Die Wahl von Donald Trump zum 45. Präsidenten der USA bescherte den Aktionären der großen US-Fluglinien ein unerwartetes Glück. Zwar sackten die Anteile der Branchenführer American Airlines, Delta Air Lines, United Airlines und Billigflug-Primus Southwest Airlines am Mittwoch erst kräftig ins Minus. Doch am Abend notierten alle wieder im Plus.
Der Sieg des Optimismus hat zwei Gründe. Zum einen gilt die Branche nach einer Reihe von Zusammenabschlüssen als kerngesund und Vorbild für andere Linien. „Die Fusionen sorgen für eine gesündere Industrie und besseren Service“, lobten etwa Lufthansa-Chef Carsten Spohr, Ryanair-Boss Michael O’Leary und EU-Transportkommissarin Violeta Bulc in ungewohnter Einigkeit. Dazu kommt nun die Hoffnung, dass sich mehr Amerikaner ein Flugticket leisten. Das könnte der Fall sein, wenn Trump mit seinem angekündigten Ausgabenprogramm die US-Binnenkonjunktur anschiebt und gleichzeitig für die großen amerikanischen Fluggesellschaften die Konkurrenz durch ausländische Unternehmen deutlich begrenzt.
Doch diese Euphorie ist trügerisch. Zum einen sollten sich gerade die Konsumenten über die hohe Konzentration in der Branche nicht allzu sehr freuen. „Die Zusammenschlüsse haben auch spürbare Nachteile“, sagt Rajesh Bose, Partner und Flugspezialist des Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsunternehmens Deloitte. So zahlen die Kunden der US-Linien laut einer Übersicht des Marktforschungsunternehmens CH-Aviation aus dem schweizerischen Chur heute rund ein Viertel mehr pro Flugkilometer als beim Beginn der aktuellen Fusionswelle im Jahr 2005.
Auch die Aktionäre konnten sich zuletzt nur verhalten freuen: Nach wenigen fetten Jahren sanken die Gewinne der US-Fluglinien zuletzt wieder. Manche Aktien wie Delta verloren bis zu 20 Prozent ihres Wertes. Und eine am Donnerstag veröffentlichte Studie der Investmentbank HSBC unterstreicht die Risiken, der von Trump angekündigten Abschottungspolitik für Unternehmen und Kunden. Die Studie befürchtet, dass die anhaltende Unsicherheit und ein durch Protektionismus ausgelöster Rückgang im Welthandel die Airlines stärker trifft als andere Branchen.
Damit droht eher ein Ende eines Aufschwungs, der seinen Ursprung um die Jahrtausendwende hatte. Bis zum Jahr 2000 gab es rund ein Dutzend größerer Linien. Keine von ihnen hatte mehr als zehn Prozent Marktanteil. Als jedoch der erste Internet-Boom im Jahr 2000 endete und nach den Terroranschlägen des 11. Septembers 2001 die Nachfrage einbrach, rutschte die Branche in eine tiefe Krise.
Doch dann sanierten sich die Marktführer alle nach demselben Prinzip. Zuerst entledigten sie sich in Gläubigerschutzverfahren geschickt ihrer wichtigsten über die Jahre angehäuften Altlasten: Teure Tarifverträge kündigten sie, Schulden wurden gestrichen und Leasingverträge für Flugzeuge annulliert. Das US-Konkursrecht macht dies möglich. Dadurch sanken die Kosten um gut zehn Prozent. Die 2005 als „Sick Six“ (Kranke Sechs) verlachten internationalen Linien wurden neben den vielen Billigfliegern wieder konkurrenzfähig.
Skytrax-Ranking: Die besten Airlines der Welt
Hainan Airlines
Vorjahr: Rang 12
Etihad Airways
Vorjahr: Rang 6
Lufthansa
Vorjahr: Rang 10
EVA Air
Vorjahr: Rang 8
Cathay Pacific
Vorjahr: Rang 4
Emirates
Vorjahr: Rang 1
ANA All Nippon Airways
Vorjahr: Rang 5
Singapore Airlines
Vorjahr: Rang 3
Qatar Airways
Vorjahr: Rang 2
Im zweiten Schritt schluckten die drei großen internationalen Anbieter American, Delta und United kleinere Wettbewerber. American kaufte den Verbund US Airways/America West, Delta nahm Northwest und United sicherte sich Continental Airlines. Selbst Southwest sicherte sich Air Tran.
Das Ergebnis: Die größten vier Fluglinien haben heute beim Verkehr innerhalb der USA einen Marktanteil von 82 Prozent. Dagegen kommen Europas Top vier Ryanair, Lufthansa, Air France-KLM und die British-Airways-Mutter IAG lediglich auf 46 Prozent.
So nutzen die US-Airlines ihre Macht
Die mächtiger gewordenen Airlines nutzten ihre Größenvorteile. Zuerst senkten in Vertrieb und im Betrieb die Kosten zu senken. Dann setzten sie am Service den Rotstift an und feuerten bis zu gut einem Drittel des Personals in Verwaltung und Kundendienst. Extragepäck wurde teuer, kostenlose Verpflegung an Bord gestrichen. Investitionen in besseren Service wie neue Sitze schoben die Flugriesen erstmal auf die lange Bank. Weil das alle taten und die Billigflieger eher noch strenger waren, mussten die Kunden mangels Alternativen weiterhin bei den Marktführern buchen.
Dann strafften die Riesen ihr Angebot. Sie stellten viele Flüge ein und halbierten die Zahl ihrer Drehkreuze. Statt kleiner Maschinen schickten sie nun größere Flugzeuge mit engerer Bestuhlung. Die fliegen pro Kunde deutlich günstiger. Das erlaubte Kampfpreise, falls sich doch mal ein neuer Wettbewerber auf den Markt wagt.
Für die US-Marktführer hat sich das erstmal gelohnt. Statt Verlusten verbuchten sie seitdem lange deutlich mehr als zehn Prozent vom Umsatz als Gewinn. Zuvor schaffte das weltweit nur ein Unternehmen mehrmals hinter einander: Irlands Billigflieger Ryanair.
Die Schattenseiten des Erfolgs für die Passagiere erleben wenige so unmittelbar wie Candace McGraw, Chefin des Flughafens Cincinnati. „Früher gab es zwischen fast allen Großstädten der USA Direktverbindungen. Heute müssen die Kunden fast immer irgendwo umsteigen und verlieren viel Zeit“, sagt die studierte Juristin. Cincinnati an der Grenze zwischen Ohio und Kentucky hatte lange Zeit als Delta-Drehkreuz für den Norden der USA Verbindungen in fast alle Teile der Welt. 2008 aber schluckte die Heimatlinie ihren Wettbewerber Northwest. Das Gros der Flüge startete künftig nicht mehr von Cincinnati, sondern von den größeren Airports Detroit oder Minneapolis. Als einziges Langstreckenziel blieb Paris. So sank die Passagierzahl von gut 20 Millionen pro Jahr auf zuletzt kaum sechs Millionen.
"Alle Linien leiden unter sinkenden Durchschnittspreisen"
Doch inzwischen kommt das US-Modell an seine Grenzen. „Alle Linien leiden seit zwei Jahren unter sinkenden Durchschnittspreisen“, heißt es in einer Studie des auf die Branche spezialisierten Marktforschers CAPA aus Sydney. Weil die großen drei – American, Delta und United – beim Service so brutal gespart haben, dass sie Economy-Passagieren stellenweise weniger bieten als die Billigflieger Southwest oder Jetblue, müssen sie auch bei deren Kampfpreisen mithalten.
Dazu kommen steigende Kosten. Um das lukrative Langstreckengeschäft nicht weiter an Linien mit besserem Service aus Europa, Asien und der Golfregion zu verlieren, mussten zuletzt auch die US-Riesen viele Milliarden in neue Jets und eine bessere Einrichtung investieren.
Auch die Personalausgaben klettern. Weil schon die Verbindung der IT-Systeme der fusionierten Fluglinien aufwendiger war als erwartet, wollten die Unternehmen zusätzliche Probleme durch unzufriedene Mitarbeiter oder Streiks verhindern – und hoben die Löhne wieder an.
Trump-Effekt sorgt für Wende bei den Aktienkursen
Nun sorgte der Trump-Effekt für eine scheinbare Wende zumindest bei den Aktienkursen. Doch laut Andrew Lobbenberg, Flugspezialist der Investmentbank HSBC, hilft das den Airlines am Ende wohl nicht.
Dafür sorgt zum einen die Befürchtung, dass die von Trump angekündigte Mischung aus Mehrausgaben und Beschränkungen für Handel und Einwanderung auf die Flugnachfrage drücken.
Zwar könnte die amerikanische Binnennachfrage dank höherer Staatsausgaben tatsächlich steigen. Doch das dürfte mehr als wettgemacht werden, wenn die Abschottung auf den besonders lukrativen Langstrecken in Richtung Europa und Asien die zuletzt ohnehin schwächelnde Nachfrage weiter drückt. Protektionismus schadet besonders dem Geschäftsreiseverkehr, wo auch bei den US-Linien pro Ticket im Schnitt viermal so viel hängen bleibt wie bei Urlaubern.
Zwar könnte es den amerikanischen Linien helfen, wenn die neue US-Regierung gleichzeitig die Flugrechte von Golflinien wie Emirates aus Dubai und Langstrecken-Billigfliegern wie Norwegian einschränkt. Doch ob das durchkommt, ist ungewiss.
Zum einen sind die US-Marktführer dank ihrer hohen Preise und dem Magerservice nicht besonders beliebt im Ausland - und erst recht nicht innerhalb der USA. Dagegen drängen die deutlich populäreren kleineren US-Linien wie Jetblue auf eine weitere Liberalisierung der Flugrechte, weil die aggressiv wachsenden ausländischen Neulinge ihnen mit zusätzlichen Passagieren die Maschinen füllen und auf den Langstrecken nach Übersee für mehr Wettbewerb mit sinkenden Preisen sorgen.
Dazu haben Emirates und Co. mit ihrer Mischung aus Top-Service und niedrigen Preisen auch viele Fans in anderen Branchen. Die Flugriesen aus Übersee gehören – anders als American, Delta und United - zu den Großabnehmern der US-Flugzeughersteller wie Boeing und der Zulieferer wie GE oder UTC. Diese Industrieriesen gehören zu den größten Exportunternehmen des Landes.
Durch Beschränkungen im Handel könnten Auftragen und damit Jobs zu Wettbewerber aus Europa und Asien wandern. Somit dürfte am Ende auch der aktuelle Aufschwung der US-Linien bald aufhören. „Die Unsicherheit ist einfach zu groß“; so urteilt den auch das US-Branchenmagazin „Aviation Week“ heute.