Ägypten Die Moslembrüder versuchen den Aufschwung

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Subventionen verschlingen Milliarden

Mühsamer Aufbruch in die Moderne. Landwirtschaft im Nildelta Quelle: Getty Images

"Unternehmen und Mitarbeiter bei uns im Land sind tüchtig – der Staatshaushalt ruiniert alles", sagt Emad Graiss, Geschäftsführer des Pharmakonzerns Merck Serono in Kairo. Die Zahlen geben ihm recht: Mehr als jeweils ein Viertel des Staatshaushaltes geht für die Gehälter des ineffizienten öffentlichen Dienstes und für Schuldendienst drauf. Und 14 Milliarden Euro verschlingen die Subventionen, mit denen schon Diktator Mubarak und dessen Vorgänger das Volk ruhigstellen wollten. 38 Prozent dieser Subventionen sorgen für spottbillige Grundnahrungsmittel, 62 Prozent für billiges Benzin und Heizöl.

"Nur 20 Prozent des Staatshaushalts sind theoretisch für neue politische Maßnahmen verfügbar", klagt der Ökonom Samir Radwan, Finanzminister während der ersten Revolutionsmonate 2011. Damals hat er sich mit der Forderung nach Subventionsabbau bei den Generälen unbeliebt gemacht.

Diese aber fürchten den Zorn der armen Leute, wenn das Brot unbezahlbar würde, und vielleicht noch mehr die Wut der unteren Mittelklasse in Kairo, falls das Benzin auf einmal teuer wird. In Euro umgerechnet kostet der Liter Normalbenzin derzeit 23 Cent.

Moslembruderschaft fordert Politik für die Ärmsten

"Die Lebensmittel- und Heizölsubventionen ersetzen die hier nicht existierende Sozialpolitik", erklärt Rainer Herret, Geschäftsführer der Deutsch-Arabischen Handelskammer in Kairo. Eine Rechtfertigung kann das nicht sein: Von den Benzinsubventionen profitieren nicht die Armen des Landes, sondern die städtische Mittelschicht und die oft dem Militärklüngel eng verbundenen Autoimporteure. Im neuen Haushalt haben die Beamten um Finanzminister Mumtaz al-Saeed wenigstens die Subventionierung von Superbenzin gekappt.

Umgerechnet drei Milliarden Euro soll das einsparen, aber nur, wenn die Autofahrer jetzt nicht auf das nach wie vor spottbillige Normalbenzin umsteigen. Was für die meisten kein Problem sein wird: Neue und gepflegte Autos gehobener Preisklassen, die sich nur mit Super betanken lassen, sind im chaotischen Kairoer Straßendschungel so selten wie Autofahrer, die sich an Verkehrsregeln halten.

Die Wirtschaftspolitiker aus Mursis Moslembruderschaft fordern in aller Regel Politik für die Ärmsten ihrer Landsleute. Jetzt ergreifen sie zur Abwechslung die Partei der Superbenzin-Verbraucher. Aschraf Badreddin, wirtschaftspolitischer Sprecher der Moslembrüder-Partei "Freiheit und Gerechtigkeit" (FJP), bezeichnet den neuen Staatshaushalt als "politisches Komplott" gegen den Staatspräsidenten Mursi, weil dem die Ägypter demnächst alle Missstände anlasten würden, die alleine der Militärrat verbockt hat.

Dabei müsste jeder Subventionsabbau den Moslembrüdern um Mursi eigentlich recht sein. Die FJP hatte im Wahlkampf ein Wirtschaftsprogramm vorgestellt, das zumindest teilweise den Vorschlägen von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) für ein stagnierendes Schwellenland wie Ägypten entsprachen: Entwicklungsprogramme für die Landwirtschaft und Direktzahlungen an die Bauern statt subventionierten Preisen für Brot und Mehl, massive Investitionen in Bildung und Gesundheit, Straßen- und Eisenbahnausbau.

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