Al-Qaida Dem Geld der Terroristen auf der Spur

Bin Laden ist tot, die Einnahmequellen des Terrors sprudeln weiter – denn die Geldtransfers sind schwer zu verfolgen. Wie islamische Fundamentalisten ihre Anschläge finanzieren.

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Ein Mohnbauer in Lashkar Gah, Quelle: AP

Sage keiner, Terroristen hätten keinen Sinn fürs Geld. Als im November zwei Bombenpakete aus dem Jemen, adressiert an US-Synagogen, abgefangen wurden, werteten die Urheber – al-Qaida auf der arabischen Halbinsel – das als Erfolg: Insgesamt 4200 Dollar habe die Sendung gekostet, aber westliche Länder würden nun Milliarden Dollar für neue Sicherheitsmaßnahmen ausgeben.

Massenmord muss nicht teuer sein, und Geld spielt für Attentäter keine Rolle. Denn die Einnahmequellen des globalen Terrorismus sprudeln weiter – auch nach dem gelungenen Ende der "Operation Geronimo" in der vergangenen Woche, die Osama Bin Laden tötete. Alle Demokratien tun sich weiterhin schwer damit, den Staatsfeinden den Geldhahn abzudrehen – und daran wird sich wenig ändern. Zu raffiniert sind die Terroristen, zu schwerfällig die Staaten.

Vor dem 11. September 2001 war der Kampf gegen die Terrorfinanzierung kein Thema. Zwar hatten die Vereinten Nationen 1999 eine Konvention aufgelegt, doch bis zu den Attacken auf die Twin Towers hatten diese gerade einmal vier Staaten unterzeichnet. Mittlerweile gehören der zuständigen Financial Action Task Force immerhin 34 Staaten an. Verdächtige landen auf einer Liste, ihr Vermögen wird eingefroren. Derzeit stehen darauf 400 Einzelpersonen und Unternehmen.

Lukrativer Drogenhandel

Diese Erfolge weckten die Hoffnung, den islamistischen Terroristen könnte zumindest der monetäre Boden entzogen werden. Ende 2009 sagte David Cohen, Experte des US-Finanzministeriums: "Al-Qaida ist in der schwächsten finanziellen Verfassung seit Jahren." Auch mag die Vermutung stimmen, dass der Millionenerbe Bin Laden in den vergangenen Jahren an Einfluss verlor und zuletzt nur noch etwa zehn Prozent zum Budget von al-Qaida beigetragen hat, wie der Ökonom Friedrich Schneider von der Universität Linz zu wissen glaubt. Er beruft sich für seine Zahlen auf statistische Analysen, in die er eine große Menge öffentlich zugänglicher Daten eingespeist hat.

Doch vor allem die islamistischen Terroristen in aller Welt haben ihr Geschäftsmodell in den vergangenen Jahren diversifiziert. Die Hälfte des al-Qaida-Vermögens von etwa fünf Milliarden Dollar stamme aus dem Drogenhandel in Afghanistan, schätzt Schneider. Der Rest komme aus dem Diamantenhandel in Afrika, Entführungen, Piraterie, Waffenhandel, Schmuggel oder eigens zu diesem Zweck gegründeten Wohltätigkeitsorganisationen. Niemand weiß, wie viel Geld die Gruppen tatsächlich haben. "Wir kennen die Hauptadern der Geldflüsse, bei den Details tappen fast alle im Dunkeln", sagt Uwe Kranz, Ex-Präsident des Thüringer Landeskriminalamts.

Etwa die Hälfte aller Terrorgruppen ist in den Drogenhandel verwickelt, heißt es im US-Außenministerium: die Taliban in Afghanistan, der Islamische Dschihad in Palästina, Lashkar-e-Taiba in Pakistan oder Jemaah Islamiyah in Indonesien. Ein einträgliches Geschäft: Nach UN-Schätzungen belaufen sich die weltweiten Einnahmen pro Jahr auf etwa 500 Milliarden Dollar. Türkische und arabische Extremisten sammeln bei Landsleuten im Westen.

Nach Erkenntnissen der Ermittlungsbehörden gibt es keine speziellen Transferwege für Terrorgelder – die Extremisten nutzen einfach jene, die auch Geldwäscher und Steuerhinterzieher bevorzugen – vom Aktenkoffer voller Geld über Pseudo-Banken bis zum Vertrauensnetzwerk Hawala. Dahinter verbirgt sich ein orientalisches Finanzsystem, das seine Ursprünge im 14. Jahrhundert hat. Überweisungen werden hierbei nie direkt verschickt, sondern über einen unverdächtigen Mittelsmann.

Katz und Maus

Ähnlich funktionieren Geldtransferanbieter wie Western Union, über die auch Zahlungen der Hamburger Terrorzelle an die Attentäter des 11. September flossen. Nach dem Anschlag auf das World Trade Center geriet der Konzern erheblich unter Druck. Nun muss immerhin jeder Einzahler und Empfänger ab einem gewissen Betrag seinen Ausweis vorlegen, die internen Kontrollen wurden verschärft.

Vollends unübersichtlich wird es durch den Siegeszug des elektronischen Geldes. Im arabischen Raum boomt das Internet-Zahlungssystem CashU, vergleichbar mit Paypal. Auch fingierte Ebay-Geschäfte wurden bereits als Geldtransfer enttarnt. Und in der Terroristen- und Piratenhochburg Somalia läuft der Zahlungsverkehr fast ausschließlich über Hawala und die Telefonfirmen. Banken gibt es dort praktisch nicht mehr. In Internet-Zahlungen, Geld- oder Prepaid-Telefonkarten sehen die Experten der Bundesregierung "das große Einfallstor. Da hält die Regulierung mit Blick auf die Geldwäsche nicht mit". Weil die Karten unbegrenzt aufgeladen werden können und Zollbeamten nicht gemeldet werden müssen, eignen sie sich perfekt für Terroristen.

Deutschland möchte zumindest die Verkaufsagenturen für solche Karten der Geldwäsche-Aufsicht unterstellen – zwar nicht einzelne Kioske oder Tankstellen, wohl aber deren Muttergesellschaften, also beispielsweise die Mineralölkonzerne. Beim Verkauf von Geld- oder Prepaid-Karten müsste dann der Name des Kunden registriert werden, sofern die Karte nicht nur für Kleinbeträge oder zum Kauf eigener Produkte des Anbieters taugt.

Madrid 2004 Quelle: AP

Ausländische Geldinstitute, die hierzulande Vertriebswege und Verkaufsagenturen aufbauen, will die Bundesregierung zwingen, reguläre Zweigstellen zu gründen – diese unterlägen dann der Bankenaufsicht. Damit stießen die Deutschen bei ihren EU-Partnern allerdings auf Widerstand. Vor allem Großbritannien will laxe Regeln – denn dort und auf Malta haben etliche Geldkarten-Emittenten ihren Sitz.

Immerhin ist die deutsche Regierung mit ihrem Frust nicht allein. Vor wenigen Monaten veröffentlichte die Enthüllungsplattform Wikileaks Korrespondenz der US-Außenministerin Hillary Clinton, in der sie sich über die mangelnde Unterstützung ärgert. In der Golfregion gibt es gar keine Standards für die Kontrolle der Kartenausgabe. Die Vereinigten Arabischen Emirate lieferten den Terroristen Freiraum, Katar unternehme so gut wie gar nichts, Spender aus Saudi-Arabien seien "die wichtigste Geldquelle für sunnitische Terrorgruppen weltweit". Die USA allerdings plädieren für eine Freigrenze von 1000 Dollar, damit die Zahlungen der illegalen Hispanics an die Verwandten in Mexico nicht zusammenbrechen.

Lebensversicherung für Attentäter

Damit bleibt es bei einer Art globalem Katz-und-Maus-Spiel. Die Staaten müssen noch enger kooperieren – und auf die Naivität der Terroristen hoffen.

Bei einem deutschen Versicherungskonzern schlossen Terrorhelfer Lebensversicherungen ab – mit pauschalem Einmal-Beitrag auf künftige Selbstmordattentäter. Mit der Versicherungssumme, so ihr kreatives Kalkül, sollten die Hinterbliebenen finanziert und das als Versicherungsprämie eingezahlte Geld transferiert werden. 

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