Ägypten Auf der „Businessclass-Route“ für Flüchtlinge

Neben Libyen ist auch Ägypten zum Ausgangspunkt für Flüchtlinge auf dem Weg nach Europa. Die Methode der Schleuser ist raffiniert. Die EU ist besorgt und versucht, mit Kairo ins Gespräch zu kommen.

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Schleuser transportieren Schutz- und Arbeitssuchende ab Alexandria in größeren Schiffen Richtung Italien. Quelle: dpa

Brüssel Der Landweg nach Europa ist für Flüchtlinge inzwischen weitgehend versperrt, die Verbindung von der Türkei auf die griechischen Insel ist gekappt, der Seeweg von Libyen extrem gefährlich. Auf dem Weg nach Europa setzen deshalb immer mehr Menschen auf eine sicherere, wenn auch kostspielige Alternative: Schleuser transportieren Schutz- und Arbeitssuchende ab Alexandria in größeren Schiffen Richtung Italien.

Das Problem ist inzwischen so dringlich, dass sich die EU um Gespräche mit den ägyptischen Behörden bemüht. Nach Angaben der europäischen Grenzschutzagentur Frontex kamen im Mai rund 19.000 Migranten in Italien an, was zum Teil auf „eine wachsende Zahl von Abreisen aus Ägypten“ zurückzuführen sei. Der stellvertretende Leiter der Generaldirektion Migration und Inneres der EU-Kommission, Olivier Onidi, erklärte, Gespräche mit Ägypten seien nötig, „um besser zu verstehen, warum dies geschieht“.

Experten zufolge zahlen manche Migranten, viele davon Syrer, bis zu 5.000 Dollar (4.400 Euro), um Ägypten per Schiff zu verlassen. Diese Schiffe treffen sich südlich von Italien mit kleineren Booten, die aus Libyen kommen und in Richtung italienische Küste fahren. Dort steigen die Passagiere um. Manche ägyptische Polizisten sollen mit den Schleusern zusammenarbeiten.

Tuesday Reitano von der Globalen Initiative gegen transnationales organisiertes Verbrechen nennt die ägyptische Flüchtlingsroute eine Art „Businessclass-Abfahrtsort“. Während die Reise ab Libyen 1.000 bis 1.500 Dollar koste, zahlten Menschen ab Ägypten 3000 bis 5000 Dollar für „eine völlig andere Kategorie von Reise“, erklärt Reitano.


Die Fahrt nach Westen dauert länger als eine Woche

Die Fahrt nach Westen dauert länger als eine Woche. Lebensmittel und Wasser befinden sich an Bord, und die Schiffe haben eine richtige Besatzung. Anders als auf den gefährlichen Überfahrten von Libyen aus wurden von dort bislang nur wenige Fälle von Misshandlungen gemeldet. Die Route ist nicht neu, sie wird seit 2011 genutzt. Doch das Vorgehen der Schleuser, mit dem Umstieg der Migranten auf See, führt dazu, dass ihnen kaum auf die Spur zu kommen ist.

Es ist die Variation einer alten Strategie. Laut Frontex nutzten Menschenschmugglernetzwerke in Ägypten früher kleiner Fischerboote, stiegen aber vor einigen Jahren auf größere „Mutterschiffe“ mit einer Reihe kleinerer Fischerboote im Schlepptau um. Beim Verlassen Ägyptens werden die Migranten auf dem Mutterschiff transportiert.

In der Nähe der italienischen Küste werden sie auf die Fischerboote verteilt, während das Mutterschiff in den Hafen zurückkehrt. Diese Vorgehensweise macht es schwer aufzuspüren, woher die Migranten kommen und wer die Schleuser sind.

Gespräche der EU mit ägyptischen Behördenvertretern dürften nicht einfach werden. Die Union erhöht derzeit zugleich ihre Finanzhilfe für das Land im Rahmen eines Partnerschaftsprogramms mit mehreren afrikanischen Staaten. „Es ist eine sehr diskrete, sehr effektive, höchst korrupte Branche, die die ganze Zeit aus Ägypten heraus agiert“, sagt Expertin Reitano. „Sie ist sehr, sehr organisiert.“

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