Anschläge in Spanien „Marokko exportiert seine Terroristen“

Marokko gehört zu den Nationen, aus denen die meisten Dschihad-Kämpfer kommen. Im eigenen Land schlagen sie nicht zu, dafür umso häufiger in Europa – wie zuletzt bei den Attentaten in Barcelona und Cambrils.

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Ein Schild mit der Aufschrift „Wir haben keine Angst“ liegt an der Flaniermeile Las Ramblas in Barcelona an einer Gedenkstätte für die Opfer des Terroranschlags. Quelle: dpa

Madrid Noch sind die Terrorattentate von Barcelona und Cambrils nicht aufgeklärt, aber ein Muster sticht jetzt schon heraus: Die Attentäter haben marokkanische Wurzeln, obwohl die meisten in Spanien geboren sind. Auch der Attentäter in Finnland, der am Freitag vergangener Woche zwei Menschen niederstach, war Marokkaner. „Die meisten Terroranschläge in Westeuropa seit Ende der 90er Jahre wurden von Marokkanern verübt“, sagt der Islam- und Terrorexperte Guido Steinberg vom Deutschen Institut für Internationale Politik und Sicherheit.

Marokko gehört zu den Ländern, aus denen die meisten Dschihad-Kämpfer kommen. Gut 1600 Marokkaner haben sich laut Angaben aus Rabat zwischen 2013 und 2016 einer Terrororganisation angeschlossen.

In Marokko selbst gibt es allerdings kaum Attentate – das letzte stammt aus dem Jahr 2011. Das liegt an einer starken Kontrolle: Der marokkanische König Mohammed VI sieht sich als religiöser Führer und kontrolliert die Moscheen sehr genau. „Marokko exportiert seine Terroristen“, sagt deshalb Experte Steinberg. „Der Sicherheitsapparat dort ist so mächtig, effektiv und brutal, dass sich nur wenige trauen, Attentate zu verüben.“

Auf die Landsleute im Ausland hat Rabat zwar keinen Einfluss. Aber Marokko kooperiert mit vielen Ländern im Kampf gegen den Terror. 2015 gründete Rabat ein neues Zentrum für Terrorabwehr, das „Bureau Central d’Investigation Judiciaire“, im Volksmund „marokkanisches FBI“ genannt. Allen voran mit Spanien bestehen besonders enge Kontakte. Seit 2014 haben beide Länder in acht gemeinsamen Anti-Terroreinsätzen 64 Verdächtige verhaftet. 13 Jahre lang konnte Spanien Attentate im eigenen Land verhindern. Davor allerdings war ein islamistischer Anschlag umso verheerender: 2004 starben bei Bombenanschlägen auf Vorortzüge in Madrid 191 Menschen. Auch damals waren die meisten Täter Marokkaner.

Islamexpertin Lurdes Vidal von der Denkfabrik Instituto Europeo del Mediterráneo überrascht es nicht, dass auch die Attentäter von Barcelona marokkanische Wurzeln haben: „Das liegt schlicht daran, dass viele Marokkaner nach Spanien eingewandert sind – sie stellen die größte muslimische Gruppe hier.“

Dabei ist Spanien ein Land mit einer großen Willkommenskultur. Im Wirtschaftsboom der 90er Jahre kamen rund fünf Millionen Einwanderer ins Land. Anders als in den meisten übrigen europäischen Ländern gibt es aber keine nennenswerte rechtsradikale Partei. Doch Experte Steinberg ist überzeugt: „Ob Immigranten gut oder schlecht integriert sind, spielt keine Rolle bei der Suche nach den Ursachen für Terroranschläge. Viel wichtiger ist die Empfänglichkeit der potentiellen Terroristen für dschihadistische Ideologie.“

Und die scheint in Marokko vergleichsweise groß zu sein. Nach Meinung des Menschenrechtsaktivisten Hicham Aroud aus Rabat liegt das an der religiösen Tradition des Landes. Unter dem ehemaligen König Hassan II kam der Wahhabismus nach Marokko, eine sehr puristische und traditionalistische Form des Islam.

Viele Terroristen berufen sich inzwischen darauf. Zwar starb Hassan II im Jahr 1999 und sein Sohn Mohammed VI schlug einen gemäßigteren Weg ein. Die Ideologie jedoch ist offenbar noch nicht aus allen Köpfen verschwunden. „Die marokkanische Gesellschaft ist sehr konservativ und religiös“, erklärt Aroud. „Und einige interpretieren den Koran immer noch als Rechtfertigung für Gewalt.“

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