen Konflikt?

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Die Bohrplattform Homer Ferrington vor der Küste Zyperns wird von Noble Energy betrieben. Auch hier wurde nach Erdgas gebohrt. Quelle: dpa

Athen Am Mittwochfrüh gegen 1.30 Uhr Ortszeit war die „West Capella“ am Ziel. Das unter der Flagge Panamas fahrende Bohrschiff ging 150 Kilometer vor der südzyprischen Hafenstadt Limassol in Position. Hier, im so genannten „Block 11“, einem Seegebiet von knapp 3.000 Quadratkilometern Fläche, soll das Schiff im Auftrag des französischen Energiekonzerns Total unter dem Meeresboden nach Erdgas suchen.

Doch die Mission ist umstritten. Während die Mannschaft der „West Capella“ am Mittwoch mit den Vorbereitungen für die Bohrung begann, kreuzten etwas weiter nordwestlich türkische Kriegsschiffe und Kampfflugzeuge auf. Zwei Tage lang will die Türkei hier, vor der Südwestküste Zyperns, Manöver durchführen. Derweil sind weiter südlich der „West Capella“ griechische, französische und israelische Kriegsschiffe sowie der US-Flugzeugträger „George H.W. Bush“ mit seinen Begleitschiffen aufgefahren.

Bahnt sich im östlichen Mittelmeer eine neue Krise an? Am vergangenen Freitag waren die mehr als zwei Jahre zuvor aufgenommenen Verhandlungen über eine Wiedervereinigung des geteilten Zypern bei einem Gipfeltreffen im schweizerischen Crans-Montana gescheitert. Nun rückt der seit langem schwelende Streit um die Erdgasvorkommen vor den Küsten der Insel wieder in den Fokus. Vor der Süd- und der Ostküste Zyperns werden große Gasvorkommen vermutet. Sie könnten nicht nur Zypern mit Energie versorgen, sondern auch Westeuropa unabhängiger von Gasimporten aus Russland machen.

Es gibt Pläne zu Bau einer Pipeline, mit der Erdgas aus den Fördergebieten Israels und Zyperns durch das Mittelmeer nach Griechenland und von dort weiter nach Italien gepumpt werden könnte. Die zyprische Regierung hat in den vergangenen Jahren in Abkommen mit den Nachbarländern Israel und Ägypten, die bereits im östlichen Mittelmeer Erdgas fördern, die Wirtschaftszonen abgesteckt. Nikosia hat 13 Explorationsgebiete vor der Südküste ausgewiesen und Konzessionen für die Gas-Suche vergeben. Mit der von Total gecharterten „West Capella“ geht jetzt das erste Bohrschiff in Position.

Aber Ankara macht den Zyprern die Bodenschätze streitig. Die Türkei besetzte im Sommer 1974 den Nordteil der Insel, um eine geplante Annektierung Zyperns durch die damals in Athen regierende Obristenjunta und die befürchtete Vertreibung der türkischen Volksgruppe zu verhindern. Nachdem die Wiedervereinigungsverhandlungen vergangene Woche ergebnislos abgebrochen worden sind, scheint die Inselteilung nun auf absehbare Zukunft zementiert. Das gibt dem Streit um die Gasvorkommen besondere Brisanz.

Die Türkei unterhält keine diplomatischen Beziehungen mit der international anerkannten Republik Zypern und erkennt folglich auch deren Wirtschaftszonen nicht an. Der türkische Premierminister Binali Yildirim warnte die zyprische Regierung am Montag vor „einseitigen Schritten“. Die Energievorkommen vor den Küsten der Insel gehörten „beiden Seiten“, den griechischen Zyprern im Süden und der türkischen Volksgruppe im Norden. Sie stellt etwa ein Fünftel der Inselbevölkerung.


Türkei erhebt Anspruch auf zyprisches Gas

Noch komplizierter wird der Streit dadurch, dass die Türkei die Seerechtskonvention der Vereinten Nationen nicht anerkennt, die als Grundlage für die Festlegung der Wirtschaftszonen gilt. Ankara will nicht nur die türkischen Zyprer beteiligen, die Türkei erhebt auch selbst Ansprüche auf die Erdgasvorkommen vor Zyperns Küsten, und zwar nicht nur im Norden der Insel, wo die Wirtschaftszonen beider Länder aneinander grenzen. Ankara beansprucht auch Teile der von Zypern ausgewiesenen Blocks 1,4,6 und 7 als türkische Wirtschaftszone. Nicht zufällig finden die türkischen Marine-Manöver jetzt in dieser Region statt.

Nach Premierminister Yildirim meldete sich Anfang der Woche auch Staatschef Recep Tayyip Erdogan mit einer Drohung zu Wort: Er warnte ausländische Energiekonzerne davor, in den von Zypern ausgewiesenen Gebieten aktiv zu werden. Es sei „nicht nachvollziehbar, dass einige Energieunternehmen sich an den verantwortungslosen Aktionen der griechischen Zyprer beteiligen“, sagte Erdogan. „Ich möchte diese Firmen daran erinnern, dass sie damit die Türkei als Freund verlieren könnten.“ Erdogan nannte keine Unternehmen namentlich, aber neben der französischen Total haben unterem auch die italienische Eni, die US-Firma Noble Energy, die koreanische Kogas sowie die Konzerne Shell und ExxonMobil Lizenzen für die Gasförderung vor Zyperns Küste.

Die EU und die USA, wie auch die Nachbarstaaten Israel und Ägypten, stehen in dem Streit fest an der Seite Zyperns. Das U.S. State Department unterstrich am Dienstag, die Republik Zypern habe jedes Recht, die Bodenschätze in ihrer Wirtschaftszone auszubeuten. Frankreich stellt jetzt zwei Fregatten zum Schutz des von Total gecharterten Bohrschiffs ab. Dass die Türkei angesichts dieser Situation einen offenen Konflikt riskiert, ist zwar unwahrscheinlich. Anderseits gilt Staatschef Erdogan als unberechenbar.

Es wird einige Tage dauern, bis die „West Capella“ in ihre endgültige Position gebracht ist und die technischen Vorarbeiten abgeschlossen sind. Inoffiziell heißt es, die Bohrung könnte möglicherweise am Samstag beginnen. Das Mittelmeer ist an dieser Stelle rund 1.700 Meter tief, das Erdgasvorkommen wird rund vier Kilometer unter dem Meeresboden vermutet. Die Bohrungen sollen 72 Tage dauern, danach brauchen die Experten einen Monat für die Auswertung der Daten. Sollte die „West Capella“ tatsächlich auf Gas stoßen, dürfte der zyprisch-türkische Streit neue Nahrung bekommen.

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