Alle gegen Doha Skurrile Anti-Katar-Show zum Start der Münchener Sicherheitskonferenz

Eine dubiose Oppositionsgruppe macht in München Front gegen das Land der Fußball-WM 2022. Ein Blick hinter die Kulissen der Schattenkrieger.

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München „Diplomatie der arabischen Öffentlichkeit“ – so nennt sich eine Gruppe, die im Vorfeld der am Freitag beginnenden Münchner Sicherheitstagung über Katar aufklären will. Doch anders als der Name vermuten lässt, ist die Gruppe dem Wüstenstaat nicht freundlich gesinnt, sondern erhebt heftige Vorwürfe gegen das Land.

Im Schatten der Münchner Sicherheitstagung wolle man die Chance nutzen, der Welt zu erklären „wie der kleine Staat Katar seine horrende Menge Geld nutzt, um Terrorismus überall auf der Welt zu finanzieren“, sagte Ahmed Khattab, ein früherer ägyptischer Botschafter im noblen Charles Hotel in München am Vortag der Sicherheitstagung.

Bei näherem Nachfragen stellt sich die freundliche Gruppe angeblich öffentlicher Diplomatie selbst dar als „Egyptian Arabien General and Popular Diplomacy“. Neben dem vor vier Jahren in Rente gegangenen ägyptischen Ex-Botschafter Ahmed Khattab sind auch Staatsbürger der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und Bahrains dabei und saudische TV-Sender.

Sie werfen dem weltgrößten Flüssiggasexporteur vor, Finanzierer des weltweiten Terrors zu sein. Europa müsse Druck machen auf Katar, das einzustellen, dem Land die Fußball-WM wegnehmen und „alle Gas-Verträge mit Katar kündigen“, fordert die Ägypterin Nancy Ahmad vom Washington Institute for Strategic Political Studies. Da lachen sogar die Übersetzer, weil sie die Forderung an die USA richtet, die selbst Flüssiggas exportieren. Applaus bekommt sie trotzdem, denn im Raum sitzen gut zwei Dutzend Münchner Studenten – meist vom Balkan oder aus der Ukraine.

Einige gehen später ans Rednerpult, wie „Miss Maria“, die mit starkem Akzent vom Blatt abliest: „Germany must stop it“, fordert die junge Ukrainerin, die noch nie in Katar war, Deutschland auf, Druck auf das Land zu machen.

Die jungen Leute erinnern an die „Jubelperser“, die der frühere persischen Schah zum Deutschlandbesuch 1967 mitgebracht hatte. Einige der Jugendlichen – alle in schwarz gekleidet – räumen später ein, für ihre Teilnahme an der angeblichen Konferenz bezahlt worden zu sein. Meist sitzen sie da, puhlen an ihren Fingern oder tippen in ihre Mobiltelefone.

Die Anti-Katar-Show erinnert an eine historische Parallele: Im Oktober 1990, kurz vor der US-Invasion im Irak, berichtete ein Mädchen namens „Nayirah“ vor dem Menschenrechtskomitee des US-Kongresses unter Tränen, sie habe bei ihrer Arbeit als kuwaitische Hilfskrankenschwester gesehen, wie die irakischen Soldaten mit Gewehren in das Krankenhaus kamen, die Säuglinge aus den Brutkästen nahmen, die Brutkästen mitnahmen und die Kinder auf dem kalten Boden liegen ließen, wo sie starben.

Erst nach dem Krieg wurde bekannt, dass sie die fünfzehnjährige Tochter des kuwaitischen Botschafters Saud Nasir as-Sabah in den USA war. Ihr Vater saß bei „Nayirahs“ Aussage vor dem Kongress als Zuhörer im Publikum. Ihr Bericht war frei erfunden und die Jugendliche hatte dort nie gearbeitet.

Ziel des Kampfes unter der Gürtellinie sei, „dass Saudi-Arabien, die VAE und ihre Bündnispartner gehofft haben, dass die Blockade Katars zu einem Aufstand der Bürger dort gegen den Emir führt“. Das sagten westliche Diplomaten sowohl in der saudischen Hauptstadt Riad wie in Katars Metropole Doha übereinstimmend dem Handelsblatt.

Nun legen offenbar hauptsächlich aus Ägypten organisierte Propagandisten mit zusammengeschnittenen Filmen, die Terror-Finanzierung beweisen sollen, und Pressekonferenzen, die ganz offensichtlich mit bezahlten Claqueuren gespickt sind, in München nach. „Wir machen das jetzt überall“, kündigte der ägyptische Ex-Botschafter Khattab an. Vor München war die Truppe gerade in Warschau in selber Sache unterwegs.

Tatsächlich laufen – seit im Juni vorigen Jahres Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain und Ägypten eine Blockade gegen Katar verhängt haben – auch die gegenseitigen Beschuldigungen auf Hochtouren. Kampagnen dubioser PR-Firmen inklusive. So flog gerade auf, dass für eine Anti-Katar-Tagung in London ein britischer Unterhausabgeordneter fürstlich entlohnt wurde.

Daniel Kawczynski, Abgeordneter von Mays Partei, hat dem Abgeordnetenregister für finanzielle Zuwendungen für die britischen Abgeordneten zufolge, zwei Überweisungen zu je 10.370 Dollar erhalten. Zahler war die kleine PR-Firma Akta Group.

Organisiert wurde die Konferenz zum Katar-Bashing von dem im Londoner Exil lebenden katarischen Geschäftsmann  Khalid al-Hail. Er ist Gründer einer Oppositionspartei namens Qatar National Democratic Party. Er kämpft für ein Ende der absoluten Monarchie in seiner Heimat, den Abgang des jungen Emirs Tamim Al-Thani.

In München, wo Emir Tamim am Freitag mit UNO-Generalsekretär Antonio Gutteres, Nato-Chef Jens Stoltenberg und dem einflussreichen US-Senator John McCain auf der Sicherheitstagung auftritt, kamen zwar einige junge Studenten auf der Anti-Katar-Konferenz zu kurzen, meist mit Ablesefehlern garnierten Redebeiträgen.

Zwei deutsche Mittelständler, die ebenfalls eingeladen worden waren, nahmen aber davon Abstand, dort zu reden. Eine obskure Veranstaltung sei dies, sagte ein Unternehmer dem Handelsblatt unter der Bedingung, nicht namentlich zitiert zu werden.

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