„Alexander Maersk“ Weiteres Schiff mit Migranten wartet vor Italien auf Hafeneinfahrt

Die neue populistische Regierung in Italien geht hart gegen Flüchtlinge vor. Immer mehr Schiffe mit geretteten Migranten warten vor den Häfen.

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Rom/Stockholm „Lieber Matteo Salvini, wir haben kein Fleisch an Bord, sondern Menschen.“ Vom deutschen Rettungsschiff „Lifeline“ kommen auch am Sonntag wieder Aufrufe, dass Italiens Innenminister - ja ganz Europa - ein Herz zeigen solle. Seit Donnerstag ist das Boot der Dresdner Organisation Mission Lifeline auf dem Mittelmeer blockiert.

Ein weiteres Schiff mit im Mittelmeer geborgenen Migranten wartet auf die Einfahrt in einen Hafen in Italien. Das dänische Containerschiff mit 113 Flüchtlingen an Bord erwarte Anweisungen, wie ein Sprecher der Maersk Line am Samstag sagte. Die „Alexander Maersk“ sei vor der Küste Siziliens. Auch am Sonntagmorgen war nicht klar, wann das Boot anlegen darf. Der Unternehmenssprecher sagte, die Migranten seien am Freitag gerettet worden, nachdem die italienische Küstenwache Maersk alarmiert hätte.

In der Nähe von Malta wartet die Besatzung mit rund 230 Migranten an Bord auf ein Ja aus einem europäischen Land, anlanden zu dürfen. Doch wie schon bei dem Rettungsschiff „Aquarius“, das vergangene Woche nach viel Hin und Her schließlich nach Spanien fahren durfte, schieben sich die Politiker gegenseitig die Verantwortung zu.

„Es scheint, dass die Weltpolitik auf dem Rücken dieser Menschen ausgetragen wird“, sagte Kapitän Claus-Peter Reisch. In einem Video der Organisation ist zu sehen, wie Männer dicht an dicht auf Deck sitzen. Die Lage sei vergleichsweise ruhig, so Reisch, auch den vier Säuglingen mit ihren Müttern gehe es gut.

Die Menschen an Bord der „Lifeline“, darunter 16 deutsche Besatzungsmitglieder, hatten bisher noch Glück: Das Wetter ist gut. „Wenn wir drei Meter hohe Wellen bekommen, haben wir ein Problem. Dann müssen wir alle nacheinander an den Tropf hängen“, sagte Mission Lifeline-Mitgründer Axel Steier der Deutschen Presse-Agentur. Für die Migranten sei es vor allem wichtig, aus Libyen entkommen zu sein. „Sie haben Folterungen, Vergewaltigungen hinter sich. Sie kommen aus Häusern, wo sie ohne Fenster monatelang eingesperrt waren.“

Die neue italienische populistische Regierung setzt auf eine Verzögerungstaktik und hofft so, dass sich irgendwann in Afrika herumspricht, dass die Route über das Mittelmeer dicht ist. Es sei keine Provokation, sondern man wolle Europa „wachrütteln“, sagte Außenminister Enzo Moavero Milanesi. Zu lange hätten sich die anderen EU-Staaten mit Solidaritätsbekundungen begnügt.

Dass es aber im Migrationsstreit bald eine Lösung gibt, davon geht kaum einer aus. Auch das Sondertreffen von 16 EU-Staaten am Sonntag in Brüssel stand unter schlechten Vorzeichen.

Besonders Innenminister Salvini von der rechten Lega provoziert. Migranten nannte er unlängst „Menschenfleisch“. Mit der „Ware“ Mensch wollten die Seenotretter als „Vize-Schlepper“ Geld verdienen. Den Rettern droht er mit Festnahmen und Beschlagnahmung ihrer Schiffe.

„Die Rettung auf hoher See ist nie ein Verbrechen“, sagte Kapitän Reisch dazu. „Ich würde gerne Herrn Salvini einladen, eine Fahrt mit uns zu machen, damit er die Lage mit eigenen Augen sieht und dann darüber sprechen kann.“ Wenn er ihn festnehmen wolle, dann solle er persönlich an Bord kommen.

Salvini ist ein Politiker, der die Klaviatur der Medien perfekt zu nutzen weiß. Und seine Politik kommt bei vielen Italienern, die sich in den letzten Jahren von Europa im Stich gelassen fühlten, gut an. Nicht zufällig blockiert er ausgerechnet dieses Wochenende die Schiffe, denn es sind Stichwahlen in mehreren Kommunen in Italien. Die Lega hofft so auf noch mehr Stimmen.

Die Lage ist verfahren. Die „Lifeline“ hat laut italienischer Regierung die Migranten entgegen der Anweisungen aus Rom aufgenommen. Demnach sollte sich die libysche Küstenwache um die Migranten kümmern - was für die Migranten der Weg zurück in die „Hölle“, vor der sie geflohen sind, bedeuten würde. Die Dresdner sehen sich dennoch im Recht: Sie haben aus ihrer Sicht nach Seerecht gehandelt und die Schiffbrüchigen aufgenommen.

Auch das nahe gelegene Malta will die Migranten nicht und fühlt sich nicht zuständig, weil es die Rettung nicht koordiniert habe - so das wackelige Argument.

Der Innenminister des kleinen Inselstaates, Michael Farrugia, warf Italien „Unmenschlichkeit“ vor. Jahrelang war es unter der sozialdemokratischen Vorgänger-Regierung in Rom üblich, dass die Migranten direkt nach Italien gebracht wurden - selbst wenn Malta näher lag. Spekuliert wurde über diverse Deals, wonach Italien im Gegenzug Rechte für Ölbohrungen oder Überflugrechte von Malta erhalten haben soll. Eine Bestätigung gab es dafür nie. Mit der neuen Regierung in Rom weht jedenfalls ein anderer Wind.

Doch warum bringen die NGOs die Flüchtlinge zum Beispiel nicht ins nicht allzu weit weg gelegene Tunesien? „Weil das kein sicherer Hafen ist. Es gibt in Tunesien keine Asylverfahren, sondern Kettenabschiebungen“, sagt Mission Lifeline-Mitbegründer Steier.

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