Al-Abadi droht Niederlage Geistlicher liegt bei Wahl im Irak vorn

Im Irak zeichnet sich ein Wechsel ab: Moktada al-Sadr, Sohn eines hohen schiitischen Geistlichen, liegt vor Regierungschef Al-Abadi. Al-Sadr gilt als kontroverse Figur.

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Irak News: Aktuelle Meldungen zum Staat in Vorderasien Quelle: AP

Bagdad Bei der Parlamentswahl im Irak führt nach Auszählung von über der Hälfte der Stimmen der einflussreiche schiitische Prediger Moktada al-Sadr. Den Angaben der Wahlkommission zufolge folgt ihm der Anführer der wichtigsten Schiiten-Miliz im Land, Hadi al-Amiri, der enge Beziehungen zum Iran pflegt.

An dritter Stelle liegt der Wunschkandidat des Westens, Regierungschef Haider al-Abadi. Seine „Koalition des Sieges“ konnte in keiner der ausgezählten Provinzen einen der ersten beiden Plätze erreichen. Die restlichen Ergebnisse und die Verteilung der 329 Sitze im Parlament werden jedoch erst in den nächsten Tagen bekannt gegeben. Deshalb kann es noch zu Verschiebungen kommen.

Sollte sich die Tendenz bestätigen, hätte Sadr ein überraschendes Comeback geschafft. Der Kleriker führte von 2003 bis 2011 einen Aufstand gegen die US-Truppen im Land. Sowohl Sadr als auch Amiri gewannen in jeweils vier der bislang ausgezählten zehn von insgesamt 18 Provinzen des Irak. Allerdings vereinte Sadr in Bagdad weitaus mehr Stimmen auf sich. Der Hauptstadt kommt wegen der höchsten im Parlament zu vergebenen Sitze eine besondere Rolle zu. Zu den Sitzen äußerte sich die unabhängige Wahlkommission nicht. Das wolle sie am Montag bei der offiziellen Verkündigung des Ergebnisses tun.

Wer die Wahl im Irak gewinnt, wird sich mit den Konsequenzen des Ausstiegs der USA aus dem Atomabkommen mit dem Iran befassen müssen. Dies dürfte die ohnehin fragile Region weiter destabilisieren, in der der Iran als Schutzmacht der Schiiten und Saudi-Arabien als Schutzmacht der Sunniten um die Vorherrschaft ringen.

Die Iraker hatten am Samstag erstmals seit dem Sieg gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) ein neues Parlament gewählt. Die Wahlbeteiligung erreichte mit 44,5 Prozent ein historisches Tief: Es war die niedrigste seit der ersten freien Wahl nach dem Sturz von Langzeitherrscher Saddam Hussein im Jahr 2003. Beobachter machten dafür eine weit verbreitete Politikverdrossenheit verantwortlich. Vor vier Jahren hatte die Beteiligung rund 60 Prozent erreicht.

Der 44 Jahre alte Al-Sadr, Sohn eines hohen schiitischen Geistlichen, gilt als kontroverse Figur. Nach Saddams Husseins Sturz bekämpfte seine Mahdi-Armee die US-Besatzungstruppen mit Gewalt. In den vergangenen Jahren wandelte er sich zu einem der schärfsten Kritiker des politischen Establishments. Er wehrt sich gegen den starken iranischen Einfluss auf die Politik im Irak. Vor zwei Jahren stürmten seine Anhänger das Parlament in der schwer geschützten Grünen Zone. Al-Sadr hat vor allem in den armen Regionen des Iraks viele Anhänger. Für die Wahl ging er ein Bündnis mit den Kommunisten ein.

Al-Abadi hatte im Wahlkampf mit dem Sieg gegen den IS unter seiner Führung geworben. Der 66-Jährige versprach zudem, sich für einen Ausgleich zwischen der Mehrheit der Schiiten und der Minderheit der Sunniten einzusetzen. Viele Sunniten fühlen sich diskriminiert. Der Regierungschef ist seit fast vier Jahren im Amt.

Al-Abadi hatte im Dezember den militärischen Sieg über den IS erklärt. Große Teile des Iraks sind zerstört. Der Wiederaufbau kommt nur langsam voran. Der Weltbank zufolge werden dafür in den nächsten Jahren rund 88 Milliarden Dollar (rund 71 Milliarden Euro) benötigt. Nach UN-Angaben sind zudem noch immer mehr als zwei Millionen Menschen im Land vertrieben. Auch IS-Zellen sind weiterhin aktiv.

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