
Als Konsequenz aus dem Vormarsch der militant-islamistischen Taliban in Afghanistan hat die Bundesregierung beschlossen, das Personal der deutschen Botschaft in Kabul in den nächsten Tagen auf das „absolute Minimum“ zu reduzieren. Das sagte Außenminister Heiko Maas (SPD) am Freitag im baden-württembergischen Denzlingen. Es werde dazu sofort ein Unterstützungsteam in die afghanische Hauptstadt geschickt.
Die Botschaftsmitarbeiter würden mit Chartermaschinen ausgeflogen, sagte Maas weiter. Darin würden auch afghanische Ortskräfte, die früher für die Bundeswehr oder Bundesministerien gearbeitet haben oder heute noch für sie arbeiten, ausgeflogen. Zwei Charterflüge waren dafür bis Ende des Monats geplant.
Diese würden nun vorgezogen, sagte Maas. Er bekräftigte, dass die Visaerteilung für die Ortskräfte in Deutschland erfolgen werde, um den Prozess zu beschleunigen.
„Alle weiteren Maßnahmen werden wir mit unseren internationalen Partnern in den nächsten Tagen abstimmen“, sagte Maas. Er rief alle Deutschen auf, das Land sofort zu verlassen. Eine hohe zweistellige Zahl deutscher Staatsbürger sind noch im Land.
Die Beschlüsse wurden vom Krisenstab der Bundesregierung gefasst, der am Freitag angesichts der dramatischen Lage in Afghanistan zusammengekommen war.
Die USA hatten bereits am Donnerstag die Reduzierung ihres Botschaftspersonals und die Entsendung von rund 3000 zusätzlichen Soldaten an den Flughafen in Kabul angekündigt. Ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums schloss nicht aus, dass auch Bundeswehrsoldaten zur Absicherung einer Rückholaktion zum Einsatz kommen könnten. Die Bundeswehr halte Kräfte bereit, die „im Falle eines Falles zur Verfügung stehen“, sagte er.
Entwicklungsprojekte werden ausgesetzt
Das Entwicklungsministerium setzt alle Projekte in den von den Taliban eroberten Gebieten Afghanistans aus. „Die Projektmittel der deutschen Entwicklungszusammenarbeit werden nicht in Taliban-Gebieten eingesetzt“, sagte Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) am Freitag in Berlin. Die entsprechenden Projekte seien schon vorübergehend gestoppt worden oder würden noch gestoppt. „Die Sicherheit aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der deutschen Entwicklungszusammenarbeit hat absolute Priorität.“
Gleichzeitig forderte Müller eine Verstärkung der humanitären Hilfsmaßnahmen für Flüchtlinge innerhalb Afghanistans. „Mit Sorge bewerten wir die aktuell katastrophale humanitäre Lage von Kindern und Flüchtlingen in Afghanistan und den angrenzenden Staaten“, sagte er. „Eine Verstärkung der internationalen Hilfsmaßnahmen in der gesamten Region ist aktuell dringend notwendig.“
Deutschland hat Afghanistan alleine für dieses Jahr 430 Millionen Euro Hilfe zugesagt. Maas hatte bereits angekündigt, dass davon kein weiterer Cent fließen werde, wenn die Taliban die Macht übernehmen.
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