Anschläge im Urlaubsparadies Thailands düstere Zukunft

Nach dem gewonnenen Verfassungs-Referendum präsentierte sich die thailändische Junta als Stabilitätsgarant. Doch das Vertrauen in das Militär bröckelt. Der Terror zeigt, dass das Land von Normalität weit entfernt ist.

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Nach den Anschlägen bangen die Thailändern um ihre Sicherheit. Quelle: dpa

Bangkok Alles war vorbereitet: Im ganzen Land hatten die Thailänder Bilder ihrer Königin Sirikit aufgehängt und mit Blumen geschmückt. An diesem Freitag feierte die Frau des geliebten Regenten Bhumibol ihren 84. Geburtstag. Es ist ein langes Wochenende und viele Thais machten sie auf den Weg zu Familienbesuchen oder an die zahlreichen Strände des Urlaubslandes.

Doch aus dem geplanten Festtag wurden die chaotischsten Stunden, die das Land in seiner jüngeren Geschichte erlebt hat. Innerhalb etwa 24 Stunden explodierten im ganzen Land zehn Bomben – unter anderem mitten in den touristischen Zentren Hua Hin und Phuket. Mindestens vier Menschen wurden getötet, Dutzende wurden verletzt, darunter auch drei Deutsche.

Genau davor hatte die Junta stets Angst: Die seit 2014 herrschenden Generäle beziehen ihre Legitimität daraus, dass es in dem Land ausnahmsweise keine Straßenschlachten oder Massenproteste gibt. Besonders hart trifft die Junta nun, dass die Terroristen die für das Land so wichtigen Touristen ins Visier genommen haben. „Das raubt dem Militär die Glaubwürdigkeit für Recht und Ordnung sorgen”, analysiert Thitinan Pongsudhirak, Politikwissenschaftler an der Bangkoker Chulalongkorn Universität.

Dabei hatten die Generäle gerade erst einen Erfolg gefeiert: Am Wochenende nahmen die Thailänder per Referendum eine von der Militärregierung vorgelegte Verfassung an. Politische Beobachter halten den neuen Vertrag für undemokratisch, weil er der Junta langfristig weiträumige Macht einräumt. Die Generäle sehen in dem Referendums-Erfolg jedoch eine Bestätigung in ihrem Bemühen darin, dem Land Stabilität zu bringen.

Doch wie ein stabiles Land sieht Thailand derzeit nicht aus: An wichtigen öffentlichen Einrichtungen wie Flughäfen herrscht ein massives Sicherheitsaufgebot. Durch die Stationen der Bangkoker Hochbahn patrouillieren Beamte mit Sprengstoffhunden. Und das sonst quirlige Hua Hin, wo insgesamt vier Bomben explodierten, gleicht an einigen Straßenzügen einer Geisterstadt.

Touristen wie die deutsche Urlauberin Julia Knobloch reagieren verunsichert. Die 29-jährige Lehrerin aus Köln urlaubt derzeit auf der Insel Koh Samui. Sie machte gerade eine Gruppentour auf der Insel, als einige der Mitreisenden plötzlich die Nachrichten von den Anschlägen auf den Smartphones erhielten. „Wir waren alle ein bisschen beunruhigt. Mir war auch ein bisschen mulmig”, sagt sie. Die Tour sei weiter gegangen, von einem Touristen-Hotspot zum nächsten. „Aber man passt natürlich schon mehr auf.”

Schon jetzt ist klar, dass die Urlauberzahlen zumindest kurzfristig wieder einbrechen werden: Reiseveranstalter wie Tui oder Thomas Cook haben ihren Kunden bereits angeboten, kostenlos umzubuchen. Zwar hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass die Touristen schnell wieder zurückkommen. Doch Anschläge und Krisen haben die wirtschaftliche Entwicklung zuletzt immer wieder zurückgeworfen.

Rund zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes von Thailand stammen direkt aus dem Tourismus. Und noch weiß niemand, ob dies erst der Auftakt weiteren Anschlagswellen oder Unruhen ist. „Ein Ausbruch von Gewalt oder weiteren Straßenprotesten wäre ein signifikanter Rückschlag für die wirtschaftliche Entwicklung”, analysiert Krystal Tan, Ökonomin des Beratungsunternehmens Capital Economics in Singapur.

Dabei ist die wirtschaftliche Situation Thailands schon jetzt schlecht. Im Vergleich zu Nachbarländern wie Vietnam verliert das Land an Wettbewerbsfähigkeit. Die Weltbank prognostiziert für dieses Jahr nur ein Wirtschaftswachstum von nur 2,5 Prozent. Der Tourismus sei einer der wenigen Wirtschaftszweige, die noch prosperierten, sagt Ökonomin Tan.


Jagd nach den Hintermännern

Doch nun ist die Verunsicherung groß. Auch weil noch unklar ist, wer hinter den Tätern steckt. Derzeit gehen die Behörden davon aus, dass die politische Opposition für die Attacke verantwortlich ist. Sie weisen darauf hin, dass die Bomben vor allem an Orten explodiert seien, die sich mit großer Mehrheit gegen die von der Junta vorgeschlagenen Verfassung ausgesprochen hatten. Am Abend rief Machthaber Prayuth Chan-ocha in einer TV-Ansprache dazu auf, „das Böse aus unserer Gesellschaft zu tilgen“.

Es besteht die Gefahr, dass die Junta in ihrem nun beginnenden Feldzug gegen die Hintermänner, die Freiheit der Thailänder noch weiter einschränkt. Bereits in den vergangenen Monaten wurden Oppositionelle und Aktivisten festgenommen und verurteilt. Damit könnte sie nun aber genau bewirkt haben, was Beobachter befürchtet hatten: Dass sich eine Gruppe der Oppositionellen radikalisiert und einen Guerilla-Krieg anzettelt.

Denn entgegen der Versprechungen der Militärregierung ist das Land von einer echten gesellschaftlichen Versöhnung weit entfernt. Der tiefe Konflikt zwischen den Anhängern der Parteien von Thaksin Shinawatra und der alten politischen Elite des Landes ist noch lange nicht gelöst – auch weil die derzeitige Junta jede offene Debatte über die Zukunft des Landes unterdrückt.

Doch es gibt noch weitere Konfliktherde im Land: Seit mehr als einem Jahrzehnt kämpfen im Süden militante Moslems für ein eigenes Kalifat, mehr als 6000 Menschen kamen in dem Konflikt bereits ums Leben. Bisher konzentrierten sich ihre Aktionen zwar nur auf den Süden des Landes. Auszuschließen ist ein solcher Hintergrund jedoch nicht, zumal die Bauart der Bomben jener im Süden ähnelt.

Auch international agierende Terroristen können als Täter noch nicht ausgeschlossen werden. Vor ziemlich genau einem Jahr wurden bei einem Bombenanschlag am Erawan-Schrein im Herzen Bangkoks etwa 20 Menschen getötet. Zwei Uiguren stehen derzeit für den Anschlag vor Gericht. Die Junta hält sie für Mitglieder einer kriminellen Schleuserbande. Viele politische Beobachter vermuten hinter dem Anschlag dagegen den Racheakt einer muslimischen Terroraktion für die Abschiebung von Uiguren nach China.

Doch egal, welcher der vielen Gegner der thailändischen Junta für die jetzigen Anschläge verantwortlich ist: Angesichts der zehn auf das ganze Land verteilter Bomben hat die Gruppe den Druck auf die herrschenden Generäle stark erhöht. Thailand stehen weiterhin unruhige Zeiten bevor.

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