Afghanistan USA halten an Plänen für Abzug fest

Die US-Militärmaschinerie ist das Rückgrat des Nato-Einsatzes in Afghanistan. Nun will Washington einen großen Teil der Soldaten aus dem Land abziehen – obwohl sich die Lage zuletzt drastisch verschlechtert hat.

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Die Sicherheitslage in dem Land hat sich seit dem Abzug der Nato-Kampftruppen Ende 2014 drastisch verschlechtert. Quelle: dpa

Berlin/Kabul Die USA halten trotz der schlechten Sicherheitslage in Afghanistan an ihren Abzugsplänen fest. Derzeit seien noch 9800 US-Soldaten in dem Land im Einsatz, sagte der US-Botschafter bei der Nato, Douglas Lute, in einer Telefonkonferenz vor dem Außenministertreffen der Militärallianz am Donnerstag und Freitag in Brüssel. „Zum Jahresende werden wir diese Zahl auf 5500 reduziert haben.“ Etwa 3400 dieser verbleibenden Soldaten würden dem Nato-Einsatz Resolute Support unterstellt, der sich der Ausbildung und Beratung der afghanischen Sicherheitskräfte widmet, aber keinen Kampfauftrag hat. Die afghanische Regierung unterzeichnete unterdessen einen Vertragsentwurf mit der islamistischen Hisb-i-Islami, der zu einem Friedensabkommen mit der Gruppe des einflussreichen Kriegsfürsten Gulbuddin Hekmatiar führen könnte.

Die USA leisten separat vom Nato-Einsatz bisher auch Luftunterstützung für die einheimischen Sicherheitskräfte. Zudem erledigen US-Spezialkräfte weiter Kampfaufträge. Beides gilt als entscheidend dafür, wie sich die Sicherheitslage künftig entwickelt. Lute äußerte sich nicht direkt dazu, welche Absichten die USA mit Blick auf ihre Spezialkräfte und die Luftunterstützung verfolgen. Wenn jedoch nur 3400 der verbleibenden 5500 Soldaten der Nato unterstellt sind, spricht dies dafür, dass zumindest ein Teil der restlichen Soldaten Spezialkräfte sind, die weiter im Land bleiben. Lute sagte, die Entscheidungen über die Aufstellung der Nato in Afghanistan ab 2017 würden erst beim Gipfel der Allianz Anfang Juli in Warschau fallen.

Die mächtige US-Militärmaschinerie ist das Rückgrat des Nato-Einsatzes in Afghanistan. Die übrigen Staaten sind von ihr abhängig. Derzeit sind rund 950 deutsche Soldaten vor allem im Norden Afghanistans im Einsatz. Ihr Hauptauftrag ist die Beratung und Ausbildung der einheimischen Sicherheitskräfte. Die Sicherheitslage in dem Land hat sich seit dem Abzug der Nato-Kampftruppen Ende 2014 drastisch verschlechtert.

Die Hisb-i-Islami spielte im Kampf der radikal-islamischen Taliban gegen die afghanische Regierung und die ausländischen Truppen in den vergangenen Jahren nur eine untergeordnete Rolle. Die Vereinbarung mit der Regierung dürfte daher zunächst kaum konkrete Auswirkungen auf die Sicherheitslage in Afghanistan haben. Für den afghanischen Präsidenten Aschraf Ghani hat das Abkommen vor allem symbolischen Wert: Es belegt, dass er damit vorankommt, Aufständische wieder in den politischen Prozess einzubinden, obwohl sich eine ähnliche Einigung mit den Taliban bislang nicht abzeichnet.

Den Mitgliedern der Hisb-i-Islami soll nach dem Vertragsentwurf eine Amnestie angeboten werden. Außerdem müsste sich die afghanische Regierung bei den Vereinten Nationen (UN) dafür einsetzen, die Gruppe von einer Schwarzen Liste der UN zu streichen. Die Hisb-i-Islami würde dann zwar nicht in die Regierung eintreten, sie würde jedoch als politische Partei anerkannt und in größere Entscheidungen eingebunden.

Hekmatiar diente in den 90er Jahren zeitweise selbst als Ministerpräsident Afghanistans. Er steht auf der Terrorliste der USA. Der Hisb-i-Islami werden massive Menschenrechtsverstöße vor allem während des Bürgerkriegs Anfang der 90er Jahre vorgeworfen. Sie soll außerdem 2013 einen Anschlag in Kabul verübt haben, bei dem zwei US-Soldaten, vier zivile Mitarbeiter eines privaten Dienstleisters der US-Armee und acht Afghanen getötet wurden.

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