Afghanistan, IS und Taliban Kabul bewaffnet Zivilisten

Der afghanische Präsident Aschraf Ghani will die Terrormiliz IS und die Taliban stärker bekämpfen. Dazu greift der Präsident jetzt zu einer ungewöhnlichen Maßnahme: Er bewaffnet die Zivilbevölkerung.

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Jetzt muss die Zivilbevölkerung ran: Der afghanische Staat bewaffnet in Teilen des Landes seine Zivilbevölkerung. Quelle: AFP

Kabul Die afghanische Regierung bewaffnet in der Provinz Nangarhar Zivilisten für die Bekämpfung der radikalsunnitischen Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Das sagte der Kommandeur eines in Nangarhar stationierten Armeekorps, General Nasim Sangi, der Deutschen Presse-Agentur.

Die Zivilisten würden in Dörfern rekrutiert, die während einer großen Offensive jüngst aus der Hand des IS befreit worden seien. Die neuen, „Aufstandskräfte“ genannten Bürgerwehren sollten aber nicht nur gegen den IS, sondern auch gegen die Taliban Schutz bieten.

Bisher habe der Nationale Sicherheitsrat etwa 650 Mann für 18 neue Sicherheitsposten in vier Dörfern bewaffnet: in Deh Sarak, Schadal und Chas Atschin im Bezirk Atschin sowie in Abdul Chel im Bezirk Nasian. Es könnten aber mehr werden, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums, Mohammad Radmanisch. Sie hätten Kalaschnikow-Sturmgewehre, Panzerfäuste und russische Maschinengewehre des Typs Dechtjarow Schpagin erhalten und seien kurz an den Waffen eingewiesen worden.

Alle Männer seien Bewohner des jeweiligen Dorfes, das sie beschützen sollten. Derzeit würden sie von der örtlichen Polizei kontrolliert. Bisher habe es keine Probleme gegeben. Später sollten sie in die Polizeitruppe ALP integriert werden.

Die ALP (Afghan Local Police) werden in Dörfern als letzte Verteidigungslinie gegen die Taliban eingesetzt. Sie sind oftmals Milizen, die unter dem Kommando lokaler Kriegsherren stehen. Weil ihre Ausbildung oberflächlich ist und sie nur schwach kontrolliert werden, gab es in der Vergangenheit massive Probleme. Die Uno warf ihnen schwere Menschenrechtsverletzungen vor.


Armee muss aufgestockt werden

Der afghanische Präsident Aschraf Gani war mit dem Versprechen angetreten, die Milizen zu disziplinieren und nach Möglichkeit abzuschaffen. Nach dem scharfen Anstieg der Taliban-Gewalt 2015 machte er eine Kehrtwende. Im vergangenen Jahr war bereits die Rede davon gewesen, dass die 30 000 Mann starke ALP um mindestens 15 000 Mann aufgestockt werden müsse.

Die Maßnahme soll den konstanten Schwund der Kampfkraft durch Desertionen, Tod und Verletzung helfen. Die Quote liege mittlerweile bei monatlich acht bis zehn Prozent, heißt es aus Sicherheitskreisen. Derzeit fehlten den afghanischen Streitkräften etwa 25.000 Mann, sagte jüngst Nato-Sprecher Wilson Shoffner. In den vergangenen Tagen hatten sich Armee und Polizei aus mehreren Gegenden in den umkämpften Provinzen Helmand und Urusgan zurückziehen müssen, um Kräfte für Angriffe besser bündeln zu können.

Der Einsatz „Schahin 18“ gegen den IS in Nangarhar hatte mit internationaler Luftunterstützung vor etwa fünf Wochen begonnen. Das Ziel sei gewesen, IS-Kämpfer aus ihren Kerngebieten zu vertreiben, sagte Sangi. Nach unterschiedlichen Angaben von Medien und Ministerien sollen 130 bis 218 IS-Kämpfer getötet worden sein.

Der IS hat große Teile Syriens und des Iraks erobert und dort ein Kalifat ausgerufen. In Ländern wie Libyen wurden „Provinzen“ des Kalifats geschaffen. Wie in anderen mehrheitlich sunnitischen Staaten versucht der IS auch in Afghanistan Gebiete zu erobern; er gerät damit zunehmend in Konflikt auch mit den Taliban.

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