Angriffe auf Diplomaten in Kuba Die Suche nach der Waffe

Kanadische und US-Staatsbürger in Kuba werden von einem peinigenden Geräusch heimgesucht. Später stellen sich Hör- und Sprachprobleme ein. Was hinter den mysteriösen Vorfällen steckt, bleibt rätselhaft.

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Die US-Regierung hat bislang keinen Schuldigen und kein Gerät ausgemacht, mit dem die Angriffe ausgeführt wurden. Quelle: dpa

Washington Das kreischende Geräusch riss den US-Diplomaten in Havanna aus dem Schlaf. Er sprang aus seinem Hotelbett. Es war Ruhe. Er ging wieder zurück ins Bett. Der schmerzende Lärm traf ihn erneut. Es war, als hätte er eine unsichtbare Mauer in seinem Zimmer durchschritten. Später stellten sich dann Probleme beim Hören und Sprechen ein - so wie bei rund 30 Amerikanern und Kanadiern, die in Kuba waren. Ein hoher US-Diplomat spricht von Angriffen auf die Gesundheit. Doch die Hintergründe bleiben mysteriös und widersprüchlich.

„Für keinen der Fälle gibt es eine vernünftige Erklärung“, sagt Fulton Armstrong, ein ehemaliger CIA-Mitarbeiter, der lange in Havanna tätig war in der Zeit lange bevor die USA ihre Botschaft in der kubanischen Hauptstadt wiedereröffneten. „Das ist nur ein Mysterium nach dem anderen.“

Zunächst gingen die Ermittler von einer akustischen Waffe aus und verdächtigten die Kubaner. Doch dass bei den Opfern leichte Hirnverletzungen festgestellt wurden, spricht gegen eine akustische Waffe. Die ersten Symptome wurden Ende vergangenen Jahres diagnostiziert. Einige Opfer haben bis heute Konzentrationsprobleme oder können sich nicht an bestimmte Worte erinnern. FBI, Außenministerium und Geheimdienste, die alle ermitteln, stehen vor einem Rätsel.

Die US-Regierung hat bislang keinen Schuldigen und kein Gerät ausgemacht, mit dem die Angriffe ausgeführt wurden, wie aus Gesprächen der Nachrichtenagentur AP mit zahlreichen Beamten hervorgeht, die in die Ermittlungen eingeweiht sind.

Tatsächlich ist nahezu nichts klar, von dem, was sich in Havanna zugetragen hat. Es gibt verschiedene Theorien über die Urheber: die kubanische Regierung, eine abtrünnige Fraktion der kubanischen Geheimdienste, ein drittes Land wie Russland oder eine Kombination aus all dem. Vielleicht war es auch gar kein gezielter Angriff, sondern nur eine Spionageaktion, die komplett daneben ging.

Neben ihrem eigenen Zuhause wurden die Amerikaner in mindestens einem Hotel angegriffen, wie die Nachrichtenagentur AP jetzt erfuhr. Es handelt sich um das frisch renovierte Hotel Capri, einen 60 Jahre alten Betonturm nahe der berühmten Strandpromenade Malecón.

Die Fälle unterscheiden sich stark: verschiedene Symptome, verschiedene Erinnerungen daran, was passiert ist. Einige fühlten Vibrationen und hörten Geräusche wie ein lautes Klingeln oder ein hohes Zirpen wie von Grillen oder Zikaden. Andere hörten ein schleifendes Geräusch. Einige Opfer erwachten von dem Klingeln in den Ohren, griffen nach dem Wecker und stellten dann fest, dass die Geräusche aufhörten, wenn sie ihr Bett verließen.

Die Angriffe trugen sich offensichtlich in der Nacht zu. Opfer berichteten von minutenlangen Wellen. Andere hörten und spürten nichts. Später kamen dann die Symptome.


Deutliche Erholung – als sie Kuba verlassen hatten

Die Angelegenheit weitet sich aus. Erst am Dienstag teilte das US-Außenministerium zwei weitere bestätigte Fälle mit. Damit erhöhte sich die Zahl der amerikanischen Opfer auf 21. Einige haben Gehirnerschütterungen erlitten, andere leiden unter dauerhaftem Hörverlust.

Gegen einen gezielten Angriff auf Amerikaner spricht eine weitere Tatsache: Dann neben den Amerikanern wurden auch etwa zehn Haushalte von kanadischen Diplomaten getroffen. Und Kanada pflegte anders als die USA in den vergangenen Jahrzehnten gute Beziehungen zu Kuba.

Die Experten sind verblüfft. Gezielte, lokale Klangwellen sind zwar möglich, doch nach den Regeln der Akustik benötigt man dafür einen großen Apparat, der sich nicht einfach verbergen lässt. Ob die Effekte durch den Bau des Geräts räumlich begrenzt wurden oder ob dafür ein technischer Faktor ausschlaggebend war, ist ebenfalls unklar. Zudem würde ein einziges Gerät zur Klangerzeugung nicht diese merkwürdige und inkonsistente Bandbreite von körperlichen Reaktionen erklären.

Andere Symptome waren Hirnschwellungen, Schwindel, Übelkeit, schwere Kopfschmerzen, Gleichgewichtsstörungen und Tinnitus, also dauerhafte Ohrgeräusche. Viele Opfer zeigten eine deutliche Erholung, nachdem sie Kuba verlassen hatten, bei manchen waren die Symptome ohnehin nur gering oder vorübergehend.

Nachdem sich die USA bereits vor einiger Zeit bei der kubanischen Regierung beschwert hatten und Kanada die Fälle entdeckt hatte, reisten FBI-Agenten und Vertreter der Royal Canadian Mounted Police zu Untersuchungen nach Havanna. Die Räume, wo sich die Angriffe zugetragen haben sollen, wurden durchsucht. Gefunden wurde nichts.

Im Mai wies Washington zwei kubanische Diplomaten aus - aus Protest dagegen, dass es die Regierung in Havanna nicht geschafft hatte, Amerikaner in Kuba zu beschützen. Direkt verantwortlich für die Angriffe gemacht wurde Havanna aber nicht - ein Zeichen dafür, dass die Ermittler nicht davon ausgehen, dass die kubanische Regierung zwangsläufig hinter den Angriffen steckt.

Aktuell will sich die kubanische Regierung nicht zu den Vorfällen äußern. Man verweist auf eine Erklärung des Außenministeriums, die jede Verwicklung verneint, volle Kooperation verspricht und betont, dass man die Situation mit höchster Wichtigkeit behandele. Wörtlich heißt es darin: „Kuba hat niemals erlaubt und wird niemals erlauben, dass das kubanische Territorium für irgendwelche Aktionen gegen diplomatische Vertreter oder ihre Familien genutzt wird - ohne Ausnahmen.“

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