Amerika, du Waffennarr Die USA werden ihr Waffenproblem nie in den Griff bekommen

Nach größeren Attentaten wird in den USA immer wieder der Ruf nach schärferen Waffengesetzen laut. Passieren tut in der Regel nichts. Quelle: AP

Aufgeschreckt durch das Schulmassaker in Florida will die US-Regierung eine leichte Verschärfung der Waffengesetze. Das wird – falls überhaupt umsetzbar – nichts bringen. Der Waffenfluss in den USA ist längst unkontrollierbar.

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Der „Bump Stock“ soll verboten werden. Der Schnellfeuerkolben, keine 100 US-Dollar teuer, erhöht die Schussfolge einer Waffe – und aus einer halbautomatischen Waffe wird ein Maschinengewehr. Der Attentäter von Las Vegas nutze den Plastikaufsatz, um im Herbst vergangenen Jahres auf einem Konzert Jagd auf Menschen zu machen. Schon damals wurde der Ruf nach schärferen Waffengesetzen laut. Doch erst das aktuelle Massaker an einer High School in Florida – ohne die Vorrichtung – ließ US-Präsident Donald Trump nun handeln. Der Republikaner, seit Wahlkampfzeiten eigentlich ein Verfechter liberaler Waffengesetze, will den „Bump Stock“ aus den Geschäften zu verbannen. Das Justizministerium soll ein entsprechendes Verkaufsverbot vorbereiten.

Dass es dazu kommt, ist mehr als fraglich. Ein entsprechendes Gesetz müsste im Kongress eine Mehrheit finden. Und der diskutierte schon oft strengere Regelungen, ja selbst ein Verbot der Dauerfeuer-Aufsätze. Das Problem: Es blieb beim Debattieren. Den Worten folgten keine Taten und keine neuen, wirksamen Gesetze gegen den Wahnsinn. Selbst in Florida, dem Ort des jüngsten Massakers, lehnte das Parlament dieser Tage eine Verschärfung des äußerst laxen Waffenrechts ab. 71 Abgeordnete stimmten gegen strengere Regeln, nur 36 Parlamentarier für Änderungen.

Selbst wenn sich Donald Trump durchsetzen sollte und es zu einem Verbot der Schnellfeuerkolben – das jeder vernünftige Mensch nur befürworten kann – kommen würde: Amerika bleibt ein Land der Waffennarren. Und die Gefahr für weitere Amokläufe ist dramatisch hoch, wie die nackten Zahlen zeigen: Die USA stellen 4,4 Prozent der Weltbevölkerung, besitzen aber 42 Prozent aller Schusswaffen auf dieser Erde – über 270 Millionen. 31 Prozent aller Amokläufe mit Schusswaffen werden von Amerikanern verübt.

Der Zusammenhang zwischen einer hochgerüsteten Gesellschaft und Tötungsdelikten ist offenkundig. Adam Lankford, Professor an der Universität von Alabama, hat etwa herausgefunden, dass die Gefahr überfallen zu werden in London ähnlich hoch ist wie in New York. Einzig: Die Gefahr bei einem Raubüberfall getötet zu werden, ist in der US-Metropole 54 Mal höher als in der britischen Hauptstadt. Für solche Argumente aber ist ein Teil der US-Amerikaner nicht empfänglich. Sie wollen schlicht nicht von ihren Waffen weg. Bestes Beispiel: Nach Amokläufen steigt die Zahl der Waffenkäufe dramatisch – aus Angst vor künftigen Einschränkungen. Unmittelbar nach der Ankündigung Trumps, „Bump Stocks“ verbieten zu wollen, brach so auch die Website von „Slide Fire Solutions“ zusammen, dem größten Händler von Schnellfeuerkolben in den USA. Der Grund: nie gesehene Zugriffszahlen.

Kurzum: Wer einen „Bump Stock“ haben möchte, hat ihn längst. Noch einmal: Ein Verkaufsverbot macht Sinn, kann aber nur der erste Schritt sein. Die USA müssen den Waffenbesitz dramatisch einschränken, wenn das Land wirklich seine Bürger schützen will. Einige Bundesstaaten versuchen dies, etwa New York. Wer hier eine Schusswaffe kaufen möchte, braucht eine Lizenz. Die gibt es nur gegen eine recht hohe Gebühr, und erfordert das Vorsprechen bei der Polizei und einem „background check“, bei dem die Eignung des Kandidaten getestet wird, eine Waffe zu besitzen. Dieses Prozedere dauert in der Regel drei bis sechs Monate. Wer dann überhaupt noch das Okay bekommt, darf legal eine Pistole oder ein Gewehr kaufen – aber (zumindest in der Großstadt New York City) nicht in der Öffentlichkeit tragen. Eine Schusswaffe hat im Alltag nichts zu suchen – diese Selbstverständlichkeit versuchen die Behörden in New York durchzusetzen. Das Problem: Die Nachbarn machen nicht mit, und verhindern eine wirklich waffenfreie Zone.

Was der Waffenbauer Heckler&Koch (in den USA) verdient

Während New York, aber auch andere Staaten wie Connecticut oder Kalifornien, recht strenge Waffengesetze haben, sind andernorts die Vorschriften mehr als lax. Auf „gun shows“ in Florida, Missouri oder Pennsylvania können Einheimische munter mörderisches Werkzeug kaufen. In der Regel zwar nur Bürger mit einem Pass aus dem entsprechenden Bundesstaat. Doch es gibt Zweifel, ob jeder Verkäufer genau hinschaut, wer bei ihm Kunde ist oder ob nicht Freunde einen Kauf für die Bekannten tätigen – oder die Waffe schwarz in New York verkaufen. Im Auto lassen sich die Schusswaffen schließlich kinderleicht durchs ganze Land transportieren. Laut New Yorker Behörden stammen 74 Prozent der Waffen im Bundesstaat nicht aus New York, sondern wurden andernorts gekauft, und zwar zu 90 Prozent in diesen sechs Staaten: Florida, Georgia, North Carolina, Pennsylvania, South Carolina und Virginia.

Solange es in den USA keine flächendeckenden Einschränkungen gibt, und davon ist das Land meilenweit entfernt, können auch die progressiven Bundesstaaten nichts ausrichten. Solange einzelne Bundesstaaten das Recht, eine Waffe zu tragen, über das Recht auf Leben stellen, wird es weitere Tötungsdelikte mit Schusswaffen im Kleinen wie im Großen geben. Mit oder ohne „Bump Stock“.

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