AfD, FPÖ, Ukip Wie geht Europa mit Rechtspopulisten um?

Trotz des guten Ergebnisses der AfD in Schwerin bleibt die Regierungsverantwortung in weiter Ferne – niemand will ihr koalieren. Unsere Korrespondenten berichten, wie andere Länder mit populistischen Parteien umgehen.

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AfD-Chefin Frauke Petry und FPÖ-Boss Heinz-Christian Strache hatten sich bereits schon mal über ihre politische Rolle ausgetauscht. Quelle: Reuters

Die AfD ist bei der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern aus dem Stand die zweitstärkste Kraft geworden. Doch die anderen Parteien hatten bereits vor der Wahl die Zusammenarbeit mit der rechtspopulistischen Partei ausgeschlossen. Generell setzen die etablierten Parteien in Deutschland auf scharfe Kritik und Ausgrenzung der „Alternative für Deutschland“.

Doch wie sieht die Lage in anderen europäischen Ländern aus? Wie gehen bürgerliche Parteien mit ihren populistischen Konkurrenten um? Haben sie überhaupt die Chance, sie zu ignorieren oder sind sie für den Machterhalt schon unabdingbar? Die Handelsblatt-Korrespondenten berichten.

Front National in Frankreich: Zwischen Erfolgen und Ausgrenzung

Die Front National ist ein altbekanntes Phänomen in Frankreich. Die Partei wurde 1972 von Jean-Marie Le Pen gegründet, seit 2011 ist seine Tochter Marine Le Pen die Chefin. Die Front National (FN) wurde jahrelang beschimpft, ausgegrenzt und von anderen Parteien als radikal dargestellt. Dennoch ist die FN schon seit den 80er Jahren in Frankreich auf dem Vormarsch.

Die Partei gewann in Teilen der Bevölkerung so große Zustimmung, dass die Präsidentschaftswahl 2002 zum Schock für die Franzosen wurde: Jean-Marie Le Pen kam in die Stichwahl, unterlag dann aber haushoch Jacques Chirac, der mehr als 80 Prozent der Stimmen erhielt.

Danach versuchte Marine Le Pen, die Partei zu entdämonisieren: Sie verzichtete auf die derben, rassistischen Sprüche ihres Vaters, um die Akzeptanz in der Bevölkerung zu erhöhen. An den Inhalten hielt sie dagegen fest. Die Strategie ging auf: Marine Le Pen und die FN gewannen an Zustimmung – vor allem in Regionen Frankreichs, die ärmer sind und wo der Ausländeranteil hoch ist.

Im Umgang mit der Front National wirken die etablierten Parteien hilflos. Nicolas Sarkozy übernahm im Präsidentschaftswahlkampf 2007 sogar Themen der Rechtsextremen, unter anderem in Sachen Innere Sicherheit und Immigration. Zunächst ging diese Strategie auf, die Rechtsextremen schnitten schlechter ab als ursprünglich befürchtet.

Doch langfristig erwies sich Sarkozys Kurs als Schuss in den Ofen: Die FN und ihre Argumente wurden salonfähiger, die Partei legte in Umfragen und Wahlen zu. So erhielt Marine le Pen bei den Präsidentschaftswahlen 2012 ganze 17,9 Prozent der Stimmen. Bei den Europawahlen 2014 gelang es der FN, mit 24,8 Prozent der Stimmen die stärkste Partei zu werden. Bei den Regionalwahlen 2015 schnitt die FN mit 27,7 Prozent noch besser ab. Die Partei profitierte von den Anschlägen und der Angst vor islamistischem Terror.

Die etablierten Partei setzen beim Umgang mit den Rechtspopulisten auf Ausgrenzung – und daran hat sich in den vergangenen Jahrzehnten wenig geändert. So war die FN nicht dabei, als die Parteien nach dem Anschlag auf die Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ im Januar 2015 einen Friedensmarsch beschlossen. Gebremst werden die Rechtspopulisten vor allem durch das französische Mehrheitswahlrecht, das der FN häufig den Zugang zum Parlament versperrt.
Tanja Kuchenbecker, Paris

FPÖ in Österreich: Koalition mit den Altparteien

Die rechtspopulistische FPÖ steht bei den Bundespräsidentenwahlen in Österreich am 3. Oktober vor einem historischen Sieg. Mit Norbert Hofer könnte erstmals ein Rechtspopulist das höchste Staatsamt in der Alpenrepublik bekleiden. Die letzten Umfragen sahen einen hauchdünnen Vorsprung für den EU-kritischen Burgenländer.

In Wien gehen viele politische Beobachter davon aus, dass es der ehemaligen Haider-Partei am besten gelingen wird, ihre Anhänger für die Bundespräsidentenwahl zu mobilisieren. Die Wiederholung der Stichwahl ist bereits ein gewaltiger politischer Erfolg für die FPÖ. Denn sie hatte mit ihrer Kritik an den Unregelmäßigkeiten und Schlampereien vor dem österreichischen Verfassungsgerichtshof Recht bekommen und eine Wiederholung des Wahlduells durchgesetzt.

Der bürgerliche Gegenkandidat Alexander Van der Bellen, ehemals Chef der Grünen, wird unterdessen nur halbherzig von den beiden großen Volksparteien unterstützt. Die Kandidaten von SPÖ und ÖVP hatten es erstmals bei einer Bundespräsidentenwahl nicht einmal in die Stichwahl geschafft.

Der Aufstieg der FPÖ zu der mit Abstand stärksten politischen Kraft gefährdet die politische Stabilität Österreichs. In Wien reißen die Spekulationen nicht ab, dass es bereits im nächsten Jahr zu vorgezogenen Parlamentswahlen kommen wird. Die reguläre Legislaturperiode endet im Herbst 2018.

Der erst seit dem Frühjahr amtierende Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) versucht mit einem Rechtsruck in der Außenpolitik der FPÖ Wähler abspenstig zu machen. Der Sozialdemokrat forderte zuletzt den Abbruch der Gespräche über eine EU-Mitgliedschaft der Türkei. Der konservative Koalitionspartner ÖVP biegt ebenfalls rechts ab. Mit einer sehr restriktiven Sozial- und Innenpolitik versuchen die Konservativen den Rechtspopulisten Wähler wegzunehmen.

Der Umgang mit der FPÖ ist noch immer von großer Unsicherheit auf Seiten der Regierungsparteien geprägt. Da Ausgrenzen angesichts der großen Zustimmung in der Bevölkerung nicht mehr hilft, versuchen es SPÖ und ÖVP mit dem Einbinden der umstrittenen Partei auf Bundesländerebene. Im Burgenland haben die Sozialdemokraten mit den Rechtspopulisten eine stabile Landesregierung gebildet. In Oberösterreich regiert die ÖVP mit der FPÖ das wirtschaftsstarke Bundesland.

In einer am Sonntag veröffentlichten Umfrage des österreichischen Privatsenders ATV kommt die FPÖ auf 34 Prozent der Stimmen. Sie profitiert weiterhin vom viel diskutierten Flüchtlingsthema. Die SPÖ konnte in der Erhebung leicht auf 26 Prozent zulegen. Die ÖVP liegt bei 21 Prozent, und die Grünen kommen auf zwölf Prozent.
Hans-Peter Siebenhaar, Wien


Nationalismus und Angst

Ukip Großbritannien: Auf einmal gesellschaftsfähig

Aus Großbritannien kamen nach dem Wahlerfolg der AfD in Mecklenburg-Vorpommern sofort Glückwünsche aus den Reihen der EU-kritischen Partei Ukip. Nigel Farage – ehemals Mitglied der konservativen Tory-Partei – hatte die „UK Independence Party“ 1993 zusammen mit Gleichgesinnten aus Protest gegen den Vertrag von Maastricht gegründet. Ihr Ziel: Großbritannien aus dem Staatenbündnis herauszulösen.

1994 trat die Partei mit dem gelb-violetten Logo erstmals zur Europawahl an und bekam gerade einmal ein Prozent der Stimmen. Anfangs stand Ukip im Schatten der Referendum Party, die mehr Unterstützer und Gelder zur Verfügung hatte. Doch diese löste sich nach dem Tod des Gründers und Finanziers, Milliardär James Goldsmith, auf. Für Ukip ging es dagegen aufwärts: Bei der Europawahl im Juni 2004 erzielte die Ukip 16,8 Prozent der Wählerstimmen und zwölf Sitze im Europäischen Parlament.

Im Inland lockte Ukip – seit 2006 unter der Führung des streitbaren Farage – immer mehr Wähler von den etablierten Parteien weg: 1997 hatte die Partei gerade einmal 0,5 Prozent der Stimmen erzielt, doch später ging es stetig aufwärts. Einen Schub bekam die Partei im Herbst 2014, nachdem im südenglischen Wahlkreis Clacton der Abgeordnete Douglas Carswell die Seiten wechselte und Ukip damit den Sprung in das Unterhaus schaffte. Bei den Wahlen 2015 erreichte die Ukip 12,6 Prozent der Stimmen – deutlich mehr als zuvor, aber auch deutlich weniger als Meinungsumfragen zufolge erwartet worden war. Das Parteiprogramm war zwischenzeitlich erweitert worden – um Forderungen nach einem strengeren Einwanderungsgesetz, einer Reform des Schulsystems und einer Stärkung des Militärs.

Politiker anderer Couleur beobachteten den Aufstieg der Rechtspopulisten mit Misstrauen. Ukip sei eine „Ansammlung von meist Verrückten und Spinnern und verkappten Rassisten“, lästerte der damalige Chef der Konservativen, der spätere Premierminister David Cameron, 2006 im Fernsehen.

Farage konterte: Derartige Kommentare hätten quasi Tradition. Die Partei sei schon früher „sehr unhöflich“ zu Ukip-Anhängern gewesen, sagte er. Camerons Vorgänger Michael Howard habe sie ja auch schon als „Spinner und Nervtöter“ bezeichnet. Den Vorwurf des Rassismus – der Ukip wegen der Forderung nach strengeren Einwanderungsgesetzen immer wieder gemacht wird – wies Farage jedoch zurück.

Dennoch wanderten im Laufe der Jahre sowohl Mitglieder als auch Wähler von der Konservativen Partei und von Labour zu Ukip über. Nachdem Anfang 2015 ein Referendum über die EU-Mitgliedschaft diskutiert worden war, wurde sogar eine mögliche Koalition von Konservativen und Ukip diskutiert. Anders als früher schwieg Premier Cameron dazu, er schloss diese Option nicht aus.

In seiner Partei beeilte man sich zu erklären, dass man keineswegs mit der Ukip flirte, Cameron habe sich nur nicht zu derart hypothetischen Fragen äußern wollen. Doch diese Episode zeigt: Mittlerweile fällt es den Politikern etablierter Parteien in Großbritannien immer schwerer, Ukip zu ignorieren – selbst wenn Farage seit Mitte des Jahres nicht mehr an der Parteispitze steht.
Kerstin Leitel, London

Lega Nord in Italien: Nationalismus und gezieltes Schüren von Angst

Früher war es Folklore, heute ist es Rechtspopulismus: Die italienische Lega Nord hat seit ihrer Gründung 1989 eine programmatische Wandlung vollzogen, die sie immer stärker an den extrem rechten Rand der Parteienlandschaft führt. Der neue Kurs gefällt den Stammwählern, die immer noch hauptsächlich im Norden Italiens zu finden sind. Nach einem Einbruch im Jahr 2013, als die Partei in Umfragen auf vier Prozent abgerutscht war, kommt sie in Erhebungen von Anfang September auf rund 13,1 Prozent der Stimmen.

Damit liegt die Lega Nord auf dem dritten Platz hinter Matteo Renzis Regierungspartei Partito Democratico (PD) und dem „Movimento 5 Stelle“ des Komikers Beppe Grillo. Die Lega Nord ist auch in Regierungsverantwortung: Sie stellt den Ministerpräsidenten im Veneto und in Ligurien und zahlreiche Bürgermeister, vor allem in der Lombardei. Außerdem wurde die Partei in der Toskana, der Heimat von Italiens Premierminister Matteo Renzi, die zweitstärkste Partei.

Hinter dem Erfolg der Lega Nord steckt der 43-jährige Mailänder Matteo Salvini, seit 2013 Parteisekretär. Mit ihm endete die Ära des Lega-Gründers Umberto Bossi, der die Gründung von „Padanien“ forderte: Danach sollten sich Nord- und Mittelitalien vom „römischen“ Südteil abspalten.

Bossi forderte nicht nur die Loslösung von Süditalien, sondern war für seinen polternden Stil bekannt und Verbalattacken unterhalb der Gürtellinie. Er pflegte symbolträchtige Auftritte – in der Parteifarbe grün und mit Standarten – an „heiligen“ Orten der Lega wie der Quelle des Po.

Nach einem Korruptionsskandal trat Bossi zurück. Sein Nachfolger Salvini machte Schluss mit der Folklore und änderte den Kurs. Für das Programm und den Stil der Lega Nord ist bezeichnend, wie Salvini den AfD-Erfolg in Mecklenburg-Vorpommern kommentierte. „Ich glaube, dass es in ganz Europa wichtige Signale gibt“, sagte er am Montag, „das letzte davon ist diese Wahl in Deutschland.“ Diese sei für Merkel, Renzi, den Euro und alle Bürokraten und Freimaurer „eine gewaltige Ohrfeige“.

Salvini sagte weiter: „Jetzt sind wir bald dran: Die erste Möglichkeit einer freien Abstimmung der Italiener wird das Referendum im November sein, wo ein schönes „Nein“ Renzi und seine Leute nach Hause schicken wird.“ Bei der Volksabstimmung geht es um eine Verfassungsänderung, die bereits beide Parlamentskammern passiert hat.

Der Parteienforscher Ilvo Diamanti begründet den Erfolg der Lega Nord mit einem geschickten Mix aus Nationalismus und gezieltem Schüren von Angst. Die Wirtschaftskrise, die allgemeine Unsicherheit und hohe Migrationszahlen kämen zusammen. Diamanti spricht von „Lepenismus – in Anlehnung an Marine le Pen. Und tatsächlich orientiert sich Salvini bei seinem fremdenfeindlichen Kurs an der FN-Chefin. Nach einem Treffen mit ihr und dem Niederländer Geert Wilders postete er auf Facebook ein Selfie mit beiden und schrieb dazu: „Wir werden vor der Invasion der illegalen Migranten nicht kapitulieren.“

Im Parlament ist die Lega Nord in der Opposition – ebenso wie die Bewegung „5 Sterne“, die ebenfalls populistisch und EU-skeptisch ist, aber nicht fremdenfeindlich und weitaus erfolgreicher. Salvini verfolgt daher die Strategie, sich bei den Wählern von Berlusconis Partei Forza Italia anzubiedern, die immer weiter abrutscht. Damit soll die Lücke im rechten Spektrum gefüllt werden.
Regina Krieger, Rom


Stütze der Regierung

Schwedendemokraten: Die bürgerlichen Parteien übernehmen Vorschläge der Rechten

In Nordeuropa sind rechtspopulistische Parteien seit langem etabliert. Allerdings haben die etablierten Parteien im Umgang mit den Protestparteien ganz unterschiedliche Wege gewählt.

In Schweden, dem größten nordeuropäischen Land, sind die rechtspopulistischen „Sverigedemokraterna“ (Schwedendemokraten) zur drittgrößten politischen Kraft nach den Sozialdemokraten und den Konservativen aufgestiegen. In das schwedische Parlament hat es die Partei um ihren Vorsitzenden Jimmie Åkesson bereits vor sechs Jahren geschafft – mit EU-kritischen und zum Teil ausländerfeindlichen Parolen.

„Sverigedemokraterna“, die bei den letzten Wahlen 2014 knapp 13 Prozent erhielt, macht sich die allgemeine EU-Verdrossenheit in Schweden und die gescheiterte Integrationspolitik zunutze. Die Partei nutzt derzeit geschickt ihre Rolle als Zünglein an der Waage, da die rot-grüne Regierung von Stefan Löfvén keine Mehrheit besitzt. Zwar lehnen alle etablierten Parteien eine Zusammenarbeit mit den Schwedendemokraten ab, doch als Mehrheitsbeschaffer ist die ursprünglich aus der Neonazi-Szene hervorgegangene Partei gut genug.

Mehrere Skandale zu Jahresbeginn bremsten zwischenzeitlich den Höhenflug der Schwedendemokraten. Doch mittlerweile ist die Partei in Meinungsumfragen wieder zurück auf altem Niveau und erreicht Zustimmungswerte von mehr als 20 Prozent. In Schweden wird 2018 ein neues Parlament gewählt. Schon jetzt versuchen sowohl Sozialdemokraten als auch die bürgerlichen Parteien mit Vorschlägen zu einer deutlich restriktiveren Asylpolitik Kernforderungen der Schwedendemokraten zu übernehmen.
Helmut Steuer, Stockholm

Volkspartei in Dänemark: Die rechtspopulistische Stütze der Regierung

Während in Schweden die Schwedendemokraten offiziell von den etablierten Parteien ausgegrenzt werden, hat sich die Dänische Volkspartei beim Nachbarn Dänemark seit über zehn Jahren als offizielle Unterstützerpartei der jeweiligen Regierung etabliert.

Die Dänische Volkspartei zählt zu den ältesten rechtspopulistischen Parteien in Europa. Die Partei hat sich vor allem unter ihrer inzwischen zurückgetretenen Vorsitzenden Pia Kjærsgaard in den vergangenen Jahren zu einer starken politischen Kraft in Dänemark entwickelt, die großen Anteil an der mittlerweile äußerst restriktiven dänischen Asylpolitik hatte.

Die Mitte-Rechts-Regierung von Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen, die keine eigene Mehrheit besitzt, lässt sich bei wichtigen Abstimmungen von der rechtspopulistischen Partei unterstützen. Mehr noch: Teilweise werden Gesetzesvorlagen zusammen mit der Dänischen Volkspartei ausgearbeitet, um sich deren Unterstützung zu sichern. Eine Regierungsbeteiligung lehnt die rechtspopulistische Partei bislang ab, da sie als reine Mehrheitsbeschafferin deutlich größeren Einfluss auf die Regierungspolitik nehmen kann.

Unter den rechtspopulistischen Parteien in Europa gehört die Dänische Volkspartei zu den eher gemäßigten. So lehnt die Partei beispielsweise eine Zusammenarbeit mit der Front National von Marine Le Pen ab. Auch ist sie auf Distanz zu den Schwedendemokraten gegangen, die immer wieder mit ausländerfeindlichen Parolen in Schweden auf Stimmenfang gehen.

Bei den letzten Wahlen 2015 erhielt die Partei unter dem Eindruck der Flüchtlingskrise 21 Prozent der Stimmen und wurde zur zweitgrößten politischen Kraft im Land. Neben schärferen Asylregeln fordert die Partei zwar nicht den Austritt aus der EU, will aber den Einfluss Brüssels auf die dänische Politik stark begrenzen. Das kommt gut an im EU-skeptischen Dänemark.
Helmut Steuer, Stockholm


Mitten in der Verantwortung

Finnland: Koalition mit den Rechtspopulisten regiert

Die Rechtspopulisten nehmen in Finnland eine andere Rolle ein als im Rest Nordeuropas: Anders als in Schweden, wo die etablierten Parteien die Schwedendemokraten ausgrenzen oder in Dänemark, wo die Dänische Volkspartei als Mehrheitsbeschaffer akzeptiert wird, ist die „Partei der Finnen“ in der Regierungsverantwortung. Die Partei, die sich früher „Wahre Finnen“ nannte, gehört seit 2015 der Mitte-Rechts-Koalition von Regierungschef Juha Sipilä an.

Der charismatische Vorsitzende der „Partei der Finnen“, Timo Soini, ist sogar finnischer Außenminister. In seiner neuen Rolle tritt er gemäßigter als früher auf, er vermeidet jetzt scharfe Attacken gegenüber Flüchtlingen und der EU. Während sich einzelne Mitglieder seiner Partei mehrfach offen rassistisch geäußert haben, versucht Soini als Parteichef, verbale Entgleisungen zu vermeiden. Er setzt lieber auf die EU-Skepsis vieler Finnen.

Vor allem die Forderung, Finnland solle sich nicht mehr an den Hilfszahlungen für verschuldete EU-Mitglieder beteiligen, brachten ihm viele neue Stimmen. Bei den Parlamentswahlen 2011 gab fast jeder fünfte Wähler der Partei seine Stimme und machte die Rechtspopulisten damit zur drittgrößten politischen Kraft. Bei den letzten Wahlen erhielt die Partei immerhin noch knapp 18 Prozent der Stimmen.

Die Einbindung der rechtspopulistischen Partei in die Regierungskoalition scheint die „Partei der Finnen“ aber deutlich Stimmen gekostet zu haben: Nach einer Meinungsumfrage vom Sommer liegt die Partei nur noch bei 8,5 Prozent – das schlechteste Ergebnis seit fünf Jahren.
Helmut Steuer, Stockholm

Griechenland: Die rechtspopulistische Partei Anel sitzt in der Regierung

In Griechenland, das seit Jahren unter der Doppelkrise von Rezession und Flüchtlingsansturm leidet, sind die Rechtspopulisten fester Bestandteil der politischen Landschaft geworden. In allen Umfragen wird ein Rechtsruck bei Neuwahlen prognostiziert. Doch vorgezogene Parlamentswahlen und ein Abtritt des linken Volkstribun Alexis Tsipras sind gegenwärtig unwahrscheinlich – trotz der immer neuer Spekulationen in Athen. Der nächste reguläre Wahltermin ist Oktober 2019. Tsipras' Mehrheit ist auf drei Stimmen geschrumpft; dennoch hat der Premier bisher alle schwierigen Abstimmungen überstanden.

Der kleine rechtspopulistische Koalitionspartner Anel (Unabhängige Griechen), geführt von Verteidigungsminister Panos Kammenos, versucht sich regelmäßig zu profilieren. Anel distanziert sich vor allem in der Flüchtlingspolitik mit Law-and-order-Parolen von der linksgerichteten Regierungspartei Syriza. Bei der jüngsten Abstimmung über den Bau der ersten offiziellen Moschee in Athen stimmte Anel zusammen mit den Faschisten im Parlament gegen die eigene Regierungsvorlage; Tsipras toleriert diese Profilierungen, weil ihm kein anderer bequemer Koalitionspartner zu Verfügung steht.

Vom Unmut in der Bevölkerung über die gebrochenen Wahlversprechen des einstigen Rebellen Tsipras, der den von den internationalen Geldgebern geforderten Sparkurs früher ablehnte, profitieren die frühere konservative Regierungspartei Nea Dimokratia (ND) und die Faschisten von Chrysi Avgi (Goldene Morgenröte). Die Faschisten kommen nun in Umfragen auf acht Prozent und sind in der zersplitterten griechischen Parteienlandschaft die drittgrößte Kraft hinter ND und Syriza. Die improvisierten Flüchtlingslager im Land, wo nunmehr an die 60.000 Menschen untergebracht sind, bescheren den Faschisten weiteren Zulauf.

Markus Bernath, Athen

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