Anand Mahindra Ein Tycoon und der Islam-Hass in Indien

Der Chef des Industriekonglomerats Mahindra & Mahindra teilt ein Video, auf dem ein Moslem abgeschlachtet wird. Als sich Kritiker melden, rechnet er mit der islamfeindlichen Gesellschaft Indiens ab.

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Der Chef und Miteigentümer des indischen Industriekonglomerats Mahindra Group prangert die Islamfeindlichkeit in Indien an. Quelle: AP

Bangkok So ein Video hat wohl noch nie ein Vorstand eines Firmenimperiums geteilt: Ein Angreifer attackiert einen Mann von hinten mit einer Axt und schlägt mehrmals auf ihn ein. Als das Opfer auf dem Boden liegt, überschüttet der Täter es mit einer entzündbaren Flüssigkeit und verbrennt den Mann schließlich bei lebendigem Leib. „Das passiert, wenn ihr in den ‚Liebes-Dschihad‘ in unserem Land zieht“, sagt der Angreifer emotionslos in die Kamera.

Der „Liebes-Dschihad“ ist eine Verschwörungstheorie radikaler Hindus: Demnach verführen Muslime Hindu-Mädchen, damit sie zum Islam konvertieren.

Anand Mahindra, Chef und Miteigentümer des indischen Industriekonglomerats Mahindra Group, teilte das Video mit seinen fast sechs Millionen Followern – und ließ es nicht unkommentiert. „Einen kaltblütigen Mord in eine TV-Show zu verwandeln, zeigt einen unendlich kranken Geist“, schrieb er dazu. „Wenn wir für uns beanspruchen, eine zivilisierte Gesellschaft zu sein, dann muss auf diese grausame Tat rasch und entschieden Gerechtigkeit walten.“

Die Polizei hat den mutmaßlichen Täter mittlerweile festgenommen, er hatte das Video selbst per Messenger-Dienst Whatsapp in Umlauf gebracht. Auch dessen Cousin ist in Gewahrsam. Der soll das Video gefilmt haben – und ist erst 14 Jahre alt.

Aus den Medien ist der Mord aber noch lange nicht, denn er passiert in einer Zeit, in der die religiösen Spannungen auf dem Subkontinent immer schärfer werden. Die Tat ist nur eine von zahlreichen Gewalttaten radikaler Hindus gegen Minderheiten. Neben der Lynchattacken gegen die sogenannten Liebes-Dschihadisten machen fanatische hinduistische Kuhschützer Jagd auf angebliche Rindfleisch-Esser. In der Regel sind die Opfer Muslime oder Angehörige der kastenlosen Dalits.

Kritiker werfen der regierenden hindu-nationalistischen Partei Bharatiya Janata Party von Regierungschef Narendra Modi immer wieder vor, zu wenig gegen den Hass gegen Moslems zu tun – oder ihn sogar zu befeuern. „Wir haben eine politische Führung, die ein Umfeld geschaffen hat, das nachgiebig gegenüber Hassrede und Hassgewalt ist”, sagte bekannte politische Aktivist Harsh Mander in einem TV-Interview kurz nach dem jüngsten Mord.

Das Thema polarisiert in Indien – gerade deswegen ist der Tweet von Mahindra so ungewöhnlich. Die Kritik auf Mahindras Aktion folgte prompt: Einige Nutzer beschuldigten den Tycoon, Gewalttaten von Moslems zu verschweigen und parteiisch zu sein. Andere forderten Mahindra auf, sich nicht in die religiösen Konflikte des Subkontinents einzumischen. Viele lobten aber auch seinen Mut, den Finger in die Wunde zu legen.

Mit seinem Tweet widersetzte sich Mahindra auch der Aufforderung der indischen Behörden. Die hatte davor gewarnt, das Video weiterzuverbreiten, um die angespannte Atmosphäre zwischen den Religionsgruppen nicht weiter anzuheizen. In der Provinz Rajasthan, wo sich der Vorfall ereignete, wurde sogar zeitweise das Internet abgeschaltet.

Doch Mahindra ließ die Kritik nicht auf sich sitzen – und legte sogar noch nach. „Ich habe meinen Blick auch erst davon abgewendet und wollte weiterscrollen“, schreibt er. Doch er habe seine Meinung geändert. „Würde ich das Video nicht zur Kenntnis nehmen, würde ich die kollektive Schuld der Gesellschaft teilen, die ihre eigenen Dämonen nicht bekämpft.“

Dass nicht innerhalb der Gesellschaft, sondern auch innerhalb des Staates eine tiefe Skepsis gegenüber Moslems herrscht, zeigte ein umstrittenes Urteil des indischen Obersten Gerichtshofes von vergangener Woche. Die Richter scheinen mit ihrer Entscheidung die krude Liebes-Dschihad-Theorie der radikalen Hindus zu bestätigen.

Im Zentrum steht eine junge Frau, Hadiya, eine 25-jährige Medizinstudentin aus einer Hindu-Familie, die einen Moslem heiratete. Ihre Eltern wollten das nicht akzeptieren und ließen die Ehe mit der Begründung annullieren, ihre Tochter sei zu der Hochzeit gezwungen worden. Sie beschuldigten ihren Schwiegersohn außerdem, ein IS-Terrorist zu sein, der ihre Tochter nach Syrien verschleppen wolle. Die Frau widersprach all dem öffentlich, ihr Mann klagte bis zum Obersten Gerichtshof –- und verlor.

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