Im 177 Seiten langen Koalitionsvertrag sind die Passagen zu China mit die interessantesten. Das Bündnis von SPD, Grünen und FDP, das sich selbst zur Koalition des Aufbruchs aufgeschwungen hat, kündigt darin einen radikalen Bruch mit der China-Politik der Vorgängerregierung an. Von systemischer Rivalität ist die Rede und von enger transatlantischer Abstimmung im Umgang mit China.
Bevor die Ampel-Partner noch mit dem Regieren beginnen, kommen allerdings schwere Zweifel daran auf, wie ernst es Kanzler Olaf Scholz (SPD) mit diesem härteren Kurs gegenüber China meint.
Im September hatte bereits SPD-Generalsekretär Lars Klangbeil gesagt, dass sich die China-Politik von Scholz eher an der seiner Vorgängerin orientieren werde als am harten US-Kurs. Nach Informationen der WirtschaftsWoche hat Scholz dann Mitte Oktober Chinas Präsident Xi Jinping über den EU-Ratspräsidenten Charles Michel ausrichten lassen, dass er Merkels pragmatische Politik fortführen werde. Dies bestätigen Diplomaten in Brüssel und Berlin übereinstimmend.
Scholz sagte an diesem Dienstag auf Nachfrage zunächst öffentlich, er habe mit Xi keine bilateralen Gespräche geführt. Er dementierte damit aber etwas, was nie jemand behauptet hatte. Auf WirtschaftsWoche-Anfrage ließ er kurz darauf über seinen Sprecher entschieden dementieren, dass er persönlich oder über Dritte Botschaften an Xi verschickt habe. EU-Ratspräsident Michel hingegen hat die Darstellung der WirtschaftsWoche nicht zurückgewiesen.
Der künftige Kanzler mag gute Gründe für seine Realpolitik gegenüber China haben. Vermutlich sind ihm Wirtschaftsinteressen wichtiger, als er das öffentlich darstellen mag. China einen pragmatischen Kurs zuzusichern, um anschließend einen Prinzipien geleiteten Koalitionsvertrag zu unterschreiben, grenzt indes an Schizophrenie. Die eigenen Bündnispartner noch vor dem Amtsantritt zu hintergehen, wird sich rächen.
Am Schluss wird von der Uneinigkeit der Ampel-Koalitionäre vor allem einer profitieren: China.
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