Anhörung vor US-Senat Die Republikaner geraten wegen Kavanaugh mächtig unter Druck

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Den Republikanern rennt die Zeit davon

Zumindest das könnte schnell gehen. Vor Kavanaughs Nominierung durchleuchtete das Weiße Haus im Sommer auch mögliche Alternativen. Jedoch sieht der Zeitplan im Kongress jetzt deutlich ungünstiger für die Republikaner aus: Anfang November finden die Zwischenwahlen statt, bei denen auch ein Drittel des Senats neu gewählt wird.

Zwar gelten die Republikaner mit Blick auf diese Kongress-Kammer als Favoriten, ausgeschlossen ist es noch nicht, dass die Demokraten angesichts des politischen Klimas die knappe Mehrheit der Republikaner kippen. Dann hätte die Trump-Partei nur ein sehr kurzes Zeitfenster, um einen konservativen Kandidaten durch den Kongress zu bringen, bevor der neue Senat im Januar die Arbeit aufnimmt. Kavanaugh zurückzuziehen ist deshalb ein nicht zu ignorierendes Risiko.

Das Gleiche gilt allerdings auch für das Festhalten an ihm. Bevor Kavanaugh am Nachmittag vor dem Justizausschuss seine Aussage beginnt, sagte eine seiner Beschuldigerinnen, Christine Blasey Ford, aus. Ihre Augen sind geschlossen, als sie vor den Senatoren schwört, die Wahrheit zu sagen. Mit leiser Stimme trägt sie ihre Anschuldigungen vor. Der Kontrast zur kämpferischen Aussage des Nominierten ist enorm.

Kavanaugh habe sie im Sommer des Jahres 1982 volltrunken auf ein Bett gedrückt, versucht, sie auszuziehen und ihr den Mund zugehalten, als sie zu schreien versuchte, sagt Blasey Ford aus. „Ich glaubte, er würde mich vergewaltigen“, sagt sie. „Ich konnte kaum atmen.“ Sie habe um ihr Leben gefürchtet.
Ein Freund von Kavanaugh sei währenddessen im Raum gewesen. „Ich erinnere mich, wie die beiden gelacht haben, auf meine Kosten gelacht haben“, sagt Blasey Ford vor dem Ausschuss. Sie sei „100 Prozent sicher“, dass Kavanaugh sie angegriffen habe.

Blasey Fords Aussage macht Eindruck. Der Professorin fällt der Auftritt vor den Senatoren sichtlich schwer. Ihre Vorwürfe gegen Kavanaugh hatte sie bereits vor dessen Nominierung an den Kongress geschickt. Erst nachdem der Richter auch offiziell von Trump ausgewählt wurde und seine Bestätigung durch den Senat als so gut wie sicher galt, trat sie an die Öffentlichkeit. Das verleiht ihren Vorwürfen Glaubwürdigkeit. Auch die Mehrheitspartei zeigt sich nach ihrer Aussage beeindruckt. „Ich sehe keinen Grund, sie für unglaubwürdig zu halten“, sagt John Cornyn, Senator aus Texas und Mitglied der republikanischen Führung im Senat.

Die Schlammschlacht um Vorwürfe gegen den Kandidaten für den Supreme Court der USA geht in die nächste Runde. Donald Trump wird ungehalten.

Nun steht Aussage gegen Aussage. Ob Kavanaugh mit seinem Auftritt die Republikaner hinter sich versammeln konnte, wird sich schnell zeigen. Bereits am heutigen Freitag wird der Justizausschuss darüber befinden, ob der gesamte Senat über seine Kandidatur abstimmen soll. Schon hier könnte er scheitern. Jeff Flake, Senator aus Arizona und Trump-Kritiker, hat bereits vor der Anhörung seine Unzufriedenheit mit dem gesetzten Zeitplan zum Ausdruck gebracht. Nach der Ausschusssitzung will er sich nicht dazu äußern, ob er Kavanaughs Aussage für glaubwürdig hält. Wie im Plenum halten die Republikaner im Ausschuss mit nur einer Stimme die Mehrheit.
Doch selbst, wenn Kavanaugh den Ausschuss übersteht, wird es für ihn knapp. Moderate republikanische Senatorinnen haben ebenfalls Zweifel angemeldet – und schon zwei Gegenstimmen aus der Gruppe der Republikaner könnten seine Niederlage besiegeln. Sollte der Ausschuss heute zustimmen, wird am Dienstag der Senat endgültig entscheiden.

Ausgeschlossen ist derweil, dass Kavanaughs Nominierung noch zurückgezogen wird. Er habe „Amerika genau gezeigt, warum ich ihn nominiert habe“, twitterte US-Präsident Trump nach Ende der Anhörung. „Der Senat muss jetzt abstimmen.“

Damit bliebe noch die Möglichkeit, dass Kavanaugh selbst auf seine Bewerbung für den Sitz am Obersten Gerichtshof verzichtet. Das will er allerdings auf keinen Fall. „Sie mögen mich in der Abstimmung besiegen, aber ich werde nicht zurückziehen. Niemals“, sagt er in der Anhörung.

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