Anhörung vor US-Senat Die Republikaner geraten wegen Kavanaugh mächtig unter Druck

Christine Blasey Ford und Brett Kavanaugh Quelle: REUTERS

Donald Trump stellt sich nach der Anhörung des umstrittenen Kandidaten für den Obersten US-Gerichtshof weiter hinter Brett Kavanaugh. Doch allmählich zeichnet sich ab, dass die Zustimmung für ihn – auch in den Reihen der Republikaner – bröckelt.

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Brett Kavanaugh ist sichtlich angespannt, als er den Sitzungsraum 226 im Dirksen Senate Office, schräg gegenüber dem Kapitol in Washington, D.C., betritt. Seine Augen sind weit aufgerissen, seine Lippen fest aufeinandergepresst. Bevor er vereidigt wird, schiebt er das Namensschild auf dem dunklen Holztisch hin und her. Dann setzt er an. „In den vergangenen zehn Tagen wurden mein Name und meine Familie vollständig und dauerhaft zerstört“, sagt er mit lauter Stimme. „Dieses Verfahren ist eine nationale Schande geworden.“ Seine Gegner im Senat hätten ihren verfassungsmäßigen Auftrag von „beraten und zustimmen in suchen und zerstören“ umgewandelt.

Kavanaugh kämpft in diesem Moment nicht nur um seine Karriere, er kämpft um seinen Ruf. Vor eineinhalb Wochen galt er noch als sicherer Kandidat für einen von neun Sitzen am Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten von Amerika – eine höchst einflussreiche Position, die auf Lebenszeit vergeben wird. Seine Bestätigung durch den Senat würde eine konservative Mehrheit in dem Gremium womöglich für Jahre festschreiben und damit ein zentrales Wahlversprechen von US-Präsident Donald Trump und der republikanischen Partei erfüllen.

Entsprechend umstritten war seine Nominierung. Die oppositionellen Demokraten positionierten sich – mit wenigen Ausnahmen – von Anfang an gegen Kavanaugh. Doch ihre Einflussmöglichkeiten sind höchst begrenzt. Im Senat reicht eine einfache Mehrheit, um den Richter zu bestätigen. Die Republikaner verfügen über 51 von 100 Stimmen.

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Doch seit vor zehn Tagen erstmals der Verdacht des sexuellen Übergriffs öffentlich gegen Kavanaugh vorgebracht wurde, ist sein Erfolg im Senat alles andere als sicher. Mehrere republikanische Senatoren haben bereits ihre Vorbehalte verlauten lassen.
Zwar versicherte der Mehrheitsführer in der oberen Kongresskammer, Mitch McConnell, der konservativen Basis bereits, man werde Kavanaugh in jedem Fall durchsetzen, doch in den Tagen danach erhoben weitere Frauen Vorwürfe gegen den Richter. Sein Auftritt vor dem Justizausschuss des Senats ist die letzte Chance für Kavanaugh, seine Nominierung doch noch zu retten.

Während seiner Aussage bricht seine Stimme wieder und wieder. Mal kämpft er mit den Tränen, mal kann er seine Wut kaum unterdrücken und fährt die Demokraten im Ausschuss frontal an. Sein Auftritt ist alles andere als diplomatisch. Auf einen Sachverhalt besteht er allerdings: „Ich habe nie in meinem Leben jemanden sexuell belästigt. Nicht in der Highschool, nicht im College. Nie“, sagt Kavanaugh. „Ich bin unschuldig.“

Brett Kavanaugh gilt wegen seiner Skepsis gegenüber staatlichen Regulierungen als konservativer Richter. Mit ihm im Amt könnte der Oberste Gerichtshof so unternehmerfreundlich werden wie seit Jahrzehnten nicht.

Für seine Unterstützer ist der aggressive Auftritt ein Hoffnungsschimmer. In der Bevölkerung war der Richter nie der beliebteste Kandidat, doch zahlreiche Gruppen sprachen sich früh für seine Nominierung aus. Auch die amerikanische Unternehmercommunity unterstützte ihn. Kavanaugh sei „der richtige für den Job“, urteilte die Chamber of Commerce, eine der einflussreichsten Interessenvertretungen der USA.
Für die Wirtschaft wäre der Kandidat ein Glücksfall. Als Richter an einem Bundesgericht in Washington, D.C., hatte Kavanaugh immer wieder im Interesse der Wirtschaft geurteilt. In prominenten Entscheidungen stellte er die Existenz mehrerer staatlicher Regulierungsbehörden in Frage – etwa die der Consumer Financial Protection Bureau, eine Agentur, die Finanzmarktprodukte überprüft. Er sprach sich gegen Umweltschutzverordnungen aus, die Grenzwerte für klimaschädliche Emissionen durch die Regierung festschrieben. Auch Netzneutralität lehnt er ab.

Angesichts der Vorwürfe gegen Kavanaugh schraubten die Wirtschaftsverbände ihre Unterstützung in den vergangenen Tagen zumindest öffentlich zurück. Während vor dem Dirksen-Gebäude konservative Gruppen für den Kandidaten demonstrierten, ist aus Unternehmenskreisen kaum etwas zu hören. Allerdings: Die offizielle Unterstützung seiner Nominierung hat etwa die Chamber of Commerce noch nicht zurückgezogen.
Das liegt nicht zuletzt daran, dass ein für die Wirtschaftsinteressen vergleichbar positiver Ersatzkandidat es womöglich ebenfalls schwer haben könnte. Der Zeitplan einer erneuten Nominierung ist mit Risiken verbunden. Ursprünglich war der Plan, Kavanaugh in den kommenden Tagen zu bestätigen, damit er im Oktober seinen Platz auf der Richterbank einnehmen kann. Sollte seine Kandidatur nun scheitern, müsste das Weiße Haus einen neuen Kandidaten vorschlagen.

Den Republikanern rennt die Zeit davon

Zumindest das könnte schnell gehen. Vor Kavanaughs Nominierung durchleuchtete das Weiße Haus im Sommer auch mögliche Alternativen. Jedoch sieht der Zeitplan im Kongress jetzt deutlich ungünstiger für die Republikaner aus: Anfang November finden die Zwischenwahlen statt, bei denen auch ein Drittel des Senats neu gewählt wird.

Zwar gelten die Republikaner mit Blick auf diese Kongress-Kammer als Favoriten, ausgeschlossen ist es noch nicht, dass die Demokraten angesichts des politischen Klimas die knappe Mehrheit der Republikaner kippen. Dann hätte die Trump-Partei nur ein sehr kurzes Zeitfenster, um einen konservativen Kandidaten durch den Kongress zu bringen, bevor der neue Senat im Januar die Arbeit aufnimmt. Kavanaugh zurückzuziehen ist deshalb ein nicht zu ignorierendes Risiko.

Das Gleiche gilt allerdings auch für das Festhalten an ihm. Bevor Kavanaugh am Nachmittag vor dem Justizausschuss seine Aussage beginnt, sagte eine seiner Beschuldigerinnen, Christine Blasey Ford, aus. Ihre Augen sind geschlossen, als sie vor den Senatoren schwört, die Wahrheit zu sagen. Mit leiser Stimme trägt sie ihre Anschuldigungen vor. Der Kontrast zur kämpferischen Aussage des Nominierten ist enorm.

Kavanaugh habe sie im Sommer des Jahres 1982 volltrunken auf ein Bett gedrückt, versucht, sie auszuziehen und ihr den Mund zugehalten, als sie zu schreien versuchte, sagt Blasey Ford aus. „Ich glaubte, er würde mich vergewaltigen“, sagt sie. „Ich konnte kaum atmen.“ Sie habe um ihr Leben gefürchtet.
Ein Freund von Kavanaugh sei währenddessen im Raum gewesen. „Ich erinnere mich, wie die beiden gelacht haben, auf meine Kosten gelacht haben“, sagt Blasey Ford vor dem Ausschuss. Sie sei „100 Prozent sicher“, dass Kavanaugh sie angegriffen habe.

Blasey Fords Aussage macht Eindruck. Der Professorin fällt der Auftritt vor den Senatoren sichtlich schwer. Ihre Vorwürfe gegen Kavanaugh hatte sie bereits vor dessen Nominierung an den Kongress geschickt. Erst nachdem der Richter auch offiziell von Trump ausgewählt wurde und seine Bestätigung durch den Senat als so gut wie sicher galt, trat sie an die Öffentlichkeit. Das verleiht ihren Vorwürfen Glaubwürdigkeit. Auch die Mehrheitspartei zeigt sich nach ihrer Aussage beeindruckt. „Ich sehe keinen Grund, sie für unglaubwürdig zu halten“, sagt John Cornyn, Senator aus Texas und Mitglied der republikanischen Führung im Senat.

Die Schlammschlacht um Vorwürfe gegen den Kandidaten für den Supreme Court der USA geht in die nächste Runde. Donald Trump wird ungehalten.

Nun steht Aussage gegen Aussage. Ob Kavanaugh mit seinem Auftritt die Republikaner hinter sich versammeln konnte, wird sich schnell zeigen. Bereits am heutigen Freitag wird der Justizausschuss darüber befinden, ob der gesamte Senat über seine Kandidatur abstimmen soll. Schon hier könnte er scheitern. Jeff Flake, Senator aus Arizona und Trump-Kritiker, hat bereits vor der Anhörung seine Unzufriedenheit mit dem gesetzten Zeitplan zum Ausdruck gebracht. Nach der Ausschusssitzung will er sich nicht dazu äußern, ob er Kavanaughs Aussage für glaubwürdig hält. Wie im Plenum halten die Republikaner im Ausschuss mit nur einer Stimme die Mehrheit.
Doch selbst, wenn Kavanaugh den Ausschuss übersteht, wird es für ihn knapp. Moderate republikanische Senatorinnen haben ebenfalls Zweifel angemeldet – und schon zwei Gegenstimmen aus der Gruppe der Republikaner könnten seine Niederlage besiegeln. Sollte der Ausschuss heute zustimmen, wird am Dienstag der Senat endgültig entscheiden.

Ausgeschlossen ist derweil, dass Kavanaughs Nominierung noch zurückgezogen wird. Er habe „Amerika genau gezeigt, warum ich ihn nominiert habe“, twitterte US-Präsident Trump nach Ende der Anhörung. „Der Senat muss jetzt abstimmen.“

Damit bliebe noch die Möglichkeit, dass Kavanaugh selbst auf seine Bewerbung für den Sitz am Obersten Gerichtshof verzichtet. Das will er allerdings auf keinen Fall. „Sie mögen mich in der Abstimmung besiegen, aber ich werde nicht zurückziehen. Niemals“, sagt er in der Anhörung.

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