Analyse zum Anschlag in Nizza Warum immer Frankreich?

Schon wieder ein Anschlag in Frankreich: Das Land ist exponiertes Ziel für Terroranschläge, weil es im Nahen Osten den IS bekämpft. Besonders beunruhigend ist eine Statistik über radikalisierte Islamisten. Eine Analyse.

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84 Menschen starben, als ein Mann am Donnerstagabend mit einem Lastwagen durch eine Menschenmenge in Nizza raste. Quelle: Reuters

Paris Frankreich war erleichtert: Die Fußball-EM endete, ohne dass es einen Anschlag auf eine Menschenmenge gegeben hatte. Doch nun, wenige Tage später, ist das Land wieder in Trauer. Mindestens 84 Tote sind in Nizza nach dem Anschlag mit einem Lastwagen auf der Strandpromenade zu beklagen. Vor acht Monaten waren bei den Pariser Anschlägen 130 Menschen gestorben. Warum ist immer wieder Frankreich Ziel von Anschlägen?

An den mangelnden Sicherheitsvorkehrungen kann es nicht liegen. Landesweit gab es am Nationalfeiertag hohe Sicherheitsvorkehrungen. Doch Experten hatten schon vorher gewarnt: 100 Prozent Sicherheit kann es nie geben.

In Nizza patrouillierten Polizisten auf der Promenade – und dennoch kam es zu einem Anschlag. Allerdings wurden immer mal wieder von Experten Lücken bei der Überwachung von Personen kritisiert, die dem terroristischen Milieu nahe stehen. Doch eine Rund-um-die-Uhr-Überwachung ist aus personellen Gründen gar nicht möglich.

Frankreich ist stark im Kampf gegen den IS in Syrien und im Irak engagiert. Terroristen warnten das Land daher schon häufiger, dass die Franzosen deswegen leiden würden. Dass der Anschlag am 14. Juli, dem französischen Nationalfeiertag, ausgeführt wurde, spricht für diese Rachetheorie.

Die Antwort der französischen Regierung auf Anschläge ist immer wieder gleich: Frankreichs Präsident François Hollande kündigte erneut Härte im Kampf gegen den Terrorismus an. Er erklärte, die französischen Angriffe auf den Islamischen Staat im Irak und Syrien auszuweiten. Was zu noch mehr Unmut führen dürfte. Im Gegensatz dazu hält sich etwa Deutschland in der Region sehr zurück. Auch die Antiterrormission Frankreichs in Mali im Jahr 2014 untermauert die Rachetheorie.

Es gibt eine weitere Erklärung, warum Frankreich immer wieder Ziel von Anschlägen wird: In dem Land leben viele gewaltbereite junge Menschen, die Terrororganisationen leicht anwerben können. Die Integration von Einwanderern hat in Frankreich nicht funktioniert. Die Migranten leben zum großen Teil in Problemsiedlungen am Stadtrand von Paris und anderen großen Städten. Viele sind arbeits- und hoffnungslos. Sie fühlen sich ausgegrenzt und sind deshalb empfänglicher für die Propaganda radikaler Gruppen. Aus der Kriminalität driften viele in den Terrorismus ab.

Die Situation in Frankreich ist in vielen Vorstädten ähnlich wie im belgischen Molenbeek. Es sind Siedlungen entstanden, in denen sich vor allem in den letzten zehn Jahren terroristische Zellen gebildet haben. In Frankreich gibt es mittlerweile eine große islamistische Szene. Aus keinem anderen Land sind so viele Personen nach Syrien gereist, Schätzungen zufolge waren es 1000 bis 2000.

Eine Statistik über radikalisierte Islamisten in Frankreich ist besonders beunruhigend. Rund 8250 Personen werden laut Angaben des französischen Innenministeriums inzwischen als Gefährder eingestuft, das sind doppelt so viele wie im vergangenen Jahr. Dabei sind die Hochburgen Paris, Lyon, Toulouse – und Nizza.

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