Anhörung wird zum nationalen Phänomen Die große Comey Show

Das hat es noch nie gegeben. Eine Anhörung vor einem Senatsausschuss wird zum nationalen Medienphänomen mit Public-Viewing. Amerika fiebert der „James Comey Show“ entgegen.

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San Francisco Ganz Amerika ist im Comey-Fieber. Nicht nur die notorischen TV-Kabel-Nachrichtensender wie CNN werden am heutigen Donnerstag ab zehn Uhr New Yorker Zeit (16 Uhr MEZ) die Anhörung des früheren FBI-Chefs James Comey live übertragen. Auch die großen Publikumssender wie ABC, CBS, NBC oder Fox unterbrechen ihre Frühstücksprogramme. Statt „Good Morning America“ gibt es „Good Morning Mr. Comey“. Dabei wird sogar teilweise ganz auf Werbeeinblendungen verzichtet. Das könnte das größte TV-Event neben dem Superbowl mit 120 Millionen Zuschauern werden.
In vielen Bars oder Pubs, vornehmlich an der Ostküste der USA, werden zudem Überstunden geschoben, ganz wie bei großen Sportevents. So wie im Union Pub in Washington, der um 9.30 öffnet und alle Bildschirme für die Anhörung einschalten will - mit nur einer Ausnahme: Ein Bildschirm zeigt den Twitter-Account von Donald Trump. Denn jedes Mal wenn Trump zu der Anhörung twittert, gibt es eine Lokalrunde aufs Haus.

In Shaw’s Taverne in Washington wiederum gibt es ab 9.30 Uhr russischen Wodka für fünf Dollar das Glas und ein FBI-Sandwich für zehn Dollar. Rob Heim, Manager des Shaw’s, erklärte gegenüber CBS News: „Wir haben Partys zu TV-Debatten und zur Wahlnacht, aber das ist das erste Mal, dass wir eine Kongressanhörung übertragen“.
Im Duffy’s gibt es zur Feier des Tages einen „Cofveve“-Cocktail sowie freies WLan, damit alle so tun können, als würden sie arbeiten, während sie in der Bar den Politthriller des Jahres verfolgen.

Das plötzliche Interesse der Öffentlichkeit an den üblicherweise knochentrockenen Kongress-Anhörungen ist ungewöhnlich. Seit 1973, als in einem Hearing zur Watergate-Affäre urplötzlich Präsident Richard Nixon in den Mittelpunkt rückte, hat es keine Anhörung gegeben, die im Vorfeld einen ähnlich großen Wirbel erzeugt hat.

Dabei geht es im Prinzip um zwei große Themenstränge: Die Öffentlichkeit erwartet Aussagen zu den Russland-Ermittlungen gegen das Trump-Wahlkampfteam. Und zu den Vorwürfen, Trump habe vom damaligen FBI-Chef gefordert, die Ermittlungen gegen den gefeuerten Sicherheitsberater Michael Flynn einzustellen. Letzteres könnte als Behinderung der Justiz ausgelegt werden, etwas, das Richard Nixon 1973 zum Verhängnis wurde. Denn wer „Justizbehinderung“ sagt, sagt auch „Impeachment“: Amtsenthebung.

Am Mittwochnachmittag wurde die Spannung weiter angeheizt, als der Senat das Eröffnungsstatement von Comey veröffentlichte. Darin betätigte Comey die versuchte Einflussnahme auf die Ermittlungen gegen Flynn. Trump habe ihn bei einem Treffen im Weißen Haus am 14. Februar gebeten, die Sache fallenzulassen. Zeugen dafür gibt es keine, Trump habe vorher alle anderen aus dem Raum geschickt.

Comey räumt aber auch ein, er habe Trump bestätigt, das FBI ermittle nicht persönlich gegen Trump. Der Bitte, das auch öffentlich zu verkünden, kam er wiederum nicht nach. Zum Teil, weil es im Fall von späteren Ermittlungen sonst öffentlichen Korrekturbedarf gegeben hätte.


Trump forderte „aufrichtige Loyalität“

Das Problem: Trump hatte im Mai noch Fragen von Journalisten, ob er sich in die Flynn-Ermittlungen eingemischt habe, mit einem knappen „Nein“ weggewischt.
In seinem Statement erwähnt Comey mehrfach, wie „unwohl“ er sich in der Gegenwart des Präsidenten gefühlt habe. Etwa als Trump ihn bei einem privaten Dinner erst gefragt habe, ob er seinen Job liebe, und dann seine „Loyalität“ eingefordert habe.

Comey habe Trump erklärt, das FBI sei überparteilich und er verspreche ihm „Aufrichtigkeit“. Trump habe gekontert, dass er genau das wolle: „aufrichtige Loyalität“. Später habe Comey noch Justizminister Jeff Sessions gesagt, dass er nicht mehr mit dem Präsidenten alleine in einem Raum sein wolle. Für den FBI-Chef sei das nicht angemessen. Wenig später wurde Comey von Trump überraschend und mit sofortiger Wirkung als FBI-Chef entlassen.

Die Stimmung in Washington ist gereizt. Am Mittwoch, noch bevor Comeys Stellungnahme öffentlich wurde, waren bereits die Chefs der wichtigsten US-Geheimdienste und Strafverfolgungsbehörden auf den Capitol Hill vorgeladen. Die Befragung zu Russland endete beinahe in einem handfesten Eklat, als sich der Chef der Geheimdienstbehörde NSA, Mike Rogers und der Chef der nationalen Sicherheitsbehörden, Dan Coats, zwar sagten, sie hätten sich niemals „unter Druck“ gesetzt gefühlt.

Dann aber weigerten sich beide hartnäckig darüber zu sprechen, ob Trump sie mit Blick auf laufende Ermittlungen angesprochen habe. Das sei „unangemessen“, sei ihre Einstellung. Auf wütende Nachfragen räumte Coats ein, es gebe keine Rechtsgrundlage, die Antworten zu verweigern - antworten werde er trotzdem nicht.

Die Diskussion wurde immer aufgeheizter und selbst der Republikaner Marco Rubio aus Florida herrschte die Befragten an: „Wenn das, was die Medien berichten unwahr ist, ist es unfair dem Präsidenten gegenüber (es nicht zu sagen). Wenn es stimmt, dann muss es die amerikanische Öffentlichkeit erfahren - und wir als Aufsichtsorgan, um unsere Arbeit machen zu können.“

Wird Comey - freiwillig oder unfreiwillig - morgen mehr Licht ins Dunkel bringen? Es ist ein Krimi, wie ihn sich Hollywood nicht besser hätte ausdenken können. Involviert sind ein US-Präsident, ein gefeuerter FBI-Chef und Berater wie Michael Flynn, die Zahlungen und Treffen mit russischen Offiziellen verschwiegen hatten. Zudem dabei: Ein Schwiegersohn des Präsidenten, der einen geheimen Kommunikationskanal mit Moskau am Weißen Haus vorbei aufbauen wollte. Wäre diese Präsidentschaft eine TV-Serie, das Comey-Hearing wäre die Auftaktfolge für eine neue Staffel.

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