Bundeskanzlerin Angela Merkel lehnt zu strenge Grenzwerte beim CO2-Ausstoß von Neuwagen durch die EU-Kommission mit Blick auf die heimischen Autobauer ab. Denkt sie zu kurz?
Ich verstehe, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel unter enormem Druck der Wirtschaft steht. Deutschland ist in vielen Punkten beim Klimaschutz – etwa beim Ausbau der erneuerbaren Energien – Vorreiter. Aber im Verkehr müssen wir umweltfreundlicher werden. Das ist ein Bereich, in dem wir noch viel zu viele Emissionen in die Atmosphäre blasen. Im Transportwesen müssen wir mehr tun, in den USA und auch in Deutschland.
Wie dringend ist es, dass wir uns bewegen?
Wir müssen jetzt handeln. Der April war der 350. Monat in Folge, in dem die durchschnittliche Temperatur über dem Vergleichswert des 20. Jahrhunderts (Mittel aus allen April-Durchschnittswerten von 1901 bis 1999) lag. Wetterextreme nehmen zu: Dass wir vermehrt Überschwemmungen, Taifune und Dürren erleben – in den USA, in Europa, überall auf der Welt – ist kein Zufall. Wir haben die Möglichkeiten, mit Erneuerbaren Energien sauberen Strom herzustellen. Der Ausbau der Solar- und Windenergie ist eine Investition in die Zukunft, die sich auszahlt. Auch wirtschaftlich. Die Produktionskosten von Solarstrom werden immer günstiger, sie sinken weltweit um 15 Prozent pro Jahr.
Mit Erneuerbaren Energien allein lässt sich der Strombedarf etwa in Deutschland aber noch nicht decken. Was halten Sie von der Kernkraft als Ergänzung zur Solar- und Windenergie?
Ich war zu Beginn meiner politischen Karriere, Mitte der 1970er-Jahre, der Kernenergie aufgeschlossen gegenüber. Ich habe Atomkraftwerke immer als umweltschonende und kostengünstige Möglichkeit gesehen, Strom herzustellen. Der GAU von Tschernobyl hat mich natürlich zum Nachdenken gebracht. Wie sicher ist diese Technologie? Auch Fukushima ist so ein Einschnitt. Ich kann den Wunsch der deutschen Bevölkerung verstehen, sich von der Kernenergie zu verabschieden. Die Frage ist: wie schnell. Und wie sicher können wir Kernkraftwerke machen? Die Technik entwickelt sich immer weiter. Wenn die Forschung neue Konzepte vorlegt, wie wir Meiler vor Anschlägen oder Wetterextremen schützen können, ist eine Abschaltung von sicheren und sauberen Kraftwerken sicher diskutabel. Ich glaube, wenn wir Atomkraftwerke sicherer und profitabler machen, gehört die Kernenergie zu einem Energiemix dazu.
Glauben Sie, dass die Gesellschaften die Zeichen der Zeit erkannt haben und umsteuern werden – oder wird der Planet durch die Menschen zerstört?
Ich bin Optimist. In der Politik muss man immer optimistisch sein. Und es gibt ja auch durchaus positive Signale. Die Erneuerbaren Energien werden günstiger und sind auf dem Vormarsch. Die Bürger fordern ihre Regierungen in vielen Ländern der Welt auf, umweltschonende Politik umzusetzen. Wir brauchen weltweite Verträge, wir brauchen verpflichtende Zusage, die Treibhausgase zu verringern und den weltweiten Temperaturanstieg so weit wie möglich zu begrenzen. Ich will keine Panikmache betreiben. Aber klar ist auch: Wir stehen an einem entscheidenden Punkt der Geschichte: Wir müssen jetzt handeln.