Affäre Medizinische Pflichtuntersuchung für Ausländer: Verlassen Manager jetzt Russland?

Russland verpflichtet Ausländer zu aufwändigen Gesundheitschecks – und erntet dafür internationale Proteste. Die Wirtschaft des Landes droht Schaden zu nehmen.

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Halten sich Ausländer länger im Land auf, müssen sie sich auf Krankheiten wie Tuberkulose, Drogenkonsum, Syphilis und HIV untersuchen lassen. Quelle: dpa

Russland hat mit einem international kritisierten Gesetz medizinische Pflichtuntersuchungen für Deutsche und andere Ausländer eingeführt. Diese Regelung trat am Mittwoch in Kraft.

Das von Präsident Wladimir Putin unterzeichnete Gesetz schreibt demnach aufwendige medizinische Checks wie eine Blutentnahme, Röntgen-Untersuchungen oder CT-Aufnahmen vor. Die US-Botschaft kritisierte das Gesetz als „xenophob“.

Die russische Regierung erschwere damit den Aufenthalt von Ausländern in dem Land, teilte Botschaftssprecher Jason Rebholz bei Twitter mit. Auch die Bundesregierung in Berlin äußerte Bedenken.

Die Regelung betrifft Ausländer, die sich länger als 90 Tage in Russland aufhalten. Diejenigen, die beruflich im Land sind, haben dafür nur 30 Tage Zeit. Sie müssen sich etwa auf Tuberkulose, Drogenkonsum, Syphilis und HIV untersuchen lassen. Ausgenommen sind Diplomaten, Kinder unter sechs Jahren und Menschen aus Belarus. Verpflichtend sind demnach auch Fingerabdrücke.

Nach Kritik aus dem Ausland teilte das Gesundheitsministerium in Moskau der Agentur Interfax zufolge mit, die Regelung solle geändert werden. Tests sollten dann ein Jahr gültig sein.

Die Deutsch-Russische Auslandshandelskammer (AHK) teilte mit, man hoffe weiter auf eine Abmilderung des Gesetzes. Auch die Vereinigung der Auslandskorrespondenten FCA in Moskau ist nach eigenen Angaben in Gesprächen mit den Behörden. Experten kritisierten das Gesetz als in sich widersprüchlich. Es gebe noch viele offene Fragen.

Journalistenverband appelliert an Baerbock

Die Kammer warnte vor Konsequenzen für die russische Wirtschaft, sollte die neue Regelung tatsächlich konsequent umgesetzt werden. Wenn Wirtschaftsvertreter betroffen sein sollten, bestehe die Gefahr, „dass sich für Russland wichtige ausländische Manager im großen Stil von Russland abwenden“. Die Kammer hatte zuletzt in einem Brief die russische Regierung aufgefordert, das Gesetz abzuschwächen.

Man teile die Sorge der vielen in Russland tätigen Organisationen und Unternehmen über mögliche Auswirkungen dieser Neuregelungen auf die wirtschaftliche, wissenschaftliche und zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit mit Russland, sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amts. „Wir werden diese Sorgen aufnehmen und selbstverständlich weiter mit den russischen Stellen thematisieren.“

Der Deutsche Journalisten-Verband rief Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) auf, sich für die deutschen Staatsbürger einzusetzen. Der Vize-Vorsitzende Mika Beuster sagte: „Der allgemeine Gesundheitszustand von ausländischen Journalistinnen und Journalisten geht die russische Regierung nichts an.“

Derartige erzwungene Untersuchungen seien völlig unverhältnismäßig. Beuster befürchtet zudem, dass die Untersuchungsergebnisse missbraucht werden könnten, um kritische Medienvertreter auszuweisen.

Sorge vor Strahlenbelastung

Das russische Außenministerium in Moskau teilte auf Anfrage von Korrespondenten mit, sich bei den Untersuchungen um „günstige Bedingungen“ für Medienvertreter und deren Familien kümmern zu wollen. Unklar war zunächst, was passiert, wenn jemand krank ist – ob Betroffene dann etwa das Land verlassen müssen.

Die kremlkritische Zeitung „Nowaja Gaseta“ stellte in einem Bericht über die Reform die Frage: „Geht es hierbei um die Gesundheit der Gesellschaft oder handelt es sich um Diskriminierung?“ Die russischen Behörden argumentieren, das neue Verfahren verbessere die Gesundheitslage im flächenmäßig größten Land der Erde.

Ausländer etwa aus der EU befürchten angesichts des im Vergleich zum Westen weniger gut ausgestatteten Gesundheitswesens nicht nur mögliche Behandlungsfehler, sondern auch eine unnötige Strahlenbelastung durch die geplanten Röntgenuntersuchungen.

Unklar ist auch, wie angesichts der hohen Belastung durch die Corona-Pandemie die Zwangsuntersuchungen sicher organisiert werden sollen. Zudem gilt der Datenschutz in Russland als löchrig. Immer wieder gelangen große Mengen persönlicher Daten in den freien Verkehr.

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