Ärger über Putin-Regierung Proteste im Fernen Osten Russlands reißen nicht ab

Seit einem Monat demonstrieren Tausende im Osten Russlands gegen die Festnahme eines Gouverneurs. Die Proteste richten sich auch gegen die Regierung in Moskau.

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Eine Umfrage zufolge unterstützen rund 50 Prozent der Menschen in Russland die Proteste. Allerdings beschränken sich diese bisher auf die Region Ferner Osten. Quelle: Reuters

Tausende Menschen sind am vierten Samstag in Folge im äußersten Osten Russlands für den inhaftierten Ex-Gouverneur von Chabarowsk auf die Straße gegangen. An den Protesten beteiligten sich lokalen Medien zufolge bei teils strömendem Regen aber deutlich weniger Menschen als an den Wochenenden zuvor. Die Behörden sprachen von 3500 Demonstranten. Sie hätten friedlich die Freilassung von Sergej Furgal gefordert, der in Moskau in Untersuchungshaft sitzt.

In der Stadt Chabarowsk nahe der Pazifikküste trugen viele Menschen wie in den Wochen zuvor Transparente mit Porträts des inhaftierten Politikers. Sie riefen „Ich/wir sind Sergej Furgal!“, „Furgal ist unsere Wahl!“ und „Freiheit“. Der Unmut der Demonstranten richtet sich auch gegen den Präsidenten Wladimir Putin, der den Gouverneur offiziell entlassen hatte. Es war Tag 22 der Proteste.

Demonstrationen sind in Russland wegen der Corona-Pandemie derzeit nicht erlaubt. Berichte über Festnahmen gab es zunächst nicht. Am Freitagabend seien zwei junge Demonstranten nach einer Kundgebung in Polizeigewahrsam gekommen, berichtete der Radiosender Echo Moskwy. „Wir haben keine Angst vor Festnahmen, wenn unsere Zukunft auf dem Spiel steht“, sagte eine Frau der lokalen Nachrichtenseite DVHab.ru.

Seit gut drei Wochen dauern die Proteste rund 6000 Kilometer östlich der Hauptstadt an, die sich auch gegen eine politische Bevormundung aus Moskau richten. Die Menschen halten das Vorgehen der Justiz gegen den Politiker der Liberaldemokratischen Partei Russlands (LDPR) des Ultranationalisten Wladimir Schirinowski „für politisch motiviert. Furgal hatte sich bei der Wahl vor zwei Jahren gegen den Kandidaten der Kremlpartei durchgesetzt. Er gilt als beliebt in der Region.

Die Ermittler werfen Furgal vor, er habe als Geschäftsmann vor 15 Jahren zwei Morde in Auftrag gegeben. In einem weiteren Fall sei es bei versuchtem Mord geblieben. Der 50-Jährige bestritt die Vorwürfe. Der Kreml hat Michail Degtjarjow übergangsweise als Gouverneur eingesetzt und hofft, dass die Proteste damit abebben. Degtjarjow ist ein Parteifreund Furgals. „Wenn die Region und die regionale Leitung wieder wie gewohnt arbeiten, wird sich die Situation beruhigen. Wir hoffen es“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow vor wenigen Tagen. Man beobachte die Lage weiter.

Einer neuer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Lewada zufolge sieht knapp die Hälfte der Russen die Kundgebungen im Osten des Landes positiv. 83 Prozent der Befragten hätten davon bereits gehört, ermittelten die Demoskopen. 29 Prozent schlossen nicht aus, sich auch ähnlichen Protesten in der eigenen Region anzuschließen.

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