Analyse Platzt der Atomdeal mit dem Iran, droht ein fataler Domino-Effekt

Heikle Verhandlungen in Wien: US-Präsident Trump will den Atomdeal mit Teheran kappen. Schon droht Saudi-Arabien mit der Entwicklung eigener Nuklearwaffen.

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Berlin Es könnte das letzte Aufbäumen sein: In Wien verhandeln die Vertreter der Außenministerin der fünf UN-Vetomächte und Deutschlands mit dem Iran über den Erhalt des Nuklearabkommens. Seit Freitagmorgen tagen die Vertreter in Wien, darunter der neue deutsche Außenamts-Staatssekretär Rainer Michaelis.

Sie haben einen mächtigen Gegner: Donald Trump. Der US-Präsident ist fest entschlossen, den von seinem Vorgänger Barack Obama mit ausgehandelten Atomdeal mit Teheran platzen zu lassen.

„Miesester Deal aller Zeiten“, hatte Trump das Abkommen, das als größter außenpolitischer Verhandlungserfolg vor allem der Europäischen Union gilt, schon im Wahlkampf denunziert.

Zudem erklärte der erratisch agierende Chef des Weißen Hauses, nachdem er seinen Außenminister Rex Tillerson diese Woche per Twitter gefeuert hatte, vor den laufenden Rotorblättern seines Hubschraubers: „Wir hatten einige Widersprüche. Ich halten den Iran-Deal für schrecklich, er hielt ihn wohl für okay.“ Am kommenden Dienstag kommt auch noch Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman, der momentan wohl wichtigste Gegenspieler Teherans, nach Washington. Salman will Trump zum Bruch des bei Irans arabischen Nachbarn verhassten Atomabkommens bewegen.

MbS, wie der erst 32-jährige Thronfolger aus Riad nur genannt werden will, droht bereits mit der Entwicklung eigener Atomwaffen und nennt Irans Religions-und Revolutionsführer, Ajatollah Ali Chamenei, einen „neuen Hitler“. Dieser setze auf eine Expansion im Mittleren Osten.

Nun ringen die Unterhändler in Wien um eine Formel, wie der Atomdeal trotz eines tobenden Trumps erhalten werden kann. Der US-Präsident hatte seine europäischen Partner aufgerufen, sie sollten „nachbessern“, sonst werde er das Abkommen aufkündigen.

Mit Nachbessern meint Trump ein Ende des iranischen Raketenprogramms, das nicht Teil des Atomdeals war. Zudem sollten die iranischen Militär- oder Undercoveraktionen in Syrien, Jemen und dem Libanon gestoppt werden.

Teheran droht mit harter Antwort

Aus Teheran ist indes zu hören, dass „wir uns auf diese Forderungen niemals einlassen“. Das sagte ein hochrangiger iranischer Diplomat dem Handelsblatt. Teheran lasse sich nichts diktieren und werde „hart zurückschlagen“, wenn Washington einseitig das Abkommen aufkündige.

Es droht ein fataler Domino-Effekt: Es stünde wohl die Wiederaufnahme des iranischen Atomprogramms auf der Tagesordnung. Zu erwarten ist zudem die Drohung Riads, eigene Atomwaffen zu entwickeln. Hinzu kommt Israels ohnehin seit einiger Zeit bestehende Ankündigung, notfalls militärisch gegen Irans atomare Ambitionen vorzugehen.

Das Atomabkommen wurde im Juli 2015 nach 13 Jahren Verhandlungen abgeschlossen, und trat im Januar 2016 in Kraft. Damit hat der Iran sich verpflichtet, alles hoch angereicherte Uran außer Landes zu bringen und die weitere hochgradige Anreicherung zu stoppen.

Nur für medizinische und Energie-Zwecke darf Teheran noch Nuklearmaterial benutzen. Im Gegenzug hoben die Europäer, Russen und Chinesen die Sanktionen gegen Iran auf, die USA aber nur zu einem kleinen Teil. Ein Großteil amerikanischer Strafmaßnahmen – wie das Verbot, in Dollar Geschäfte zu machen, oder sich in die US-Finanzmärkte einzubringen – blieb einseitig in Kraft.

Der Grund: Washington warf Teheran Terror- und Menschenrechtsverletzungen vor. Auch ein Grund, weswegen es kaum mehr Investitionen ausländischer Unternehmen im Iran gibt.

Die Internationale Atomenergiebehörde IAEA bestätigte Iran mehrfach, sich an das Atomabkommen zu halten. Zuletzt hatte der inzwischen abgetretene Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) betont: „Wir in Europa, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und die EU, stehen zu diesem Abkommen mit dem Iran. Wir wollen das Abkommen erhalten. Gleichzeitig kritisieren wir natürlich die Rolle des Irans in anderen Fragen.“

Ausstieg aus Iran-Deal gefährdet auch Verhandlungen mit Nordkorea

Von Außenpolitik-Experten in den USA kommt ebenfalls heftige Kritik an Trumps Strategie. Kenneth Pollack vom American Enterprise Institute sagt klar: „Die Trump-Regierung hat ja angekündigt, dass sie den Iran zurückdrängen wolle. Aber das einzige, was sie wirklich tun will, ist, das Atomabkommen zu zerstören.“ Das aber würde nur die US-Verbündeten verschrecken, „die wir verzweifelt brauchen, um mit der Bedrohung umzugehen, die Iran im Nahen Osten darstellt.“

Zudem würde die Umsetzung von Trumps Ultimatum, bis zum 12. Mai ein im Sinne Washingtons umgewandeltes Atomabkommen mit Iran abzuschließen oder den Deal sonst aufzukündigen, einen Atomkompromiss mit Nordkorea wohl unmöglich machen.

Pjöngjang werde sich nach einem einseitigen Ausstieg der USA aus dem Iran-Deal wohl seinerseits nicht auf einen Verzicht seiner Nuklearraketen im Gegenzug für Sicherheitsgarantien einlassen. Trump will in den nächsten Wochen erstmals mit Nordkoreas Diktator Kim Jong-Un zusammentreffen.

Doch eine Rückkehr Trumps zur Vernunft ist kaum zu erwarten: Mit Mike Pompeo, dem vom CIA-Direktor zum Außenminister aufgestiegenen Hardliner, wird Trumps harte Anti-Iran-Linie weiter gestärkt.

Und auch Verteidigungsminister James Mattis, der bisher zum Lager der außenpolitischen Realpolitiker gerechnet wurde, hat gerade den Druck auf Teheran erhöht: Iran mische sich in die Wahl im benachbarten Irak ein. Diese Vorwürfe an die Adresse des Kreml standen auch am Anfang der erst am Donnerstag weiter verschärften US-Sanktionen gegen Russland. Ein schlechtes Omen. Die Hände rücken näher an den Atomknopf.

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